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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Niederlassungsrecht nur durch gutsherrliche Bewilligung erworben, selbst von
Seiten der Heimathsberechtigten und selbst in den Städten fällt das Nieder¬
lassungsrecht nicht schlechthin mit dem Heimathsrecht zusammen. Es werden
daher auch durch diese''Bestimmung der mecklenburgischen Entwürfe eine große
Menge von Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen, welchen dasselbe nach dem
Reichswahlgesetz zusteht.

6) Die mecklenburgischen Entwürfe enthalten die Bestimmung: "Ueber
Reclamationen gegen das Wahlverfahren ist in letzter Instanz von Unserer
Regierung zu entscheiden." Dadurch scheint das Parlament des Rechts beraubt
werden zu sollen, die Wahlen seiner mecklenburgischen Mitglieder einer Prüfung
zu unterziehen. Das preußische Wahlgesetz enthält den der Reichsverfassung
entnommenen Satz: "Der Reichstag prüft die Vollmachten seiner Mitglieder
und entscheidet über deren Zulassung. Er regelt seine Geschäftsordnung und
Disciplin."

7) Dem Reichswahlgesetz stand ein gleichzeitig erschienenes Reichsgesetz
wegenZ.der Diäten und Reisegelder der Mitglieder des Staaten- und des
Volkshauses zur Seite, von welchem die mecklenburgischen Regierungen bei
ihren Vorlagen keine Notiz genommen haben. Noch weniger haben sie der in
das preußische Wahlgesetz aufgenommenen Bestimmung des Reichswahlgesetzes,
nach welcher kein Mitglied des Reichstages zu irgendeiner Zeit wegen seiner
Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeuße¬
rungen gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Ver¬
sammlung zur Verantwortung gezogen werden darf, Beachtung zu Theil werden
lassen.

Die Commission scheint diese vergleichenden Studien für sehr überflüssig
gehalten zu haben, da sie der Abweichungen von dem Reichswcchlgesctze mit
keinem Worte erwähnt, und. sich im Uebrigen mit einigen unbedeutenden Be¬
merkungen begnügend, nur die Forderung stellt, daß der strelitzische Entwurf in
vollständige Conformität mit dem schwerinschen gebracht, also namentlich die
Bestimmung des letzteren hinsichtlich des Ausschlusses der activen Militärpersonen
von den Wahlen in denselben aufgenommen werde.

Der Bericht weist dann wiederum auf den geübten Zwang hin, indem er
erklärt, daß die Commission "nicht umhin könne", die Zustimmung der Stände
zu den Wahlgesetzentwürfen mit den proponirten Abänderungen zu beantragen.
Schließlich aber wird diese Gelegenheit auch noch benutzt, um dem Gedanken
an eine bei der neuen Bundesgewalt zu erwirkende Garantie der bestehenden
Landesverfassung Eingang zu verschaffen. "Der Zweck des von den Landes¬
herren eingegangenen Bündnisvertrages," bemerkt die Commission, "welcher
ausdrücklich auf die Erhaltung nicht nur der äußeren, sondern auch der-inneren
Sicherheit des Landes mit gerichtet ist, läßt erwarten, daß auch die Landes-


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Niederlassungsrecht nur durch gutsherrliche Bewilligung erworben, selbst von
Seiten der Heimathsberechtigten und selbst in den Städten fällt das Nieder¬
lassungsrecht nicht schlechthin mit dem Heimathsrecht zusammen. Es werden
daher auch durch diese''Bestimmung der mecklenburgischen Entwürfe eine große
Menge von Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen, welchen dasselbe nach dem
Reichswahlgesetz zusteht.

6) Die mecklenburgischen Entwürfe enthalten die Bestimmung: „Ueber
Reclamationen gegen das Wahlverfahren ist in letzter Instanz von Unserer
Regierung zu entscheiden." Dadurch scheint das Parlament des Rechts beraubt
werden zu sollen, die Wahlen seiner mecklenburgischen Mitglieder einer Prüfung
zu unterziehen. Das preußische Wahlgesetz enthält den der Reichsverfassung
entnommenen Satz: „Der Reichstag prüft die Vollmachten seiner Mitglieder
und entscheidet über deren Zulassung. Er regelt seine Geschäftsordnung und
Disciplin."

7) Dem Reichswahlgesetz stand ein gleichzeitig erschienenes Reichsgesetz
wegenZ.der Diäten und Reisegelder der Mitglieder des Staaten- und des
Volkshauses zur Seite, von welchem die mecklenburgischen Regierungen bei
ihren Vorlagen keine Notiz genommen haben. Noch weniger haben sie der in
das preußische Wahlgesetz aufgenommenen Bestimmung des Reichswahlgesetzes,
nach welcher kein Mitglied des Reichstages zu irgendeiner Zeit wegen seiner
Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeuße¬
rungen gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Ver¬
sammlung zur Verantwortung gezogen werden darf, Beachtung zu Theil werden
lassen.

