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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Anträge, Vorbehalte und Wünsche an, nachdem der von einem Mitgliede der Min¬
derheit der Commission, Herrn v. Dewitz-Gr. Miltzow. gemachte Versuch, eine be¬
sondere Standeserklärung der Ritterschaft herbeizuführen, von dieser mit 187 gegen
44 Stimmen zurückgewiesen war. Der meyersche Antrag wegen Aufnahme des
Satzes, daß Strafen wegen politischer Verbrechen von der Wahl nicht aus¬
schließen, wurde mit der großen Mehrheit von 186 gegen 36 Stimmen ab¬
gelehnt. Statt dessen wurde auf Antrag eines früheren radicalen Demokraten,
des Bürgermeisters Hermes aus Röbel, der Begriff der Bescholtenheit dadurch
verschärft, daß in dem Satze, nach welchem als bescholten solche Personen gelten
sollen, welche "wegen begangener Verbrechen" Zuchthausstrafe erlitten haben,
das "wegen begangener Verbrechen" gestrichen und somit die erlittene Zucht¬
hausstrafe schon als solche, auch die wegen bloßer Vergehen verhängte, für ein
Merkmal der Bescholtenheit erklärt wurde. Die Zuchthausstrafe, so meinte der
Herr Bürgermeister, wirke unter allen Umständen infamirend. Wegen Erhal¬
tung der Patrimonialgerichtsbarkeit wurde auf Antrag des Kammerherrn
v. Oertzen-Kotelow noch ein den betreffenden Passus des Commissionsberichtes
näher präcisirender Beschluß gefaßt, dahin lautend: "Stände erklären den be¬
sonders dringenden Wunsch, daß die Erlassung einer Civil- und Concursproceß-
ordnung wegen der für die einheimische Gerichtsorganisation unvermeidlichen
Consequenzen der Gesetzgebung und Oberaufsicht des Bundes entzogen bleibe."
Zur Begründung dieses Antrages erinnerte Herr v. Oertzen unter anderem
daran, daß mit der Patrimonialgerichtsbarkeit auch die gutsherrliche Polizei¬
gewalt fallen würde.

Ein im Auftrage von Rath und Bürgerschaft der Stadt Rostock von den
beiden rostocker Landtagsmitgliedern gestellter Antrag auf Suspendirung der
bestehenden Verbote der Versammlungen und Vereine zur Herbeiführung der
Möglichkeit einer Verständigung über die Wahlen, fand in der Versammlung
so wenig Anklang, daß die Antragsteller auf Abstimmung verzichteten, worauf
der Beschluß im Protokoll verzeichnet wurde: man wolle diesen Antrag auf sich
beruhen lassen.

Einiges Leben gewann die sonst sehr eintönig sich hinschleppende Verhand¬
lung, als der bekannte Kämpfer für die Wiederherstellung des Staatsgrund¬
gesetzes von 1849, Herr Manecke-Duggenkoppel. den Antrag der Commission
auf Herbeiführung einer Garantie für die bestehende Landesverfassung benutzte,
um aus sein altes Thema zurückzukommen. Er verlas ein Dictamen. in welchem
er die rechtliche Existenz dieser Verfassung bestritt und dieselbe nur noch als
eine factische Centralisation oligarchischer Bestrebungen gelten lassen wollte,
was großen Sturm des Unwillens in der Versammlung hervorrief. "Es ist
unerhört," rief der Vorsitzende Landrath v. Rieden, "daß der Versammlung fort¬
während so etwas geboten wird." "Es ist unerhört," rief der Landrath Graf


Anträge, Vorbehalte und Wünsche an, nachdem der von einem Mitgliede der Min¬
derheit der Commission, Herrn v. Dewitz-Gr. Miltzow. gemachte Versuch, eine be¬
sondere Standeserklärung der Ritterschaft herbeizuführen, von dieser mit 187 gegen
44 Stimmen zurückgewiesen war. Der meyersche Antrag wegen Aufnahme des
Satzes, daß Strafen wegen politischer Verbrechen von der Wahl nicht aus¬
schließen, wurde mit der großen Mehrheit von 186 gegen 36 Stimmen ab¬
gelehnt. Statt dessen wurde auf Antrag eines früheren radicalen Demokraten,
des Bürgermeisters Hermes aus Röbel, der Begriff der Bescholtenheit dadurch
verschärft, daß in dem Satze, nach welchem als bescholten solche Personen gelten
sollen, welche „wegen begangener Verbrechen" Zuchthausstrafe erlitten haben,
das „wegen begangener Verbrechen" gestrichen und somit die erlittene Zucht¬
hausstrafe schon als solche, auch die wegen bloßer Vergehen verhängte, für ein
Merkmal der Bescholtenheit erklärt wurde. Die Zuchthausstrafe, so meinte der
Herr Bürgermeister, wirke unter allen Umständen infamirend. Wegen Erhal¬
tung der Patrimonialgerichtsbarkeit wurde auf Antrag des Kammerherrn
v. Oertzen-Kotelow noch ein den betreffenden Passus des Commissionsberichtes
näher präcisirender Beschluß gefaßt, dahin lautend: „Stände erklären den be¬
sonders dringenden Wunsch, daß die Erlassung einer Civil- und Concursproceß-
ordnung wegen der für die einheimische Gerichtsorganisation unvermeidlichen
Consequenzen der Gesetzgebung und Oberaufsicht des Bundes entzogen bleibe."
Zur Begründung dieses Antrages erinnerte Herr v. Oertzen unter anderem
daran, daß mit der Patrimonialgerichtsbarkeit auch die gutsherrliche Polizei¬
gewalt fallen würde.

