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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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v. Bernstorff, "daß eine rechtsbeständige Verfassung dergleichen Angriffe erleiden
muß." "Es ist unerhört." rief der kleine Bürgermeister Hofrath Wulffleff aus
Sternberg, welcher im Jahre 1848 sich an die Spitze der konstitutionellen Be-
wegung in seiner Stadt gestellt und freie Wahl der Landesvertretung. Pre߬
freiheit und jede sonstige Freiheit verlangt hatte, "es ist unerhört," rief er jetzt
in größter Aufregung, "daß uns und unserer ehrwürdigen Verfassung diese
rücksichtslose Behandlung zu Theil wird." "Unerhört," rief dagegen Manecke'
"ist die Behandlung, der ich seit 17 Jahren auf Landtagen ausgesetzt bin, aber
ich werde meine Ueberzeugung dadurch nicht beugen lassen." Das Ende dieser
lebhaften Scene war. daß das Dictamen seinem "Verfasser "wegen Unange¬
messenheit des Inhalts als für das Landtagsprotokoll nicht geeignet" zurück¬
gegeben wurde.

Sonst beschränkt sich die von den verhältnißmäßig wenigen bürgerlichen
Gutsbesitzern, welche dem Bündnißvertrage günstig gesonnen sind, auf dem
Landtage entwickelte Thätigkeit auf zwei schriftliche Vorträge, welche sich beide
sehr im Allgemeinen halten. In dem einen geben die vier Gebrüder Pogge
und drei Genossen ihren Sympathien für Preußen und dessen deutschen Beruf
Ausdruck. In dem anderen sprechen sich Dr. Bade-Griebow und 32 Genossen,
darunter die Herren Pogge und Herr Manecke, über den Sinn ihrer Abstimmung
für das Commissionserachten aus. Sie seien diesem Erachten nur so weit bei¬
getreten, als es die Annahme der großherzoglichen Landtagspropositionen em¬
pfehle, könnten aber die in Gestalt von Vorbehalten, Bedenken und Wünschen
vorgebrachten Zusätze sich nicht aneignen. Denn einerseits werde durch dieselben
die beschlossene Annahme der ProPositionen größtentheils wieder zurückgenommen,
da. wenn jene Wünsche in Erfüllung gingen, das ganze bundesstaatliche Ver¬
hältniß Mecklenburgs zu den übrigen norddeutschen Staaten ein völlig illusorisches
werden würde. Andererseits könnten, sie die meisten jener Folgen des Bundes¬
verhältnisses, welche der Commissionsbericht befürchte und zu verhindern strebe,
nur wünschenswert!) für Mecklenburg finden, also namentlich die gemeinsame
Zoll- und Handelsgesetzgebung, die nun gemeinsamen Bestimmungen über
Heimaths- und Niederlassungsrecht, Gewerbefreiheit und Freizügigkeit, Civil¬
proceßordnung u. s. w. Zugleich weisen sie darauf bin, "daß auch die ganz
überwiegende Zahl der mecklenburgischen Bevölkerung grade die Reformen, die
in dem Bündnißvertrag mit Preußen in Aussicht gestellt sind, herbeiwünscht,
und daß die Stände bei dieser ganzen Sache, sowohl ihrer Zusammensetzung
wie ihrer Gesinnung nach, die Meinung des Landes nicht zum Ausdruck
bringen."

So erfreulich es ist. daß es auf dem Landtage nicht ganz an Männern
fehlte, welche den durch das Bündniß eröffneten Aussichten mit Vertrauen ent¬
gegenkamen und diese ihre Stellung zu öffentlicher Kunde brachten, so hat die


v. Bernstorff, „daß eine rechtsbeständige Verfassung dergleichen Angriffe erleiden
muß." „Es ist unerhört." rief der kleine Bürgermeister Hofrath Wulffleff aus
Sternberg, welcher im Jahre 1848 sich an die Spitze der konstitutionellen Be-
wegung in seiner Stadt gestellt und freie Wahl der Landesvertretung. Pre߬
freiheit und jede sonstige Freiheit verlangt hatte, „es ist unerhört," rief er jetzt
in größter Aufregung, „daß uns und unserer ehrwürdigen Verfassung diese
rücksichtslose Behandlung zu Theil wird." „Unerhört," rief dagegen Manecke'
„ist die Behandlung, der ich seit 17 Jahren auf Landtagen ausgesetzt bin, aber
ich werde meine Ueberzeugung dadurch nicht beugen lassen." Das Ende dieser
lebhaften Scene war. daß das Dictamen seinem "Verfasser „wegen Unange¬
messenheit des Inhalts als für das Landtagsprotokoll nicht geeignet" zurück¬
gegeben wurde.

Sonst beschränkt sich die von den verhältnißmäßig wenigen bürgerlichen
Gutsbesitzern, welche dem Bündnißvertrage günstig gesonnen sind, auf dem
Landtage entwickelte Thätigkeit auf zwei schriftliche Vorträge, welche sich beide
sehr im Allgemeinen halten. In dem einen geben die vier Gebrüder Pogge
und drei Genossen ihren Sympathien für Preußen und dessen deutschen Beruf
Ausdruck. In dem anderen sprechen sich Dr. Bade-Griebow und 32 Genossen,
darunter die Herren Pogge und Herr Manecke, über den Sinn ihrer Abstimmung
für das Commissionserachten aus. Sie seien diesem Erachten nur so weit bei¬
getreten, als es die Annahme der großherzoglichen Landtagspropositionen em¬
pfehle, könnten aber die in Gestalt von Vorbehalten, Bedenken und Wünschen
vorgebrachten Zusätze sich nicht aneignen. Denn einerseits werde durch dieselben
die beschlossene Annahme der ProPositionen größtentheils wieder zurückgenommen,
da. wenn jene Wünsche in Erfüllung gingen, das ganze bundesstaatliche Ver¬
hältniß Mecklenburgs zu den übrigen norddeutschen Staaten ein völlig illusorisches
werden würde. Andererseits könnten, sie die meisten jener Folgen des Bundes¬
verhältnisses, welche der Commissionsbericht befürchte und zu verhindern strebe,
nur wünschenswert!) für Mecklenburg finden, also namentlich die gemeinsame
Zoll- und Handelsgesetzgebung, die nun gemeinsamen Bestimmungen über
Heimaths- und Niederlassungsrecht, Gewerbefreiheit und Freizügigkeit, Civil¬
proceßordnung u. s. w. Zugleich weisen sie darauf bin, „daß auch die ganz
überwiegende Zahl der mecklenburgischen Bevölkerung grade die Reformen, die
in dem Bündnißvertrag mit Preußen in Aussicht gestellt sind, herbeiwünscht,
und daß die Stände bei dieser ganzen Sache, sowohl ihrer Zusammensetzung
wie ihrer Gesinnung nach, die Meinung des Landes nicht zum Ausdruck
bringen."

So erfreulich es ist. daß es auf dem Landtage nicht ganz an Männern
fehlte, welche den durch das Bündniß eröffneten Aussichten mit Vertrauen ent¬
gegenkamen und diese ihre Stellung zu öffentlicher Kunde brachten, so hat die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/243>, abgerufen am 02.07.2024.