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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Macht, nicht des Rechtes sein, ob es sich der Ergebnisse der Berathung erwehren
könne. "Das Königreich Preußen mit seinem mächtigen Königthum, mit seiner
gehorsamen und gehorsamer werdenden Volksvertretung mag mit geringerer Ge¬
fahr als wir politische Versuche machen können; die Eigenthümlichkeit der vater¬
ländischen, tief in der Geschichte des Landes wurzelnden Verhältnisse verbietet
in Mecklenburg derartige Versuche."

In der That kann wohl keines der für den norddeutschen Bund bestimmten
Länder in ähnlicher Weise zum Tode getroffen werden, wie Mecklenburg, wenn
es die aus seiner Eigenthümlichkeit hervorgewachsenen Institutionen dem indem
dirten norddeutschen Bundesstaate zum Opfer zu bringen gezwungen werden
sollte. Dem Argumente der Majorität, daß es für Mecklenburg von Nachtheil
sein würde, wenn die Regierungen nicht an der Feststellung der Vorlagen für
das Parlament theilnahmen, begegnen sie mit folgenden Sätzen: "Wir glauben
nicht, daß dieser Nachtheil demjenigen zu vergleichen ist, welcher dem Lande
schon durch die Vornahme der Wahlen nach dem vorgeschlagenen Wahlgesetz
entstehen würde. Im Princip können wir das Wählen nach reiner Kopfzahl
zwar nicht für verwerflicher halten als manche andere in konstitutionellen
Staaten recipirte Wahlarten mit sogenannten conservativen Garantien: mit
mecklenburgischem Wesen dagegen ist das Wahlen zu Zwecken der Volks¬
vertretung überhaupt so unversöhnv ar, daß die beabsichtigten Wah¬
len schwerlich ohne Gefährdung der nöthigen Achtung vor Gottes und Menschen
Ordnung könnten ausgeführt werden." Alles dies sprechen die Unterzeichner
des Minderheitserachtens, wie sie sagen, mit dem vollen und ernsten Bewußt¬
sein ihrer den Ständen sowohl wie dem Lande gegenüber übernommenen
Verpflichtung aus und ohne sich über die möglichen Gefahren ihres Rath¬
schlages zu täuschen, welcher dahin geht: "hohe Landtagsversammlung wolle
den Allerhöchsten Landesregierungen ein weiteres Vorgehen in Grundlage der
Artikel 2 und 5 des Vertrages vom 21. August 1866 in Unterthänigkeit wider-
rathen."

> Ein besonderes Erachten als Mitglied der Commission gab der Syndicus
Meyer aus Rostock ab. Er schloß sich in demselben zwar im Uebrigen dem
Bericht der Commission an. erklärte sich aber gegen einzelne der beigefügten
Wünsche als ihrem Inhalte nach mit dem Wesen des Bundesstaates nicht ver¬
einbar, war auch mit der geforderten Garantieleistung für die Feudalverfassung
nicht einverstanden und beantragte zum Wahlgesetz den Zusatz, daß Strafen
wegen politischer Verbrechsn von der Wahl nicht ausschlossen, da dieser Zusatz
erforderlich sei. wenn das mecklenburgische Wahlgesetz mit dem Reichswahlgesetze
wesentlich übereinstimmen solle.

Bei der Verhandlung im Plenum, welche am 1. und 2. October stattfand,
eigneten sich die Stände die sämmtlichen im Cvmmissionsbericht aufgestellten


Macht, nicht des Rechtes sein, ob es sich der Ergebnisse der Berathung erwehren
könne. „Das Königreich Preußen mit seinem mächtigen Königthum, mit seiner
gehorsamen und gehorsamer werdenden Volksvertretung mag mit geringerer Ge¬
fahr als wir politische Versuche machen können; die Eigenthümlichkeit der vater¬
ländischen, tief in der Geschichte des Landes wurzelnden Verhältnisse verbietet
in Mecklenburg derartige Versuche."

In der That kann wohl keines der für den norddeutschen Bund bestimmten
Länder in ähnlicher Weise zum Tode getroffen werden, wie Mecklenburg, wenn
es die aus seiner Eigenthümlichkeit hervorgewachsenen Institutionen dem indem
dirten norddeutschen Bundesstaate zum Opfer zu bringen gezwungen werden
sollte. Dem Argumente der Majorität, daß es für Mecklenburg von Nachtheil
sein würde, wenn die Regierungen nicht an der Feststellung der Vorlagen für
das Parlament theilnahmen, begegnen sie mit folgenden Sätzen: „Wir glauben
nicht, daß dieser Nachtheil demjenigen zu vergleichen ist, welcher dem Lande
schon durch die Vornahme der Wahlen nach dem vorgeschlagenen Wahlgesetz
entstehen würde. Im Princip können wir das Wählen nach reiner Kopfzahl
zwar nicht für verwerflicher halten als manche andere in konstitutionellen
Staaten recipirte Wahlarten mit sogenannten conservativen Garantien: mit
mecklenburgischem Wesen dagegen ist das Wahlen zu Zwecken der Volks¬
vertretung überhaupt so unversöhnv ar, daß die beabsichtigten Wah¬
len schwerlich ohne Gefährdung der nöthigen Achtung vor Gottes und Menschen
Ordnung könnten ausgeführt werden." Alles dies sprechen die Unterzeichner
des Minderheitserachtens, wie sie sagen, mit dem vollen und ernsten Bewußt¬
sein ihrer den Ständen sowohl wie dem Lande gegenüber übernommenen
Verpflichtung aus und ohne sich über die möglichen Gefahren ihres Rath¬
schlages zu täuschen, welcher dahin geht: „hohe Landtagsversammlung wolle
den Allerhöchsten Landesregierungen ein weiteres Vorgehen in Grundlage der
Artikel 2 und 5 des Vertrages vom 21. August 1866 in Unterthänigkeit wider-
rathen."