Ein im Auftrage von Rath und Bürgerschaft der Stadt Rostock von den
beiden rostocker Landtagsmitgliedern gestellter Antrag auf Suspendirung der
bestehenden Verbote der Versammlungen und Vereine zur Herbeiführung der
Möglichkeit einer Verständigung über die Wahlen, fand in der Versammlung
so wenig Anklang, daß die Antragsteller auf Abstimmung verzichteten, worauf
der Beschluß im Protokoll verzeichnet wurde: man wolle diesen Antrag auf sich
beruhen lassen.

Einiges Leben gewann die sonst sehr eintönig sich hinschleppende Verhand¬
lung, als der bekannte Kämpfer für die Wiederherstellung des Staatsgrund¬
gesetzes von 1849, Herr Manecke-Duggenkoppel. den Antrag der Commission
auf Herbeiführung einer Garantie für die bestehende Landesverfassung benutzte,
um aus sein altes Thema zurückzukommen. Er verlas ein Dictamen. in welchem
er die rechtliche Existenz dieser Verfassung bestritt und dieselbe nur noch als
eine factische Centralisation oligarchischer Bestrebungen gelten lassen wollte,
was großen Sturm des Unwillens in der Versammlung hervorrief. „Es ist
unerhört," rief der Vorsitzende Landrath v. Rieden, „daß der Versammlung fort¬
während so etwas geboten wird." „Es ist unerhört," rief der Landrath Graf


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[0242] Anträge, Vorbehalte und Wünsche an, nachdem der von einem Mitgliede der Min¬ derheit der Commission, Herrn v. Dewitz-Gr. Miltzow. gemachte Versuch, eine be¬ sondere Standeserklärung der Ritterschaft herbeizuführen, von dieser mit 187 gegen 44 Stimmen zurückgewiesen war. Der meyersche Antrag wegen Aufnahme des Satzes, daß Strafen wegen politischer Verbrechen von der Wahl nicht aus¬ schließen, wurde mit der großen Mehrheit von 186 gegen 36 Stimmen ab¬ gelehnt. Statt dessen wurde auf Antrag eines früheren radicalen Demokraten, des Bürgermeisters Hermes aus Röbel, der Begriff der Bescholtenheit dadurch verschärft, daß in dem Satze, nach welchem als bescholten solche Personen gelten sollen, welche „wegen begangener Verbrechen" Zuchthausstrafe erlitten haben, das „wegen begangener Verbrechen" gestrichen und somit die erlittene Zucht¬ hausstrafe schon als solche, auch die wegen bloßer Vergehen verhängte, für ein Merkmal der Bescholtenheit erklärt wurde. Die Zuchthausstrafe, so meinte der Herr Bürgermeister, wirke unter allen Umständen infamirend. Wegen Erhal¬ tung der Patrimonialgerichtsbarkeit wurde auf Antrag des Kammerherrn v. Oertzen-Kotelow noch ein den betreffenden Passus des Commissionsberichtes näher präcisirender Beschluß gefaßt, dahin lautend: „Stände erklären den be¬ sonders dringenden Wunsch, daß die Erlassung einer Civil- und Concursproceß- ordnung wegen der für die einheimische Gerichtsorganisation unvermeidlichen Consequenzen der Gesetzgebung und Oberaufsicht des Bundes entzogen bleibe." Zur Begründung dieses Antrages erinnerte Herr v. Oertzen unter anderem daran, daß mit der Patrimonialgerichtsbarkeit auch die gutsherrliche Polizei¬ gewalt fallen würde. Ein im Auftrage von Rath und Bürgerschaft der Stadt Rostock von den beiden rostocker Landtagsmitgliedern gestellter Antrag auf Suspendirung der bestehenden Verbote der Versammlungen und Vereine zur Herbeiführung der Möglichkeit einer Verständigung über die Wahlen, fand in der Versammlung so wenig Anklang, daß die Antragsteller auf Abstimmung verzichteten, worauf der Beschluß im Protokoll verzeichnet wurde: man wolle diesen Antrag auf sich beruhen lassen. Einiges Leben gewann die sonst sehr eintönig sich hinschleppende Verhand¬ lung, als der bekannte Kämpfer für die Wiederherstellung des Staatsgrund¬ gesetzes von 1849, Herr Manecke-Duggenkoppel. den Antrag der Commission auf Herbeiführung einer Garantie für die bestehende Landesverfassung benutzte, um aus sein altes Thema zurückzukommen. Er verlas ein Dictamen. in welchem er die rechtliche Existenz dieser Verfassung bestritt und dieselbe nur noch als eine factische Centralisation oligarchischer Bestrebungen gelten lassen wollte, was großen Sturm des Unwillens in der Versammlung hervorrief. „Es ist unerhört," rief der Vorsitzende Landrath v. Rieden, „daß der Versammlung fort¬ während so etwas geboten wird." „Es ist unerhört," rief der Landrath Graf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/242>, abgerufen am 02.07.2024.