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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Mobilmachung der Bundesarmce gestimmt und gegen die Verbindlichkeit des
gedachten Beschlusses sich verwahrt hat. Der Pfcrdeankauf ist daher nur als
eine Vorsichtsmaßregel zu betrachten, welche im Interesse des Landes für noth¬
wendig erkannt ist, um bei dem Ernst der gegenwärtigen Zeitumstände unerwar¬
teten Eventualitäten gegenüber besser vorbereitet zu sein."

Was infolge dieser zweideutigen Rüstung und der erklärten Absicht der
mecklenburgischen Regierung. Sitz und Stimme am Bundestage nicht aufgeben
zu wollen, während der nächsten Tage von preußischer Seite geschah, um aus
einem Neutralen einen Bundesgenossen zu machen, entzieht sich zwar der ge¬
nauen Kenntniß um so mehr, als die Verhandlungen ohne Dazwischenkunft der
Minister unmittelbar zwischen den höchsten Personen geführt wurden. Man
wird aber aus dem, was über die Reisen von Adjutanten und deren Herren
und über sonstige Zeichen eines sehr bewegten Lebens und gespannter Situa¬
tionen an den beiden mecklenburgischen Höfen bekannt geworden ist, ziemlich
sichere Schlüsse in Bezug auf die Natur dieser geheimen Vorgänge ziehen
tonnen. Am Sonntag, den 17. Juni, Morgens wurde der großherzogliche
Flügeladjutant, Major v. Brcmdcnstein, in Berlin vom König empfangen.
Am 2t. Juni früh L Uhr erschien der Flügeladjutant des Königs von Preu¬
ßen, Oberstlieutenant Graf v. Finckenstein, in Schwerin und eilte schon u.in
7 Uhr Morgens zum Großherzog nach Nabcnstcinfeld. dem großherzoglichen
Sommersitz. Am 22. Juni empfing wiederum der König von Preußen den
Major v. Brandenstein, der ein Handschreiben des Großherzogs überbrachte.
Am 24. Juni kehrte derselbe mit einem Handschreiben des Königs zurück. Am
Tage darauf reiste der Großherzog Friedrich Franz nach Neustrelitz zu einem
zweistündigen Besuch bei dem dortigen Großherzog, der während der Zeit der
frankfurter Krisis in England verweilt hatte und erst kurz vorher über Berlin,
wo er, wie man sagte, sich vergeblich bemüht hatte, die Erlaubniß zur Behaup¬
tung einer neutralen Stellung zu erlangen, in seine Residenz zurückgekehrt war.
Schon am 26, Juni war der strelitzer Großherzog wieder in Berlin, wo er am
27. Juni dem englischen und dem russischen Botschafter längere Besuche ab¬
stattete. Am 28. Juni traf der Oberst Köhler, Mitglied des Militärdepcirtemenls
in Schwerin, in Berlin ein.

Die Deutung aller dieser Hin- und Herreisen ergiebt sich aus den unmittel¬
bar darauf hervorgetretenen Thatsachen. Den beiden Grvßherzogen war die
Wahl gelassen, entweder mit Preußen zu gehen und dafür die preußische Garantie
für ihren Besitzstand einzutauschen oder als Feinde Preußens betrachtet und be¬
handelt zu werden. Sie hatten das Erstere vorgezogen. Die Minister erfuhren
erst die fertige Thatsache und ergaben sich in dieselbe.

Der Großherzog Friedrich Franz reiste am 1. Juli Abends nach dem preu¬
ßischen Hauptquartier in Böhmen ab, wo er grade zur Schlacht bei Königs-


Mobilmachung der Bundesarmce gestimmt und gegen die Verbindlichkeit des
gedachten Beschlusses sich verwahrt hat. Der Pfcrdeankauf ist daher nur als
eine Vorsichtsmaßregel zu betrachten, welche im Interesse des Landes für noth¬
wendig erkannt ist, um bei dem Ernst der gegenwärtigen Zeitumstände unerwar¬
teten Eventualitäten gegenüber besser vorbereitet zu sein."

Was infolge dieser zweideutigen Rüstung und der erklärten Absicht der
mecklenburgischen Regierung. Sitz und Stimme am Bundestage nicht aufgeben
zu wollen, während der nächsten Tage von preußischer Seite geschah, um aus
einem Neutralen einen Bundesgenossen zu machen, entzieht sich zwar der ge¬
nauen Kenntniß um so mehr, als die Verhandlungen ohne Dazwischenkunft der
Minister unmittelbar zwischen den höchsten Personen geführt wurden. Man
wird aber aus dem, was über die Reisen von Adjutanten und deren Herren
und über sonstige Zeichen eines sehr bewegten Lebens und gespannter Situa¬
tionen an den beiden mecklenburgischen Höfen bekannt geworden ist, ziemlich
sichere Schlüsse in Bezug auf die Natur dieser geheimen Vorgänge ziehen
tonnen. Am Sonntag, den 17. Juni, Morgens wurde der großherzogliche
Flügeladjutant, Major v. Brcmdcnstein, in Berlin vom König empfangen.
Am 2t. Juni früh L Uhr erschien der Flügeladjutant des Königs von Preu¬
ßen, Oberstlieutenant Graf v. Finckenstein, in Schwerin und eilte schon u.in
7 Uhr Morgens zum Großherzog nach Nabcnstcinfeld. dem großherzoglichen
Sommersitz. Am 22. Juni empfing wiederum der König von Preußen den
Major v. Brandenstein, der ein Handschreiben des Großherzogs überbrachte.
Am 24. Juni kehrte derselbe mit einem Handschreiben des Königs zurück. Am
Tage darauf reiste der Großherzog Friedrich Franz nach Neustrelitz zu einem
zweistündigen Besuch bei dem dortigen Großherzog, der während der Zeit der
frankfurter Krisis in England verweilt hatte und erst kurz vorher über Berlin,
wo er, wie man sagte, sich vergeblich bemüht hatte, die Erlaubniß zur Behaup¬
tung einer neutralen Stellung zu erlangen, in seine Residenz zurückgekehrt war.
Schon am 26, Juni war der strelitzer Großherzog wieder in Berlin, wo er am
27. Juni dem englischen und dem russischen Botschafter längere Besuche ab¬
stattete. Am 28. Juni traf der Oberst Köhler, Mitglied des Militärdepcirtemenls
in Schwerin, in Berlin ein.

Die Deutung aller dieser Hin- und Herreisen ergiebt sich aus den unmittel¬
bar darauf hervorgetretenen Thatsachen. Den beiden Grvßherzogen war die
Wahl gelassen, entweder mit Preußen zu gehen und dafür die preußische Garantie
für ihren Besitzstand einzutauschen oder als Feinde Preußens betrachtet und be¬
handelt zu werden. Sie hatten das Erstere vorgezogen. Die Minister erfuhren
erst die fertige Thatsache und ergaben sich in dieselbe.

Der Großherzog Friedrich Franz reiste am 1. Juli Abends nach dem preu¬
ßischen Hauptquartier in Böhmen ab, wo er grade zur Schlacht bei Königs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/24>, abgerufen am 30.06.2024.