> Ein besonderes Erachten als Mitglied der Commission gab der Syndicus
Meyer aus Rostock ab. Er schloß sich in demselben zwar im Uebrigen dem
Bericht der Commission an. erklärte sich aber gegen einzelne der beigefügten
Wünsche als ihrem Inhalte nach mit dem Wesen des Bundesstaates nicht ver¬
einbar, war auch mit der geforderten Garantieleistung für die Feudalverfassung
nicht einverstanden und beantragte zum Wahlgesetz den Zusatz, daß Strafen
wegen politischer Verbrechsn von der Wahl nicht ausschlossen, da dieser Zusatz
erforderlich sei. wenn das mecklenburgische Wahlgesetz mit dem Reichswahlgesetze
wesentlich übereinstimmen solle.

Bei der Verhandlung im Plenum, welche am 1. und 2. October stattfand,
eigneten sich die Stände die sämmtlichen im Cvmmissionsbericht aufgestellten


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[0241] Macht, nicht des Rechtes sein, ob es sich der Ergebnisse der Berathung erwehren könne. „Das Königreich Preußen mit seinem mächtigen Königthum, mit seiner gehorsamen und gehorsamer werdenden Volksvertretung mag mit geringerer Ge¬ fahr als wir politische Versuche machen können; die Eigenthümlichkeit der vater¬ ländischen, tief in der Geschichte des Landes wurzelnden Verhältnisse verbietet in Mecklenburg derartige Versuche." In der That kann wohl keines der für den norddeutschen Bund bestimmten Länder in ähnlicher Weise zum Tode getroffen werden, wie Mecklenburg, wenn es die aus seiner Eigenthümlichkeit hervorgewachsenen Institutionen dem indem dirten norddeutschen Bundesstaate zum Opfer zu bringen gezwungen werden sollte. Dem Argumente der Majorität, daß es für Mecklenburg von Nachtheil sein würde, wenn die Regierungen nicht an der Feststellung der Vorlagen für das Parlament theilnahmen, begegnen sie mit folgenden Sätzen: „Wir glauben nicht, daß dieser Nachtheil demjenigen zu vergleichen ist, welcher dem Lande schon durch die Vornahme der Wahlen nach dem vorgeschlagenen Wahlgesetz entstehen würde. Im Princip können wir das Wählen nach reiner Kopfzahl zwar nicht für verwerflicher halten als manche andere in konstitutionellen Staaten recipirte Wahlarten mit sogenannten conservativen Garantien: mit mecklenburgischem Wesen dagegen ist das Wahlen zu Zwecken der Volks¬ vertretung überhaupt so unversöhnv ar, daß die beabsichtigten Wah¬ len schwerlich ohne Gefährdung der nöthigen Achtung vor Gottes und Menschen Ordnung könnten ausgeführt werden." Alles dies sprechen die Unterzeichner des Minderheitserachtens, wie sie sagen, mit dem vollen und ernsten Bewußt¬ sein ihrer den Ständen sowohl wie dem Lande gegenüber übernommenen Verpflichtung aus und ohne sich über die möglichen Gefahren ihres Rath¬ schlages zu täuschen, welcher dahin geht: „hohe Landtagsversammlung wolle den Allerhöchsten Landesregierungen ein weiteres Vorgehen in Grundlage der Artikel 2 und 5 des Vertrages vom 21. August 1866 in Unterthänigkeit wider- rathen." > Ein besonderes Erachten als Mitglied der Commission gab der Syndicus Meyer aus Rostock ab. Er schloß sich in demselben zwar im Uebrigen dem Bericht der Commission an. erklärte sich aber gegen einzelne der beigefügten Wünsche als ihrem Inhalte nach mit dem Wesen des Bundesstaates nicht ver¬ einbar, war auch mit der geforderten Garantieleistung für die Feudalverfassung nicht einverstanden und beantragte zum Wahlgesetz den Zusatz, daß Strafen wegen politischer Verbrechsn von der Wahl nicht ausschlossen, da dieser Zusatz erforderlich sei. wenn das mecklenburgische Wahlgesetz mit dem Reichswahlgesetze wesentlich übereinstimmen solle. Bei der Verhandlung im Plenum, welche am 1. und 2. October stattfand, eigneten sich die Stände die sämmtlichen im Cvmmissionsbericht aufgestellten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/241>, abgerufen am 02.07.2024.