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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Bündniß sich einlassen. Die letzteren fügen zum Schutz der bestehenden In¬
stitutionen eine Menge von Bedenken und Wünschen hinzu, deren Beachtung
und Erfüllung mit einem bundesstaatlichen Verhältnisse in den meisten Punkten
vollkommen unvereinbar wäre. Sie wollen fortfahren, ein besonderes Zoll- und
Handelsgebiet zu bilden und ihre eigene Zoll- und Handelsgesctzgebung behalten,
sie wollen keine Einwirkung der bundesstaatlichen Gesetzgebung auf Heimaths¬
und Niederlassungsrecht, Gewerbebetrieb und Freizügigkeit, Gerichts- und Polizei-
Wesen u. s. w., und sie fordern schließlich sogar Garantie der bestehenden
mecklenburgischen Landesverfassung von Seiten der neuen Bundcsgewcüt, wo¬
durch der Einwirkung der letzteren auf Umgestaltung der inneren Verhält¬
nisse des Landes jede Aussicht abgeschnitt.en werden würde. Die Regierungen
weisen keinen dieser Wünsche zurück, versprechen vielmehr, denselben die thun¬
lichste Berücksichtigung zu Theil werde" zu lassen. Das von den Ständen vor¬
gehaltene Recht der Zustimmung zu der aus der Berathung mit dem Parlament
hervorgehenden neuen Bundesverfassung erkennen die Regierungen zwar nicht
ausdrücklich an; sie widersetzen sich aber dieser ständischen Prätension auch nicht
und wollen sich augenscheinlich den Vortheil nicht entgehen lassen, davon zu
gelegener Zeit Gebrauch zu machen. Die ganze Zustimmung zu dem Bündniß-
vertrage gewinnt durch diesen Vorbehalt etwas Lustiges; der unter der Ein¬
wirkung des Zwanges ertheilten und mit unerfüllbaren Wünschen belasteten
Zustimmung würde, nach der dabei vorschwebenden Absicht, später noch immer
der Rücktritt von dem ganzen Unternehmen folgen können. Dazu mag denn
auch noch die Hoffnung hinzutreten, daß es gelingen werde, teil Abschluß der
neuen Bundesverfassung bis über den 21. August 1867 hinaus zu verzögern, in
welchem Falle der nur auf die Dauer eines Jahres abgeschlossene Bündnihver-
trag von selbst erlöschen würde.

Allerdings wird dieses widerwillige Verhalten der mecklenburgischen Re¬
gierungen und Stände auf die Begründung des Bundesstaates und die Ein¬
fügung Mecklenburgs in denselben schwerlich von irgendeinem Einflüsse sein, da
derselbe Zwang, welcher den Abschluß des BündnißvettrageS bewirkt hat. vor¬
aussichtlich bei der definitiven Begründung des Bundes noch fortwirken wird.
Indessen wird es nicht schaden können, wenn die preußische Regierung unter
den vielen Gegnern, die sie in Deutschland har, auch die feudalen Bundes¬
genossen in Mecklenburg nicht übersieht, deren Neigung zum Couspiriren gegen
den Bundesstaat durch Reichthum und weitverzweigte Verbindungen unterstützt
wird. Der preußischen Regierung kann es nicht unbekannt sein, daß es von
ihrer Seite nur eines geringen Kraftaufwandes bedarf, um sich der feudalen
Minister in Mecklenburg zu entledigen und dadurch auch den Feudalständen
ihren letzten Halt zu entziehen, den sie in der Bevölkerung längst nicbt mehr
haben. nötigenfalls würde sie dadurch schon jetzt dem ganzen Schattenspiel


Grenjboten IV. 18LL. 29

Bündniß sich einlassen. Die letzteren fügen zum Schutz der bestehenden In¬
stitutionen eine Menge von Bedenken und Wünschen hinzu, deren Beachtung
und Erfüllung mit einem bundesstaatlichen Verhältnisse in den meisten Punkten
vollkommen unvereinbar wäre. Sie wollen fortfahren, ein besonderes Zoll- und
Handelsgebiet zu bilden und ihre eigene Zoll- und Handelsgesctzgebung behalten,
sie wollen keine Einwirkung der bundesstaatlichen Gesetzgebung auf Heimaths¬
und Niederlassungsrecht, Gewerbebetrieb und Freizügigkeit, Gerichts- und Polizei-
Wesen u. s. w., und sie fordern schließlich sogar Garantie der bestehenden
mecklenburgischen Landesverfassung von Seiten der neuen Bundcsgewcüt, wo¬
durch der Einwirkung der letzteren auf Umgestaltung der inneren Verhält¬
nisse des Landes jede Aussicht abgeschnitt.en werden würde. Die Regierungen
weisen keinen dieser Wünsche zurück, versprechen vielmehr, denselben die thun¬
lichste Berücksichtigung zu Theil werde» zu lassen. Das von den Ständen vor¬
gehaltene Recht der Zustimmung zu der aus der Berathung mit dem Parlament
hervorgehenden neuen Bundesverfassung erkennen die Regierungen zwar nicht
ausdrücklich an; sie widersetzen sich aber dieser ständischen Prätension auch nicht
und wollen sich augenscheinlich den Vortheil nicht entgehen lassen, davon zu
gelegener Zeit Gebrauch zu machen. Die ganze Zustimmung zu dem Bündniß-
vertrage gewinnt durch diesen Vorbehalt etwas Lustiges; der unter der Ein¬
wirkung des Zwanges ertheilten und mit unerfüllbaren Wünschen belasteten
Zustimmung würde, nach der dabei vorschwebenden Absicht, später noch immer
der Rücktritt von dem ganzen Unternehmen folgen können. Dazu mag denn
auch noch die Hoffnung hinzutreten, daß es gelingen werde, teil Abschluß der
neuen Bundesverfassung bis über den 21. August 1867 hinaus zu verzögern, in
welchem Falle der nur auf die Dauer eines Jahres abgeschlossene Bündnihver-
trag von selbst erlöschen würde.

