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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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grätz eintraf. Der Bericht über die Bundestagssitzung vom 2. Juli enthält die
Mittheilung: Der Gesandte von Mecklenburg habe zur Kenntniß der Bundes¬
versammlung gebracht, "daß er bis auf Weiteres aus derselben abberufen
sei." Die Mobilmachung, ohnehin ein öffentliches Geheimniß und durch unum¬
gängliche Bekanntmachungen von Behörden selbst amtlich bezeugt, und der An¬
schluß an Preußen wurden nun nicht länger geläugnet. Das ministerielle Blatt
mußte am 11. Juli die active Betheiligung Mecklenburgs am Knege durch fol¬
gende osstciöse Motivirung mit der bisherigen Neutralitätspolitik auszugleichen
suchen: "Seit dem letzten verhängnißvollen Schritte des kaiserlichen östreichischen
Cabinets, durch welchen es einen fremden Monarchen zum Schiedsrichter über
die Geschicke Deutschlands aufgerufen hat, muß jeder Ungewißheit, auf welcher
Seite man für eine heilbringende Zukunft Deutschlands zu wirken habe und
wirken könne, ein Ende gemacht sein. Oestreich hat seine bisherige Stelle an
der Spitze^Deutschlands selbst aufgegeben und die Sympathien vieler deutscher
Herzen zurückgewiesen. Man irrt gewiß nicht, wenn man die oben gemeldeten
Thatsachen (den Anschluß des Großherzogs an Preußen und dessen Uebernahme
eines preußischen Commandos) mit dieser wesentlichen Veränderung der Sach¬
lage in Verbindung bringt." Dem Blatte konnte es unmöglich verborgen sein,
daß diese Motivirung vor der chronologischen Reihenfolge der Ereignisse nicht
Stich hält. Die Anrufung des Kaisers der Franzosen von Seiten Oestreichs er¬
folgte bekanntlich erst nach dem Tage von Königsgrätz; der Anschluß Mecklen¬
burgs an Preußen aber war schon vor dem 1. Juli, dem Tage der Abreise des
Großherzogs in das preußische Hauptquartier, zur Thatsache geworden.

Die mecklenburgischen Truppen wurden dem preußischen zweiten Ncserve-
Armeecorps zugetheilt, welches in Leipzig und Umgegend sich sammelte und '
unter den Oberbefehl des Großherzogs Friedrich Franz gestellt wurde. In den
Tagen vom 14. bis 16. Juli ging die schwerinsche Division (176 Offiziere und
3,377 Mann mit 1.487 Pferden) per Eisenbahn nach Leipzig, wo der Gioß-
herzog, von dem preußischen Hauptquartier aus, am 18. eintraf und am 19.
das Commando antrat. Der Abmarsch von Leipzig begann am 20. Juli. Das
Coips rückte in die an Sachsen grenzenden Theile von Bayern und besetzte
diese, ohne auf einen irgend nennenswerthen Widerstand zu stoßen. Der Waffen¬
stillstand vom 2. August fand dasselbe bereits im Besitz von Nürnberg und
Erlangen. Die strelitzischen Truppen, welche erst am Is. August aus Ncustrelitz
abrückten und am 21. August in Leipzig ankamen, blieben hier bis zum Friedens¬
schluß und sind noch immer, nachdem das ganze Corps längst aufgelöst ist, ohne
Befehl zum Rückmarsch.

Ueber den Entschluß der beiden Großherzoge zur Theilnahme am Kriege
und über die Bedingungen und Zwecke dieser Theilnahme fehlte es der Bevöl¬
kerung Mecklenburgs an jeder amtlichen und directen Kundgebung. Nur die


grätz eintraf. Der Bericht über die Bundestagssitzung vom 2. Juli enthält die
Mittheilung: Der Gesandte von Mecklenburg habe zur Kenntniß der Bundes¬
versammlung gebracht, „daß er bis auf Weiteres aus derselben abberufen
sei." Die Mobilmachung, ohnehin ein öffentliches Geheimniß und durch unum¬
gängliche Bekanntmachungen von Behörden selbst amtlich bezeugt, und der An¬
schluß an Preußen wurden nun nicht länger geläugnet. Das ministerielle Blatt
mußte am 11. Juli die active Betheiligung Mecklenburgs am Knege durch fol¬
gende osstciöse Motivirung mit der bisherigen Neutralitätspolitik auszugleichen
suchen: „Seit dem letzten verhängnißvollen Schritte des kaiserlichen östreichischen
Cabinets, durch welchen es einen fremden Monarchen zum Schiedsrichter über
die Geschicke Deutschlands aufgerufen hat, muß jeder Ungewißheit, auf welcher
Seite man für eine heilbringende Zukunft Deutschlands zu wirken habe und
wirken könne, ein Ende gemacht sein. Oestreich hat seine bisherige Stelle an
der Spitze^Deutschlands selbst aufgegeben und die Sympathien vieler deutscher
Herzen zurückgewiesen. Man irrt gewiß nicht, wenn man die oben gemeldeten
Thatsachen (den Anschluß des Großherzogs an Preußen und dessen Uebernahme
eines preußischen Commandos) mit dieser wesentlichen Veränderung der Sach¬
lage in Verbindung bringt." Dem Blatte konnte es unmöglich verborgen sein,
daß diese Motivirung vor der chronologischen Reihenfolge der Ereignisse nicht
Stich hält. Die Anrufung des Kaisers der Franzosen von Seiten Oestreichs er¬
folgte bekanntlich erst nach dem Tage von Königsgrätz; der Anschluß Mecklen¬
burgs an Preußen aber war schon vor dem 1. Juli, dem Tage der Abreise des
Großherzogs in das preußische Hauptquartier, zur Thatsache geworden.

Die mecklenburgischen Truppen wurden dem preußischen zweiten Ncserve-
Armeecorps zugetheilt, welches in Leipzig und Umgegend sich sammelte und '
unter den Oberbefehl des Großherzogs Friedrich Franz gestellt wurde. In den
Tagen vom 14. bis 16. Juli ging die schwerinsche Division (176 Offiziere und
3,377 Mann mit 1.487 Pferden) per Eisenbahn nach Leipzig, wo der Gioß-
herzog, von dem preußischen Hauptquartier aus, am 18. eintraf und am 19.
das Commando antrat. Der Abmarsch von Leipzig begann am 20. Juli. Das
Coips rückte in die an Sachsen grenzenden Theile von Bayern und besetzte
diese, ohne auf einen irgend nennenswerthen Widerstand zu stoßen. Der Waffen¬
stillstand vom 2. August fand dasselbe bereits im Besitz von Nürnberg und
Erlangen. Die strelitzischen Truppen, welche erst am Is. August aus Ncustrelitz
abrückten und am 21. August in Leipzig ankamen, blieben hier bis zum Friedens¬
schluß und sind noch immer, nachdem das ganze Corps längst aufgelöst ist, ohne
Befehl zum Rückmarsch.

Ueber den Entschluß der beiden Großherzoge zur Theilnahme am Kriege
und über die Bedingungen und Zwecke dieser Theilnahme fehlte es der Bevöl¬
kerung Mecklenburgs an jeder amtlichen und directen Kundgebung. Nur die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/25>, abgerufen am 30.06.2024.