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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Der Bericht zerfiel in ein Majorität^ und ein Minoritätserachten, Von
welchen das erstere von sechs Rittern (vier schwerinscheu und zwei strelitzischen)
und elf Bürgermeistern, das letztere von den übrigen sechs Rittern (gleichfalls
vier schwerinschen und zwei strelitzischen) unterschrieben war.

In dem Erachten der Majorität ward vor Erörterung des Inhalts des
Bündnisvertrages die allgemeine Frage aufgeworfen: ob überhaupt für die
Stände Veranlassung vorliege, auf den Vorschlag einer unter Mitwirkung eines
Parlaments zu gründenden Bundesverfassung einzugehen, oder ob sie in der
Lage seien, denselben abzulehnen. Die Antwort hierauf ward durch folgende
Erwägungen gegeben. Durch die Macht der Ereignisse und der thatsächlichen
Verhältnisse sei den Landesherren die Nothwendigkeit auferlegt worden, in das
Bündniß einzutreten. Dadurch hätten sie zugleich die Unabhängigkeit und In¬
tegrität des Landes bewahrt. Eine Folge davon sei das Fortbestehen der
Landesverfassung, in deren Anerkennung nach Artikel 6 des Bündnisvertrages
vom 21. August die beiderseitigen hohen Paciscenten einverstanden seien. Die
Stände müßten die gebieterische Nothwendigkeit, welche den Großherzogen die
thatsächlichen Verhältnisse auferlegt hätten, anerkennen und auf diese Verhält-
nisse stehe ihnen kein Einfluß zu. Eine Ablehnung der Proposition würde
einestheils den Stand der Dinge nicht günstiger gestalten, anderntheils würden
dadurch, abgesehen von anderen Gefahren, die Regierungen in die nachtheilige
Lage versetzt werden können, von dem Einflüsse 5uf die Feststellung des Bundes¬
verfassungsentwurfs ganz ausgeschlossen zu werden und demnächst der Anerken¬
nung der ohne ihre Mitwirkung etwa zu Stande kommenden Bundesverfassung
thatsächlich sich doch nicht entziehen zu können. Die Commission könne des¬
halb nicht umhin, sich für das Eingehen aus die Proposition auszusprechen,
und trete der in der strelitzschen Proposition ausgesprochenen Meinung bei,
"daß Mecklenburg seine Aufgabe für jetzt darin zu suchen habe, die Bedingungen
zu finden und auszusprechen, unter denen der bestehenden mecklenburgischen Ver¬
fassung auch unter den neuen Bundesverhältnissen eine gedeihliche Wirksamkeit
verbürgt bleibe."

Es wird dann ausgeführt, daß das Parlament nur eine berathende Stimme
haben werde und daß daher die Betheiligung an dem Parlament ganz ohne
Gefahr sei, indem über die spätere Annahme oder Ablehnung des aus der Be¬
rathung mit dem Parlamente hervorgehenden Bundesverfassungsentwurfs noch
den Großherzogen wie den Ständen die freie Entscheidung vorbehalten bleibe.
"Durch diese Sachlage," so wird dann fortgefahren, "ist es uns ermöglicht, zur
Beschlußfassung der hochansehnlichen Versammlung zu verstellen: die ständische
Zustimmung dazu zu erklären, daß die hohen Regierungen sich an der Fest¬
stellung eines Bundesverfassungsentwurfes betheiligen und denselben dem zu
berufenden Parlament zur Berathung vorlegen, indem wir jedoch zugleich vor-


Der Bericht zerfiel in ein Majorität^ und ein Minoritätserachten, Von
welchen das erstere von sechs Rittern (vier schwerinscheu und zwei strelitzischen)
und elf Bürgermeistern, das letztere von den übrigen sechs Rittern (gleichfalls
vier schwerinschen und zwei strelitzischen) unterschrieben war.

In dem Erachten der Majorität ward vor Erörterung des Inhalts des
Bündnisvertrages die allgemeine Frage aufgeworfen: ob überhaupt für die
Stände Veranlassung vorliege, auf den Vorschlag einer unter Mitwirkung eines
Parlaments zu gründenden Bundesverfassung einzugehen, oder ob sie in der
Lage seien, denselben abzulehnen. Die Antwort hierauf ward durch folgende
Erwägungen gegeben. Durch die Macht der Ereignisse und der thatsächlichen
Verhältnisse sei den Landesherren die Nothwendigkeit auferlegt worden, in das
Bündniß einzutreten. Dadurch hätten sie zugleich die Unabhängigkeit und In¬
tegrität des Landes bewahrt. Eine Folge davon sei das Fortbestehen der
Landesverfassung, in deren Anerkennung nach Artikel 6 des Bündnisvertrages
vom 21. August die beiderseitigen hohen Paciscenten einverstanden seien. Die
Stände müßten die gebieterische Nothwendigkeit, welche den Großherzogen die
thatsächlichen Verhältnisse auferlegt hätten, anerkennen und auf diese Verhält-
nisse stehe ihnen kein Einfluß zu. Eine Ablehnung der Proposition würde
einestheils den Stand der Dinge nicht günstiger gestalten, anderntheils würden
dadurch, abgesehen von anderen Gefahren, die Regierungen in die nachtheilige
Lage versetzt werden können, von dem Einflüsse 5uf die Feststellung des Bundes¬
verfassungsentwurfs ganz ausgeschlossen zu werden und demnächst der Anerken¬
nung der ohne ihre Mitwirkung etwa zu Stande kommenden Bundesverfassung
thatsächlich sich doch nicht entziehen zu können. Die Commission könne des¬
halb nicht umhin, sich für das Eingehen aus die Proposition auszusprechen,
und trete der in der strelitzschen Proposition ausgesprochenen Meinung bei,
„daß Mecklenburg seine Aufgabe für jetzt darin zu suchen habe, die Bedingungen
zu finden und auszusprechen, unter denen der bestehenden mecklenburgischen Ver¬
fassung auch unter den neuen Bundesverhältnissen eine gedeihliche Wirksamkeit
verbürgt bleibe."

