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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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in einer der gegenwärtigen Sachlage entsprechenden Fassung für das Großher-
zogthum Mecklenburg-Schwerin bearbeitet worden sei".

In der strelitzischeu ProPosition ward dann in Uebereinstimmung mit der
schwerinschen hervorgehoben, daß Mecklenburg einen maßgebenden Einfluß auf
die in ihren wesentlichen Grundzügen bereits festgestellte Entwickelung der deut¬
schen Verhältnisse nicht habe in Anspruch nehmen können. Mecklenburg --
so hieß es ferner -- habe für jetzt seine Aufgabe darin zu suchen, die Bedin¬
gungen zu finden und auszusprechen, unter denen der heimischen Ver¬
fassung auch unter dem neuen Bundesverhältnisse eine gedeihliche Wirksamkeit
verbürgt bleibe. Wie die Fürsten, würden auch die Stände dem neuen Bunde
Opfer in Bezug auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit bringen müssen. Unter
Berufung auf ihren Patriotismus werden die Stände dann aufgefordert, von
dem Bündnißvertrage behufs verfassungsmäßiger Berathung Kenntniß zu nehmen-
und sich namentlich darüber zu erklären, wie weit sie bereit seien, rücksichtlich
der im Artikel 6 der preußischen Grundzüge vom 10, Juni aufgeführten Gegen¬
stände der Gesetzgebung einer Beschränkung oder Aufhebung ihrer landesver¬
fassungsmäßigen Rechte zuzustimmen.

Die Vorlagen wurden einer aus vierundzwanzig Personen, zwölf Rittern
und ebenso vielen Bürgermeistern, bestehenden Commission zur Prüfung und
Berichterstattung hingegeben. Bei den Wahlen in diese Commission trug die
feudale Partei einen entschiedenen Sieg davon. Die zwölf Ritter gehörten
derselben ohne Ausnahme an, die städtischen Deputirten nur mit Ausnahme
eines einzigen, des Syndicus Meyer aus Rostock, welcher unter der constitutio-
nelle" Aera Minister des Innern gewesen war. Daß auch die Bürgermeister
fast sämmtlich die größten Anhänger der bestehenden Verfassung sind, beruht
nicht so sehr auf politischer Ueberzeugung, als auf ihrer abhängigen Stellung,
welche sie hindert, eine politische Ueberzeugung zu haben oder doch zu äußern.
Einerseits sind sie abhängig vom Großherzoge, der in einer großen Zahl von
Städten das Recht der Ernennung, in den übrigen wenigstens das Recht der
Bestätigung derselben hat, und dessen Regierung durch Beförderung auf bessere
Stellen, Verleihung von Hvfratbstiteln u. s. w. auf dieselben einzuwirken ver¬
mag; andrerseits bringt ihre Stellung als ritterschaftliche Patnmvnialrichter, in
welcher Eigenschaft sie während der ersten zehn Jahre der Kündigung unter¬
worfen sind, und ihre Advocciturvraxis es mit sich, daß sie sich nicht gern mit
den Rittern veruneinigen. In dem vorliegenden Falle vermochten sie ebenso
sehr den Beifall der Regierung als den der feudalen Partei in der Ritterschaft
zu ernten., wenn sie die mecklenburgischen Institutionen nach Möglichkeit gegen
die bedrohlichen Wirkungen des Bündnisses zu schützen suchten.

Nach zwei- bis dreitägiger Arbeit war der Commissivnsbericht fertig und
schon am 1. October konnte die Berathung über denselben im Plenum beginnen.


in einer der gegenwärtigen Sachlage entsprechenden Fassung für das Großher-
zogthum Mecklenburg-Schwerin bearbeitet worden sei".

In der strelitzischeu ProPosition ward dann in Uebereinstimmung mit der
schwerinschen hervorgehoben, daß Mecklenburg einen maßgebenden Einfluß auf
die in ihren wesentlichen Grundzügen bereits festgestellte Entwickelung der deut¬
schen Verhältnisse nicht habe in Anspruch nehmen können. Mecklenburg —
so hieß es ferner — habe für jetzt seine Aufgabe darin zu suchen, die Bedin¬
gungen zu finden und auszusprechen, unter denen der heimischen Ver¬
fassung auch unter dem neuen Bundesverhältnisse eine gedeihliche Wirksamkeit
verbürgt bleibe. Wie die Fürsten, würden auch die Stände dem neuen Bunde
Opfer in Bezug auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit bringen müssen. Unter
Berufung auf ihren Patriotismus werden die Stände dann aufgefordert, von
dem Bündnißvertrage behufs verfassungsmäßiger Berathung Kenntniß zu nehmen-
und sich namentlich darüber zu erklären, wie weit sie bereit seien, rücksichtlich
der im Artikel 6 der preußischen Grundzüge vom 10, Juni aufgeführten Gegen¬
stände der Gesetzgebung einer Beschränkung oder Aufhebung ihrer landesver¬
fassungsmäßigen Rechte zuzustimmen.

