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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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"Es' läßt sich nicht verkennen, daß diese Bestimmung ihrem bei weitem größten
Theile nach die erheblichsten Bedenken erregt, indem dieselbe in eigenthümliche
einheimische VertMnisse tief eingreift und namentlich für die Städte die drückend¬
sten Unzuträglichkeiten herbeiführen würde. Wir halten dafür, daß die hier be¬
legte Bestimmung auf die bezüglichen internationalen Verhältnisse der Staaten
unter einander so weit thunlich zu beschränken, in Bezug auf die einheimischen
Verhältnisse aber das verfassungsmäßige Recht bei Bestand zu erhalten sei."
Der Bestimmung gegenüber^ daß der Schiffahrtsbetrieb auf den mehren Staaten
gemeinsamen Wasserstraßen, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle zur Com-
petenz der Bundesgewalt gehören solle, wird die vertragsmäßige Revenue des
Großherzogs aus dem Elbzoll gewahrt, bei der gemeinsamen Civilproceßordnung
und dem gemeinsamen Concursverfahren der Vorbehalt gemacht, "daß diese
Competenz nicht auf die mit der Landesverfassung in engster Verbindung stehende
einheimische Gerichtsorganisation ausgedehnt werden darf." Man wollte dem
Bundesstaate nicht die Patrimonialgerichte zum Opfer bringen!

Die Fürsten, so schließt dieser Theil des Berichts, sollen ersucht werden, allen
ihren Einfluß aufzubieten, um den hier ausgesprochenen Wünschen die Erfüllung
zu sichern.

Der Bericht wendet sich dann zu dem Wah-lgesetz für das zu berufende
Parlament. Jede der beiden Regierungen hatte einen besonderen Entwurf
desselben vorgelegt. Anfangs wurde dieser Theil der Vorlagen sehr geheim ge¬
halten. Die Wahlgesetzentwürfe waren nicht mit den übrigen Schriftstücken
gedruckt worden und es bestand eine Zeit lang die Absicht, dieselben vor der
Hand als Geheimniß der Commission zu behandeln und' sie dem Plenum erst
gleichzeitig mit dem Berichte zur Kenntniß zu bringen. Nur der energischen
Reklamation eines bürgerlichen Mitgliedes der Ritterschaft ist es zu verdanken,
daß dieser Plan nicht zur Ausführung kam und daß das Actenstück noch einige
Tage vor der Berathung der Vorlagen im Plenum in die Oeffentlichkeit ge¬
langte.

Man hatte allerdings für die Geheimhaltung einigen Grund, da die beiden
Wahlgesetzentwürfe die durch den Bündnißvertrag auferlegte Verpflichtung, die
Wahlen "auf Grund" des Reichswahlgesctzes vom 12. April 1849 vorzunehmen,
in erheblichen Punkten bei Seite gesetzt hatten. Die Abweichungen von den Be¬
stimmungen des Reichswahlgesetzes bestehen hauptsächlich in Folgendem:

1) In § 2 der beiden Wahlgesetzentwürfe wird bestimmt: "Wähler ist
jeder unbescholtene Mecklenburger, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat."
Im Reichswahlgesetze heißt es: "Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche u."
Der letztere Ausdruck setzt allerdings eine deutsche Reichseinheit voraus un'd ist
also auf den norddeutschen Bund nicht anwendbar. Die Analogie erforderte
aber eine Bestimmung, wie sie in dem preußischen Wahlgesetz für das Parlament


Grenzboten IV. 18KK. 28

„Es' läßt sich nicht verkennen, daß diese Bestimmung ihrem bei weitem größten
Theile nach die erheblichsten Bedenken erregt, indem dieselbe in eigenthümliche
einheimische VertMnisse tief eingreift und namentlich für die Städte die drückend¬
sten Unzuträglichkeiten herbeiführen würde. Wir halten dafür, daß die hier be¬
legte Bestimmung auf die bezüglichen internationalen Verhältnisse der Staaten
unter einander so weit thunlich zu beschränken, in Bezug auf die einheimischen
Verhältnisse aber das verfassungsmäßige Recht bei Bestand zu erhalten sei."
Der Bestimmung gegenüber^ daß der Schiffahrtsbetrieb auf den mehren Staaten
gemeinsamen Wasserstraßen, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle zur Com-
petenz der Bundesgewalt gehören solle, wird die vertragsmäßige Revenue des
Großherzogs aus dem Elbzoll gewahrt, bei der gemeinsamen Civilproceßordnung
und dem gemeinsamen Concursverfahren der Vorbehalt gemacht, „daß diese
Competenz nicht auf die mit der Landesverfassung in engster Verbindung stehende
einheimische Gerichtsorganisation ausgedehnt werden darf." Man wollte dem
Bundesstaate nicht die Patrimonialgerichte zum Opfer bringen!

Die Fürsten, so schließt dieser Theil des Berichts, sollen ersucht werden, allen
ihren Einfluß aufzubieten, um den hier ausgesprochenen Wünschen die Erfüllung
zu sichern.

