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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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in ihnen vertretene liberal-nationale Partei ihre Aufgabe doch nur halb erfüllt,
indem sie anscheinend aus Mangel an Organisation und Führung es unter¬
ließ, dem Wahlgesetzentwurf hinlängliche Aufmerksamkeit zu widmen. Eine
von ihr angestellte Begleichung des Entwurfes mit dem Reichswahlgesetz würde
sie nothwendig dahin geführt haben, die wesentlichen Unterschiede beider zu¬
sammenzustellen und die zur Ausgleichung derselben erforderlichen Abänderungen
des Entwurfes zu fordern. Statt dessen erklären sie die unbeschränkte Zu¬
stimmung zu den Vorlagen der Regierungen. Auch muß es auffallen, daß, sie
dem Versammlungs- und Vereinsrecht nicht so viel Werth beilegten, um sich zu
einer nachdrücklichen Unterstützung des darauf bezüglichen rostocker Antrags zu
entschließen. Was zur Empfehlung desselben von Seiten des Dr. Bade geschah,
verdient alle Anerkennung, vermag aber ein vereinigtes energisches Handeln der
Parteigenossen nicht zu ersetzen.

Am 3. Octover wurden die Landtagsabschiede verkündigt. Der Großherzog
Friedrich Franz spricht seine Befriedigung aus, daß die Stände, wie er aus
deren Erklärung entnommen habe, in richtiger Würdigung der Sachlage ihm
vertrauensvoll auf dem Wege gefolgt seien, welchen er unter den Erschütterungen
der, letzten Vergangenheit nach bestem Gewissen zum Wohle des deutschen Vater¬
landes und insbesondere seines eigenen Landes einschlagen zu müssen geglaubt
habe. Die einzelnen Voraussetzungen. Bemerkungen und Anträge, welche mit
Recht von den Ständen selbst als Wünsche, deren Beachtung zu geeigneter
Zeit im Interesse des Landes sich empfehlen werde, bezeichnet seien, würden
einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden und der Großherzog werde nach
erlangter Ueberzeugung von dem Grunde und der Ausführbarkeit der ständischen
Desiderien auf die thunlichste Berücksichtigung derselben hinwirken. Das Wahl¬
gesetz solle in der Art publicirt werden, daß die zu demselben gemachten stän-
dischen Erinnerungen in gewünschter Weise ihre Erledigung finden. Das
Schriftstück schließt mit dem Ausdruck der Anerkennung der Von der Ritter¬
und Landschaft unter den ernsten Umständen der Gegenwart bewiesenen "ver¬
trauensvollen, einsichtigen und patriotischen Haltung". In etwas kürzerer
Fassung erklärt auch der strelitzische Landtagsabschied: der Großherzog habe
die ständische Erklärung, soweit sie das Bündniß betreffe, mit Genugthuung
entgegengenommen und die beantragten Abänderungen des Wahlgesetzes gern
genehmigt.

Regierungen und Stände der Großherzogthümer Mecklenburg haben hier¬
nach zu dem in der Bildung begriffenen norddeutschen Bundesstaat eine Stel¬
lung eingenommen, welche den Widerwillen deutlich genug zu erkennen giebt,
der nur eine günstige Gelegenheit erwartet, um sich von den eingegangenen
Verpflichtungen wieder zu befreien. Sowohl die Regierungen wie die Stände
erklären, daß sie nur unter dem von Preußen auferlegten Zwange aus das


in ihnen vertretene liberal-nationale Partei ihre Aufgabe doch nur halb erfüllt,
indem sie anscheinend aus Mangel an Organisation und Führung es unter¬
ließ, dem Wahlgesetzentwurf hinlängliche Aufmerksamkeit zu widmen. Eine
von ihr angestellte Begleichung des Entwurfes mit dem Reichswahlgesetz würde
sie nothwendig dahin geführt haben, die wesentlichen Unterschiede beider zu¬
sammenzustellen und die zur Ausgleichung derselben erforderlichen Abänderungen
des Entwurfes zu fordern. Statt dessen erklären sie die unbeschränkte Zu¬
stimmung zu den Vorlagen der Regierungen. Auch muß es auffallen, daß, sie
dem Versammlungs- und Vereinsrecht nicht so viel Werth beilegten, um sich zu
einer nachdrücklichen Unterstützung des darauf bezüglichen rostocker Antrags zu
entschließen. Was zur Empfehlung desselben von Seiten des Dr. Bade geschah,
verdient alle Anerkennung, vermag aber ein vereinigtes energisches Handeln der
Parteigenossen nicht zu ersetzen.

Am 3. Octover wurden die Landtagsabschiede verkündigt. Der Großherzog
Friedrich Franz spricht seine Befriedigung aus, daß die Stände, wie er aus
deren Erklärung entnommen habe, in richtiger Würdigung der Sachlage ihm
vertrauensvoll auf dem Wege gefolgt seien, welchen er unter den Erschütterungen
der, letzten Vergangenheit nach bestem Gewissen zum Wohle des deutschen Vater¬
landes und insbesondere seines eigenen Landes einschlagen zu müssen geglaubt
habe. Die einzelnen Voraussetzungen. Bemerkungen und Anträge, welche mit
Recht von den Ständen selbst als Wünsche, deren Beachtung zu geeigneter
Zeit im Interesse des Landes sich empfehlen werde, bezeichnet seien, würden
einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden und der Großherzog werde nach
erlangter Ueberzeugung von dem Grunde und der Ausführbarkeit der ständischen
Desiderien auf die thunlichste Berücksichtigung derselben hinwirken. Das Wahl¬
gesetz solle in der Art publicirt werden, daß die zu demselben gemachten stän-
dischen Erinnerungen in gewünschter Weise ihre Erledigung finden. Das
Schriftstück schließt mit dem Ausdruck der Anerkennung der Von der Ritter¬
und Landschaft unter den ernsten Umständen der Gegenwart bewiesenen „ver¬
trauensvollen, einsichtigen und patriotischen Haltung". In etwas kürzerer
Fassung erklärt auch der strelitzische Landtagsabschied: der Großherzog habe
die ständische Erklärung, soweit sie das Bündniß betreffe, mit Genugthuung
entgegengenommen und die beantragten Abänderungen des Wahlgesetzes gern
genehmigt.

Regierungen und Stände der Großherzogthümer Mecklenburg haben hier¬
nach zu dem in der Bildung begriffenen norddeutschen Bundesstaat eine Stel¬
lung eingenommen, welche den Widerwillen deutlich genug zu erkennen giebt,
der nur eine günstige Gelegenheit erwartet, um sich von den eingegangenen
Verpflichtungen wieder zu befreien. Sowohl die Regierungen wie die Stände
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/244>, abgerufen am 02.07.2024.