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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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ein Ende machen können, welches den constitutionellen Rechtsboden seit dem
Jahre 1850 wieder occupirt hält, und sie würde, indem sie dies thäte, damit
nur eine Pflicht erfüllen und zugleich ein von den Amtövorgängern der jetzigen
preußischen Minister damals gegen Mecklenburg begangenes Unrecht sühnen.
Denn nur durch die Unterstützung des manteuffelschen Regiments ist den ver¬
irrten Rittern die Wiedererweckung der gesetzlich beseitigten alten Landesver¬
fassung gelungen.

Glaubt aber die preußische Regierung aus den Ausdruck des ihr geneigten
Willens, welcher in der großen Mehrheit der mecklenburgischen Bevölkerung
lebt, noch einstweilen verzichten und die ihr feindlich gesinnte feudale Landes¬
vertretung noch so lange dulden zu können, bis dieselbe vor der neuen Schöpfung
des norddeutschen Bundesstaats von selbst verschwindet, so hat das Volk dieses
Landes doch ohne Zweifel schon jetzt ein Recht, daß ihm ein gleicher AntheU an
den Wahlen für das Parlament, wie ihn die Bevölkerungen der übrigen
Bundesstraten genießen, eingeräumt werde. Zu diesem Zweck ist erforderlich,
daß die wesentlichen Abweichungen des beschlossenen mecklenburgischen Wahl¬
gesetzes von der vertragsmäßigen Norm für die Wahlen, dem Reichswahlgesetz,
schon sofort^beseitrgt werden und daß die Wahlen unter Bedingungen statt¬
finden, welche die Möglichkeit einer vorgängigen Verständigung der Wähler
über die zu wählenden Abgeordneten nicht ausschließen. Es darf nicht ge¬
schehen, daß die Staatsangehörigen der norddeutschen Bundesländer, welche in
Mecklenburg ihren Wohnsitz haben, das Wahlrecht entbehren, während die in
anderen norddeutschen Bundesländern wohnenden Mecklenburger wahlberechtigt
sind; daß die Wahlberechtigung weiter noch auf diejenigen Mecklenburger be¬
schränkt wird, welche das Niederlassungsrecht erworben haben, während in den
andern Ländern schon der Wohnsitz genügt; daß die wegen politischer Ver¬
brechen Bestraften und daß die Soldaten von den Wahlen ausgeschlossen
werden; daß das Ministerium die Entscheidung letzter Instanz bei Reclcima-
rionen gegen das Wahlverfahren in Anspach nimmt; endlich, daß das Verbot
der Versammlungen und Vereine zu politischen Zwecken auch in Bezug auf die
Wahlen aufrecht erhalten bleibt. Alles dies sind Forderungen, deren Nicht¬
erfüllung weder die Mecklenburger selbst, noch die übrigen im Parlament ver¬
tretenen deutschen Bevölkerungen sich gefallen lassen können, und welche daher
noch vor den Parlamentswahlen erfüllt werden müssen.

Gelegenheit zur Revision des beschlossenen Wahlgesetzes bietet sich theils
in dem noch vor Weihnachten bevorstehenden Zusammentritt des mecklenburgi¬
schen ordentlichen Landtags, theils i" dem sogenannten "Engeren Ausschuß"
der Landstände dar, welcher in eiligen Angelegenheiten, abgesehen von Geld¬
sachen, die Zustimmung Namens der Stände einstweilen ertheilen kann. Würde
nicht rechtzeitig die Conformität des mecklenburgischen Wahlgesetzes mit dem


ein Ende machen können, welches den constitutionellen Rechtsboden seit dem
Jahre 1850 wieder occupirt hält, und sie würde, indem sie dies thäte, damit
nur eine Pflicht erfüllen und zugleich ein von den Amtövorgängern der jetzigen
preußischen Minister damals gegen Mecklenburg begangenes Unrecht sühnen.
Denn nur durch die Unterstützung des manteuffelschen Regiments ist den ver¬
irrten Rittern die Wiedererweckung der gesetzlich beseitigten alten Landesver¬
fassung gelungen.

Glaubt aber die preußische Regierung aus den Ausdruck des ihr geneigten
Willens, welcher in der großen Mehrheit der mecklenburgischen Bevölkerung
lebt, noch einstweilen verzichten und die ihr feindlich gesinnte feudale Landes¬
vertretung noch so lange dulden zu können, bis dieselbe vor der neuen Schöpfung
des norddeutschen Bundesstaats von selbst verschwindet, so hat das Volk dieses
Landes doch ohne Zweifel schon jetzt ein Recht, daß ihm ein gleicher AntheU an
den Wahlen für das Parlament, wie ihn die Bevölkerungen der übrigen
Bundesstraten genießen, eingeräumt werde. Zu diesem Zweck ist erforderlich,
daß die wesentlichen Abweichungen des beschlossenen mecklenburgischen Wahl¬
gesetzes von der vertragsmäßigen Norm für die Wahlen, dem Reichswahlgesetz,
schon sofort^beseitrgt werden und daß die Wahlen unter Bedingungen statt¬
finden, welche die Möglichkeit einer vorgängigen Verständigung der Wähler
über die zu wählenden Abgeordneten nicht ausschließen. Es darf nicht ge¬
schehen, daß die Staatsangehörigen der norddeutschen Bundesländer, welche in
Mecklenburg ihren Wohnsitz haben, das Wahlrecht entbehren, während die in
anderen norddeutschen Bundesländern wohnenden Mecklenburger wahlberechtigt
sind; daß die Wahlberechtigung weiter noch auf diejenigen Mecklenburger be¬
schränkt wird, welche das Niederlassungsrecht erworben haben, während in den
andern Ländern schon der Wohnsitz genügt; daß die wegen politischer Ver¬
brechen Bestraften und daß die Soldaten von den Wahlen ausgeschlossen
werden; daß das Ministerium die Entscheidung letzter Instanz bei Reclcima-
rionen gegen das Wahlverfahren in Anspach nimmt; endlich, daß das Verbot
der Versammlungen und Vereine zu politischen Zwecken auch in Bezug auf die
Wahlen aufrecht erhalten bleibt. Alles dies sind Forderungen, deren Nicht¬
erfüllung weder die Mecklenburger selbst, noch die übrigen im Parlament ver¬
tretenen deutschen Bevölkerungen sich gefallen lassen können, und welche daher
noch vor den Parlamentswahlen erfüllt werden müssen.

Gelegenheit zur Revision des beschlossenen Wahlgesetzes bietet sich theils
in dem noch vor Weihnachten bevorstehenden Zusammentritt des mecklenburgi¬
schen ordentlichen Landtags, theils i» dem sogenannten „Engeren Ausschuß"
der Landstände dar, welcher in eiligen Angelegenheiten, abgesehen von Geld¬
sachen, die Zustimmung Namens der Stände einstweilen ertheilen kann. Würde
nicht rechtzeitig die Conformität des mecklenburgischen Wahlgesetzes mit dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/246>, abgerufen am 30.06.2024.