Der Bericht wendet sich dann zu dem Wah-lgesetz für das zu berufende
Parlament. Jede der beiden Regierungen hatte einen besonderen Entwurf
desselben vorgelegt. Anfangs wurde dieser Theil der Vorlagen sehr geheim ge¬
halten. Die Wahlgesetzentwürfe waren nicht mit den übrigen Schriftstücken
gedruckt worden und es bestand eine Zeit lang die Absicht, dieselben vor der
Hand als Geheimniß der Commission zu behandeln und' sie dem Plenum erst
gleichzeitig mit dem Berichte zur Kenntniß zu bringen. Nur der energischen
Reklamation eines bürgerlichen Mitgliedes der Ritterschaft ist es zu verdanken,
daß dieser Plan nicht zur Ausführung kam und daß das Actenstück noch einige
Tage vor der Berathung der Vorlagen im Plenum in die Oeffentlichkeit ge¬
langte.

Man hatte allerdings für die Geheimhaltung einigen Grund, da die beiden
Wahlgesetzentwürfe die durch den Bündnißvertrag auferlegte Verpflichtung, die
Wahlen „auf Grund« des Reichswahlgesctzes vom 12. April 1849 vorzunehmen,
in erheblichen Punkten bei Seite gesetzt hatten. Die Abweichungen von den Be¬
stimmungen des Reichswahlgesetzes bestehen hauptsächlich in Folgendem:

1) In § 2 der beiden Wahlgesetzentwürfe wird bestimmt: „Wähler ist
jeder unbescholtene Mecklenburger, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat."
Im Reichswahlgesetze heißt es: „Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche u."
Der letztere Ausdruck setzt allerdings eine deutsche Reichseinheit voraus un'd ist
also auf den norddeutschen Bund nicht anwendbar. Die Analogie erforderte
aber eine Bestimmung, wie sie in dem preußischen Wahlgesetz für das Parlament


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[0237] „Es' läßt sich nicht verkennen, daß diese Bestimmung ihrem bei weitem größten Theile nach die erheblichsten Bedenken erregt, indem dieselbe in eigenthümliche einheimische VertMnisse tief eingreift und namentlich für die Städte die drückend¬ sten Unzuträglichkeiten herbeiführen würde. Wir halten dafür, daß die hier be¬ legte Bestimmung auf die bezüglichen internationalen Verhältnisse der Staaten unter einander so weit thunlich zu beschränken, in Bezug auf die einheimischen Verhältnisse aber das verfassungsmäßige Recht bei Bestand zu erhalten sei." Der Bestimmung gegenüber^ daß der Schiffahrtsbetrieb auf den mehren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle zur Com- petenz der Bundesgewalt gehören solle, wird die vertragsmäßige Revenue des Großherzogs aus dem Elbzoll gewahrt, bei der gemeinsamen Civilproceßordnung und dem gemeinsamen Concursverfahren der Vorbehalt gemacht, „daß diese Competenz nicht auf die mit der Landesverfassung in engster Verbindung stehende einheimische Gerichtsorganisation ausgedehnt werden darf." Man wollte dem Bundesstaate nicht die Patrimonialgerichte zum Opfer bringen! Die Fürsten, so schließt dieser Theil des Berichts, sollen ersucht werden, allen ihren Einfluß aufzubieten, um den hier ausgesprochenen Wünschen die Erfüllung zu sichern. Der Bericht wendet sich dann zu dem Wah-lgesetz für das zu berufende Parlament. Jede der beiden Regierungen hatte einen besonderen Entwurf desselben vorgelegt. Anfangs wurde dieser Theil der Vorlagen sehr geheim ge¬ halten. Die Wahlgesetzentwürfe waren nicht mit den übrigen Schriftstücken gedruckt worden und es bestand eine Zeit lang die Absicht, dieselben vor der Hand als Geheimniß der Commission zu behandeln und' sie dem Plenum erst gleichzeitig mit dem Berichte zur Kenntniß zu bringen. Nur der energischen Reklamation eines bürgerlichen Mitgliedes der Ritterschaft ist es zu verdanken, daß dieser Plan nicht zur Ausführung kam und daß das Actenstück noch einige Tage vor der Berathung der Vorlagen im Plenum in die Oeffentlichkeit ge¬ langte. Man hatte allerdings für die Geheimhaltung einigen Grund, da die beiden Wahlgesetzentwürfe die durch den Bündnißvertrag auferlegte Verpflichtung, die Wahlen „auf Grund« des Reichswahlgesctzes vom 12. April 1849 vorzunehmen, in erheblichen Punkten bei Seite gesetzt hatten. Die Abweichungen von den Be¬ stimmungen des Reichswahlgesetzes bestehen hauptsächlich in Folgendem: 1) In § 2 der beiden Wahlgesetzentwürfe wird bestimmt: „Wähler ist jeder unbescholtene Mecklenburger, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat." Im Reichswahlgesetze heißt es: „Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche u." Der letztere Ausdruck setzt allerdings eine deutsche Reichseinheit voraus un'd ist also auf den norddeutschen Bund nicht anwendbar. Die Analogie erforderte aber eine Bestimmung, wie sie in dem preußischen Wahlgesetz für das Parlament Grenzboten IV. 18KK. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/237>, abgerufen am 02.07.2024.