Allerdings wird dieses widerwillige Verhalten der mecklenburgischen Re¬
gierungen und Stände auf die Begründung des Bundesstaates und die Ein¬
fügung Mecklenburgs in denselben schwerlich von irgendeinem Einflüsse sein, da
derselbe Zwang, welcher den Abschluß des BündnißvettrageS bewirkt hat. vor¬
aussichtlich bei der definitiven Begründung des Bundes noch fortwirken wird.
Indessen wird es nicht schaden können, wenn die preußische Regierung unter
den vielen Gegnern, die sie in Deutschland har, auch die feudalen Bundes¬
genossen in Mecklenburg nicht übersieht, deren Neigung zum Couspiriren gegen
den Bundesstaat durch Reichthum und weitverzweigte Verbindungen unterstützt
wird. Der preußischen Regierung kann es nicht unbekannt sein, daß es von
ihrer Seite nur eines geringen Kraftaufwandes bedarf, um sich der feudalen
Minister in Mecklenburg zu entledigen und dadurch auch den Feudalständen
ihren letzten Halt zu entziehen, den sie in der Bevölkerung längst nicbt mehr
haben. nötigenfalls würde sie dadurch schon jetzt dem ganzen Schattenspiel


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[0245] Bündniß sich einlassen. Die letzteren fügen zum Schutz der bestehenden In¬ stitutionen eine Menge von Bedenken und Wünschen hinzu, deren Beachtung und Erfüllung mit einem bundesstaatlichen Verhältnisse in den meisten Punkten vollkommen unvereinbar wäre. Sie wollen fortfahren, ein besonderes Zoll- und Handelsgebiet zu bilden und ihre eigene Zoll- und Handelsgesctzgebung behalten, sie wollen keine Einwirkung der bundesstaatlichen Gesetzgebung auf Heimaths¬ und Niederlassungsrecht, Gewerbebetrieb und Freizügigkeit, Gerichts- und Polizei- Wesen u. s. w., und sie fordern schließlich sogar Garantie der bestehenden mecklenburgischen Landesverfassung von Seiten der neuen Bundcsgewcüt, wo¬ durch der Einwirkung der letzteren auf Umgestaltung der inneren Verhält¬ nisse des Landes jede Aussicht abgeschnitt.en werden würde. Die Regierungen weisen keinen dieser Wünsche zurück, versprechen vielmehr, denselben die thun¬ lichste Berücksichtigung zu Theil werde» zu lassen. Das von den Ständen vor¬ gehaltene Recht der Zustimmung zu der aus der Berathung mit dem Parlament hervorgehenden neuen Bundesverfassung erkennen die Regierungen zwar nicht ausdrücklich an; sie widersetzen sich aber dieser ständischen Prätension auch nicht und wollen sich augenscheinlich den Vortheil nicht entgehen lassen, davon zu gelegener Zeit Gebrauch zu machen. Die ganze Zustimmung zu dem Bündniß- vertrage gewinnt durch diesen Vorbehalt etwas Lustiges; der unter der Ein¬ wirkung des Zwanges ertheilten und mit unerfüllbaren Wünschen belasteten Zustimmung würde, nach der dabei vorschwebenden Absicht, später noch immer der Rücktritt von dem ganzen Unternehmen folgen können. Dazu mag denn auch noch die Hoffnung hinzutreten, daß es gelingen werde, teil Abschluß der neuen Bundesverfassung bis über den 21. August 1867 hinaus zu verzögern, in welchem Falle der nur auf die Dauer eines Jahres abgeschlossene Bündnihver- trag von selbst erlöschen würde. Allerdings wird dieses widerwillige Verhalten der mecklenburgischen Re¬ gierungen und Stände auf die Begründung des Bundesstaates und die Ein¬ fügung Mecklenburgs in denselben schwerlich von irgendeinem Einflüsse sein, da derselbe Zwang, welcher den Abschluß des BündnißvettrageS bewirkt hat. vor¬ aussichtlich bei der definitiven Begründung des Bundes noch fortwirken wird. Indessen wird es nicht schaden können, wenn die preußische Regierung unter den vielen Gegnern, die sie in Deutschland har, auch die feudalen Bundes¬ genossen in Mecklenburg nicht übersieht, deren Neigung zum Couspiriren gegen den Bundesstaat durch Reichthum und weitverzweigte Verbindungen unterstützt wird. Der preußischen Regierung kann es nicht unbekannt sein, daß es von ihrer Seite nur eines geringen Kraftaufwandes bedarf, um sich der feudalen Minister in Mecklenburg zu entledigen und dadurch auch den Feudalständen ihren letzten Halt zu entziehen, den sie in der Bevölkerung längst nicbt mehr haben. nötigenfalls würde sie dadurch schon jetzt dem ganzen Schattenspiel Grenjboten IV. 18LL. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/245>, abgerufen am 02.07.2024.