Die Commission scheint diese vergleichenden Studien für sehr überflüssig
gehalten zu haben, da sie der Abweichungen von dem Reichswcchlgesctze mit
keinem Worte erwähnt, und. sich im Uebrigen mit einigen unbedeutenden Be¬
merkungen begnügend, nur die Forderung stellt, daß der strelitzische Entwurf in
vollständige Conformität mit dem schwerinschen gebracht, also namentlich die
Bestimmung des letzteren hinsichtlich des Ausschlusses der activen Militärpersonen
von den Wahlen in denselben aufgenommen werde.

Der Bericht weist dann wiederum auf den geübten Zwang hin, indem er
erklärt, daß die Commission „nicht umhin könne", die Zustimmung der Stände
zu den Wahlgesetzentwürfen mit den proponirten Abänderungen zu beantragen.
Schließlich aber wird diese Gelegenheit auch noch benutzt, um dem Gedanken
an eine bei der neuen Bundesgewalt zu erwirkende Garantie der bestehenden
Landesverfassung Eingang zu verschaffen. „Der Zweck des von den Landes¬
herren eingegangenen Bündnisvertrages," bemerkt die Commission, „welcher
ausdrücklich auf die Erhaltung nicht nur der äußeren, sondern auch der-inneren
Sicherheit des Landes mit gerichtet ist, läßt erwarten, daß auch die Landes-


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[0239] Niederlassungsrecht nur durch gutsherrliche Bewilligung erworben, selbst von Seiten der Heimathsberechtigten und selbst in den Städten fällt das Nieder¬ lassungsrecht nicht schlechthin mit dem Heimathsrecht zusammen. Es werden daher auch durch diese''Bestimmung der mecklenburgischen Entwürfe eine große Menge von Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen, welchen dasselbe nach dem Reichswahlgesetz zusteht. 6) Die mecklenburgischen Entwürfe enthalten die Bestimmung: „Ueber Reclamationen gegen das Wahlverfahren ist in letzter Instanz von Unserer Regierung zu entscheiden." Dadurch scheint das Parlament des Rechts beraubt werden zu sollen, die Wahlen seiner mecklenburgischen Mitglieder einer Prüfung zu unterziehen. Das preußische Wahlgesetz enthält den der Reichsverfassung entnommenen Satz: „Der Reichstag prüft die Vollmachten seiner Mitglieder und entscheidet über deren Zulassung. Er regelt seine Geschäftsordnung und Disciplin." 7) Dem Reichswahlgesetz stand ein gleichzeitig erschienenes Reichsgesetz wegenZ.der Diäten und Reisegelder der Mitglieder des Staaten- und des Volkshauses zur Seite, von welchem die mecklenburgischen Regierungen bei ihren Vorlagen keine Notiz genommen haben. Noch weniger haben sie der in das preußische Wahlgesetz aufgenommenen Bestimmung des Reichswahlgesetzes, nach welcher kein Mitglied des Reichstages zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeuße¬ rungen gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Ver¬ sammlung zur Verantwortung gezogen werden darf, Beachtung zu Theil werden lassen. Die Commission scheint diese vergleichenden Studien für sehr überflüssig gehalten zu haben, da sie der Abweichungen von dem Reichswcchlgesctze mit keinem Worte erwähnt, und. sich im Uebrigen mit einigen unbedeutenden Be¬ merkungen begnügend, nur die Forderung stellt, daß der strelitzische Entwurf in vollständige Conformität mit dem schwerinschen gebracht, also namentlich die Bestimmung des letzteren hinsichtlich des Ausschlusses der activen Militärpersonen von den Wahlen in denselben aufgenommen werde. Der Bericht weist dann wiederum auf den geübten Zwang hin, indem er erklärt, daß die Commission „nicht umhin könne", die Zustimmung der Stände zu den Wahlgesetzentwürfen mit den proponirten Abänderungen zu beantragen. Schließlich aber wird diese Gelegenheit auch noch benutzt, um dem Gedanken an eine bei der neuen Bundesgewalt zu erwirkende Garantie der bestehenden Landesverfassung Eingang zu verschaffen. „Der Zweck des von den Landes¬ herren eingegangenen Bündnisvertrages," bemerkt die Commission, „welcher ausdrücklich auf die Erhaltung nicht nur der äußeren, sondern auch der-inneren Sicherheit des Landes mit gerichtet ist, läßt erwarten, daß auch die Landes- 28"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/239>, abgerufen am 02.07.2024.