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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Nachricht, daß der Großherzog seine Truppen auf preußischer Seite an dem
Feldzuge Theil nehmen lassen wolle, indem es bemerkte: "Es bedarf hiesigen
Lesern gegenüber kaum der Versicherung, daß diese Nachricht vollkommen grund¬
los ist, da sie den unveränderten Fnedensstand unserer Truppen vor Augen
haben. Im Uebngen aber verlautet glaubwürdig, daß Mecklenburg, falls der
beklagenswerthe Conflict zum Ausbruch des Krieges führen sollte, vollstän¬
dige Neutralität beobachten wird." Am 23. Mai wurde ebenso die Nach¬
richt, daß der Großherzog ein Commando in der preußischen Armee übernehmen
werde, für unbegründet erklärt.

In der verhängnißvollen Bundestagssitzung vom 14. Juni stimmte der
mecklenburgische Gesandte gegen den östreichischen Antrag auf Mobilmachung
und motivirte dies damit, daß der Antrag mit den Bundesgrundgesepen nicht
in Einklang stehe und daß auch die formelle Behandlung eine Verletzung der
Geschäftsordnung enthalte. Eine Instruction des Ministers v. Oertzen an den
Bundestagsgesandter vom 18. Juni billigte dieses Verhalten und verwahrte
die mecklenburgische Negierung gegen die Verpflichtung, den Beschlüssen vom
14. Juni Folge zu leisten. Dabei aber glaubte der Minister noch immer die
Politik der Neutralität beibehalten und den mecklenburgischen Gesandten am
Bundestage belassen zu können. Die Regierung ist, wie der Erlaß bemerkte,
"nicht der Ansicht, daß der Bund durch das Fassen unverbindlicher Beschlüsse
sich sofort auflöse, womit im Uebngen" -- wie vorsichtig hinzugefügt ward --
"kein Urtheil über die Frage ausgesprochen sein soll, unter welchen Voraus¬
setzungen einer Regierung das Recht erwächst, den Bund als aufgelöst anzusehen."
Weiter heißt es dann: "Der Theilnahme an künftigen Bundestagsbeschlüssen,
welche auf den oben als unverbindlich bezeichneten Grundlagen beruhen, haben
Sie Sich demgemäß zu enthalten, und, bleibt es Ihrem Ermessen überlassen,
an anderen Gegenständen der Bundestagsverhandlungen nach Maßgabe der
schon bestehenden oder noch zu ertheilenden Jnstructionen Theil zu nehmen."

Während der Minister sich hiernach der Hoffnung hingab, zugleich mit
Preußen und Oestreich auf freundschaftlichem Fuße verbleiben zu können, fing
man doch für alle Fälle an zu mobilisiren. Dies sollte jedoch vorläufig ein
Geheimniß bleiben. Daher erhielten sämmtliche inländische Zeitungen vom
Minister des Innern die Weisung, über militärische Angelegenheiten zu schwei¬
gen. Weil aber doch die Pferde nicht im Geheimen angekauft werden konnten,
so wurde den in Schwerin erscheinenden Blättern folgendes gleichlautende Kom¬
munique zur Veröffentlichung am 16. Juni übersandt: "Gutem Vernehmen
nach werden, um den Bedarf des hiesigen Contingents zu completiren, einige
hundert Pferde angekauft werden. Als eine Mobilmachung infolge , des am
14. d. M. in der Bundesversammlung gefaßten Majoritätsbeschlusses kann diese
Anordnung nicht angesehen werden, da Mecklenburg, wie bekannt ist, gegen die


Nachricht, daß der Großherzog seine Truppen auf preußischer Seite an dem
Feldzuge Theil nehmen lassen wolle, indem es bemerkte: „Es bedarf hiesigen
Lesern gegenüber kaum der Versicherung, daß diese Nachricht vollkommen grund¬
los ist, da sie den unveränderten Fnedensstand unserer Truppen vor Augen
haben. Im Uebngen aber verlautet glaubwürdig, daß Mecklenburg, falls der
beklagenswerthe Conflict zum Ausbruch des Krieges führen sollte, vollstän¬
dige Neutralität beobachten wird." Am 23. Mai wurde ebenso die Nach¬
richt, daß der Großherzog ein Commando in der preußischen Armee übernehmen
werde, für unbegründet erklärt.

In der verhängnißvollen Bundestagssitzung vom 14. Juni stimmte der
mecklenburgische Gesandte gegen den östreichischen Antrag auf Mobilmachung
und motivirte dies damit, daß der Antrag mit den Bundesgrundgesepen nicht
in Einklang stehe und daß auch die formelle Behandlung eine Verletzung der
Geschäftsordnung enthalte. Eine Instruction des Ministers v. Oertzen an den
Bundestagsgesandter vom 18. Juni billigte dieses Verhalten und verwahrte
die mecklenburgische Negierung gegen die Verpflichtung, den Beschlüssen vom
14. Juni Folge zu leisten. Dabei aber glaubte der Minister noch immer die
Politik der Neutralität beibehalten und den mecklenburgischen Gesandten am
Bundestage belassen zu können. Die Regierung ist, wie der Erlaß bemerkte,
„nicht der Ansicht, daß der Bund durch das Fassen unverbindlicher Beschlüsse
sich sofort auflöse, womit im Uebngen" — wie vorsichtig hinzugefügt ward —
„kein Urtheil über die Frage ausgesprochen sein soll, unter welchen Voraus¬
setzungen einer Regierung das Recht erwächst, den Bund als aufgelöst anzusehen."
Weiter heißt es dann: „Der Theilnahme an künftigen Bundestagsbeschlüssen,
welche auf den oben als unverbindlich bezeichneten Grundlagen beruhen, haben
Sie Sich demgemäß zu enthalten, und, bleibt es Ihrem Ermessen überlassen,
an anderen Gegenständen der Bundestagsverhandlungen nach Maßgabe der
schon bestehenden oder noch zu ertheilenden Jnstructionen Theil zu nehmen."

Während der Minister sich hiernach der Hoffnung hingab, zugleich mit
Preußen und Oestreich auf freundschaftlichem Fuße verbleiben zu können, fing
man doch für alle Fälle an zu mobilisiren. Dies sollte jedoch vorläufig ein
Geheimniß bleiben. Daher erhielten sämmtliche inländische Zeitungen vom
Minister des Innern die Weisung, über militärische Angelegenheiten zu schwei¬
gen. Weil aber doch die Pferde nicht im Geheimen angekauft werden konnten,
so wurde den in Schwerin erscheinenden Blättern folgendes gleichlautende Kom¬
munique zur Veröffentlichung am 16. Juni übersandt: „Gutem Vernehmen
nach werden, um den Bedarf des hiesigen Contingents zu completiren, einige
hundert Pferde angekauft werden. Als eine Mobilmachung infolge , des am
14. d. M. in der Bundesversammlung gefaßten Majoritätsbeschlusses kann diese
Anordnung nicht angesehen werden, da Mecklenburg, wie bekannt ist, gegen die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/23>, abgerufen am 30.06.2024.