Es wird dann ausgeführt, daß das Parlament nur eine berathende Stimme
haben werde und daß daher die Betheiligung an dem Parlament ganz ohne
Gefahr sei, indem über die spätere Annahme oder Ablehnung des aus der Be¬
rathung mit dem Parlamente hervorgehenden Bundesverfassungsentwurfs noch
den Großherzogen wie den Ständen die freie Entscheidung vorbehalten bleibe.
„Durch diese Sachlage," so wird dann fortgefahren, „ist es uns ermöglicht, zur
Beschlußfassung der hochansehnlichen Versammlung zu verstellen: die ständische
Zustimmung dazu zu erklären, daß die hohen Regierungen sich an der Fest¬
stellung eines Bundesverfassungsentwurfes betheiligen und denselben dem zu
berufenden Parlament zur Berathung vorlegen, indem wir jedoch zugleich vor-


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[0235] Der Bericht zerfiel in ein Majorität^ und ein Minoritätserachten, Von welchen das erstere von sechs Rittern (vier schwerinscheu und zwei strelitzischen) und elf Bürgermeistern, das letztere von den übrigen sechs Rittern (gleichfalls vier schwerinschen und zwei strelitzischen) unterschrieben war. In dem Erachten der Majorität ward vor Erörterung des Inhalts des Bündnisvertrages die allgemeine Frage aufgeworfen: ob überhaupt für die Stände Veranlassung vorliege, auf den Vorschlag einer unter Mitwirkung eines Parlaments zu gründenden Bundesverfassung einzugehen, oder ob sie in der Lage seien, denselben abzulehnen. Die Antwort hierauf ward durch folgende Erwägungen gegeben. Durch die Macht der Ereignisse und der thatsächlichen Verhältnisse sei den Landesherren die Nothwendigkeit auferlegt worden, in das Bündniß einzutreten. Dadurch hätten sie zugleich die Unabhängigkeit und In¬ tegrität des Landes bewahrt. Eine Folge davon sei das Fortbestehen der Landesverfassung, in deren Anerkennung nach Artikel 6 des Bündnisvertrages vom 21. August die beiderseitigen hohen Paciscenten einverstanden seien. Die Stände müßten die gebieterische Nothwendigkeit, welche den Großherzogen die thatsächlichen Verhältnisse auferlegt hätten, anerkennen und auf diese Verhält- nisse stehe ihnen kein Einfluß zu. Eine Ablehnung der Proposition würde einestheils den Stand der Dinge nicht günstiger gestalten, anderntheils würden dadurch, abgesehen von anderen Gefahren, die Regierungen in die nachtheilige Lage versetzt werden können, von dem Einflüsse 5uf die Feststellung des Bundes¬ verfassungsentwurfs ganz ausgeschlossen zu werden und demnächst der Anerken¬ nung der ohne ihre Mitwirkung etwa zu Stande kommenden Bundesverfassung thatsächlich sich doch nicht entziehen zu können. Die Commission könne des¬ halb nicht umhin, sich für das Eingehen aus die Proposition auszusprechen, und trete der in der strelitzschen Proposition ausgesprochenen Meinung bei, „daß Mecklenburg seine Aufgabe für jetzt darin zu suchen habe, die Bedingungen zu finden und auszusprechen, unter denen der bestehenden mecklenburgischen Ver¬ fassung auch unter den neuen Bundesverhältnissen eine gedeihliche Wirksamkeit verbürgt bleibe." Es wird dann ausgeführt, daß das Parlament nur eine berathende Stimme haben werde und daß daher die Betheiligung an dem Parlament ganz ohne Gefahr sei, indem über die spätere Annahme oder Ablehnung des aus der Be¬ rathung mit dem Parlamente hervorgehenden Bundesverfassungsentwurfs noch den Großherzogen wie den Ständen die freie Entscheidung vorbehalten bleibe. „Durch diese Sachlage," so wird dann fortgefahren, „ist es uns ermöglicht, zur Beschlußfassung der hochansehnlichen Versammlung zu verstellen: die ständische Zustimmung dazu zu erklären, daß die hohen Regierungen sich an der Fest¬ stellung eines Bundesverfassungsentwurfes betheiligen und denselben dem zu berufenden Parlament zur Berathung vorlegen, indem wir jedoch zugleich vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/235>, abgerufen am 02.07.2024.