Die Vorlagen wurden einer aus vierundzwanzig Personen, zwölf Rittern
und ebenso vielen Bürgermeistern, bestehenden Commission zur Prüfung und
Berichterstattung hingegeben. Bei den Wahlen in diese Commission trug die
feudale Partei einen entschiedenen Sieg davon. Die zwölf Ritter gehörten
derselben ohne Ausnahme an, die städtischen Deputirten nur mit Ausnahme
eines einzigen, des Syndicus Meyer aus Rostock, welcher unter der constitutio-
nelle» Aera Minister des Innern gewesen war. Daß auch die Bürgermeister
fast sämmtlich die größten Anhänger der bestehenden Verfassung sind, beruht
nicht so sehr auf politischer Ueberzeugung, als auf ihrer abhängigen Stellung,
welche sie hindert, eine politische Ueberzeugung zu haben oder doch zu äußern.
Einerseits sind sie abhängig vom Großherzoge, der in einer großen Zahl von
Städten das Recht der Ernennung, in den übrigen wenigstens das Recht der
Bestätigung derselben hat, und dessen Regierung durch Beförderung auf bessere
Stellen, Verleihung von Hvfratbstiteln u. s. w. auf dieselben einzuwirken ver¬
mag; andrerseits bringt ihre Stellung als ritterschaftliche Patnmvnialrichter, in
welcher Eigenschaft sie während der ersten zehn Jahre der Kündigung unter¬
worfen sind, und ihre Advocciturvraxis es mit sich, daß sie sich nicht gern mit
den Rittern veruneinigen. In dem vorliegenden Falle vermochten sie ebenso
sehr den Beifall der Regierung als den der feudalen Partei in der Ritterschaft
zu ernten., wenn sie die mecklenburgischen Institutionen nach Möglichkeit gegen
die bedrohlichen Wirkungen des Bündnisses zu schützen suchten.

Nach zwei- bis dreitägiger Arbeit war der Commissivnsbericht fertig und
schon am 1. October konnte die Berathung über denselben im Plenum beginnen.


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[0234] in einer der gegenwärtigen Sachlage entsprechenden Fassung für das Großher- zogthum Mecklenburg-Schwerin bearbeitet worden sei". In der strelitzischeu ProPosition ward dann in Uebereinstimmung mit der schwerinschen hervorgehoben, daß Mecklenburg einen maßgebenden Einfluß auf die in ihren wesentlichen Grundzügen bereits festgestellte Entwickelung der deut¬ schen Verhältnisse nicht habe in Anspruch nehmen können. Mecklenburg — so hieß es ferner — habe für jetzt seine Aufgabe darin zu suchen, die Bedin¬ gungen zu finden und auszusprechen, unter denen der heimischen Ver¬ fassung auch unter dem neuen Bundesverhältnisse eine gedeihliche Wirksamkeit verbürgt bleibe. Wie die Fürsten, würden auch die Stände dem neuen Bunde Opfer in Bezug auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit bringen müssen. Unter Berufung auf ihren Patriotismus werden die Stände dann aufgefordert, von dem Bündnißvertrage behufs verfassungsmäßiger Berathung Kenntniß zu nehmen- und sich namentlich darüber zu erklären, wie weit sie bereit seien, rücksichtlich der im Artikel 6 der preußischen Grundzüge vom 10, Juni aufgeführten Gegen¬ stände der Gesetzgebung einer Beschränkung oder Aufhebung ihrer landesver¬ fassungsmäßigen Rechte zuzustimmen. Die Vorlagen wurden einer aus vierundzwanzig Personen, zwölf Rittern und ebenso vielen Bürgermeistern, bestehenden Commission zur Prüfung und Berichterstattung hingegeben. Bei den Wahlen in diese Commission trug die feudale Partei einen entschiedenen Sieg davon. Die zwölf Ritter gehörten derselben ohne Ausnahme an, die städtischen Deputirten nur mit Ausnahme eines einzigen, des Syndicus Meyer aus Rostock, welcher unter der constitutio- nelle» Aera Minister des Innern gewesen war. Daß auch die Bürgermeister fast sämmtlich die größten Anhänger der bestehenden Verfassung sind, beruht nicht so sehr auf politischer Ueberzeugung, als auf ihrer abhängigen Stellung, welche sie hindert, eine politische Ueberzeugung zu haben oder doch zu äußern. Einerseits sind sie abhängig vom Großherzoge, der in einer großen Zahl von Städten das Recht der Ernennung, in den übrigen wenigstens das Recht der Bestätigung derselben hat, und dessen Regierung durch Beförderung auf bessere Stellen, Verleihung von Hvfratbstiteln u. s. w. auf dieselben einzuwirken ver¬ mag; andrerseits bringt ihre Stellung als ritterschaftliche Patnmvnialrichter, in welcher Eigenschaft sie während der ersten zehn Jahre der Kündigung unter¬ worfen sind, und ihre Advocciturvraxis es mit sich, daß sie sich nicht gern mit den Rittern veruneinigen. In dem vorliegenden Falle vermochten sie ebenso sehr den Beifall der Regierung als den der feudalen Partei in der Ritterschaft zu ernten., wenn sie die mecklenburgischen Institutionen nach Möglichkeit gegen die bedrohlichen Wirkungen des Bündnisses zu schützen suchten. Nach zwei- bis dreitägiger Arbeit war der Commissivnsbericht fertig und schon am 1. October konnte die Berathung über denselben im Plenum beginnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/234>, abgerufen am 02.07.2024.