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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Ludwig Reinhard, eines wegen seiner Ausdauer im Parlament seines Amtes
entsetzten und auch noch später viel verfolgten Mannes, der, aus Rostock auf
Betrieb des Ministeriums ausgewiesen, seit einigen Jahren Mecklenburg ver¬
lassen und in Koburg seinen Wohnsitz genommen hat. Wenn dieser Name im
"Norddeutschen Korrespondenten" mit'dem des Grafen Vismarck zusammen¬
gestellt und in einem "Bismarck und Reinhard" überschriebenen Artikel zur
Persiflirung des bismarckschen Antrags verwandt wurde, so weiß man in Meck¬
lenburg, daß das ministerielle Blatt damit diesen Antrag als etwas über alles
Maß Verächtliches und gänzlich Verwerfliches bezeichnen wollte. Ein anderer
Artikel über das Parlament in derselben Nummer des Blattes schloß mit den
Worten: "Wir halten ein aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenes deutsches
Parlament als Repräsentation des deutschen Volkes bei der Executivbehörde
des deutschen Bundes zu Frankfurt a. M. für ein Unding, wobei wir darauf,
ob der Modus der Wahl zu einer solchen Versammlung der indirecte oder der
directe sei, geringes Gewicht legen. Wie auch der Wahlmodus sei, über das
Ergebniß der Wahl kann unter den jetzigen Umständen kaum ein Zweifel be¬
stehen." Auch noch im Mai fuhr das ministerielle Blatt fort, das Parlament
zu bekämpfen, weil es den Zweck habe, den der Einheit widerstrebenden Par-
ticulansmus zu brechen. "Wir wollen diesen Zweck nicht," bemerkte es, "also
auch nicht das Mittel. Für uns ist daher ein deutsches Parlament nicht Von¬
nöthen. Auch ist dasselbe zu der deutschen Bundesreform an sich nicht erfor¬
derlich, sondern nur zur Durchsetzung einer bestimmten Bundesreform, die von
bestimmter Seite gewollt wird."

Indessen mochte das Blatt im weiteren Verlauf der Dinge doch vor den
Konsequenzen einer fortgesetzten Opposition gegen Preußen etwas erschrecken,
und fand es gerathen zu erklären, daß das von ihm aufgestellte politische Pro¬
gramm nicht von der Regierung inspirirt sei, wobei nur räthselhaft war, wie
ein aus großherzoglicher Kasse unterhaltenes Blatt und ein Ministenalbeamter,
welcher mit der Wahrung der Negierungsintercssen in der Presse beauftragt ist,
auf eigene Faust Politik treiben und eine Stellung zu den Tagesfragen ein¬
nehmen dürfen, welche mit der ihrer Committenten nicht harmonirt.

In den letzten Wochen des Mai erkannte die Regierung es für geboten,
die Politik der Neutralität zu proclamiren. Das ministerielle Blatt mußte
jetzt über die schwebende politische Frage schweigen und durch Begünstigung der
programmmäßigen Ausführung aller an verschiedenen mecklenburgischen Orten
projectirten Sänger-, Schützen- und Turuerfeste suchte man von oben den Ein¬
druck zu erwecken, als ob Mecklenburg unter allen Umständen entschlossen sei,
ein harmloser Zuschauer der kommenden Ereignisse zu bleiben. Alle Gerüchte,
welche diesen Standpunkt antasteten, wurden fleißig demcntirt. Am 22. Mai
berichtigte das ministerielle Blatt die in der preußischen Presse aufgetretene


Ludwig Reinhard, eines wegen seiner Ausdauer im Parlament seines Amtes
entsetzten und auch noch später viel verfolgten Mannes, der, aus Rostock auf
Betrieb des Ministeriums ausgewiesen, seit einigen Jahren Mecklenburg ver¬
lassen und in Koburg seinen Wohnsitz genommen hat. Wenn dieser Name im
„Norddeutschen Korrespondenten" mit'dem des Grafen Vismarck zusammen¬
gestellt und in einem „Bismarck und Reinhard" überschriebenen Artikel zur
Persiflirung des bismarckschen Antrags verwandt wurde, so weiß man in Meck¬
lenburg, daß das ministerielle Blatt damit diesen Antrag als etwas über alles
Maß Verächtliches und gänzlich Verwerfliches bezeichnen wollte. Ein anderer
Artikel über das Parlament in derselben Nummer des Blattes schloß mit den
Worten: „Wir halten ein aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenes deutsches
Parlament als Repräsentation des deutschen Volkes bei der Executivbehörde
des deutschen Bundes zu Frankfurt a. M. für ein Unding, wobei wir darauf,
ob der Modus der Wahl zu einer solchen Versammlung der indirecte oder der
directe sei, geringes Gewicht legen. Wie auch der Wahlmodus sei, über das
Ergebniß der Wahl kann unter den jetzigen Umständen kaum ein Zweifel be¬
stehen." Auch noch im Mai fuhr das ministerielle Blatt fort, das Parlament
zu bekämpfen, weil es den Zweck habe, den der Einheit widerstrebenden Par-
ticulansmus zu brechen. „Wir wollen diesen Zweck nicht," bemerkte es, „also
auch nicht das Mittel. Für uns ist daher ein deutsches Parlament nicht Von¬
nöthen. Auch ist dasselbe zu der deutschen Bundesreform an sich nicht erfor¬
derlich, sondern nur zur Durchsetzung einer bestimmten Bundesreform, die von
bestimmter Seite gewollt wird."

Indessen mochte das Blatt im weiteren Verlauf der Dinge doch vor den
Konsequenzen einer fortgesetzten Opposition gegen Preußen etwas erschrecken,
und fand es gerathen zu erklären, daß das von ihm aufgestellte politische Pro¬
gramm nicht von der Regierung inspirirt sei, wobei nur räthselhaft war, wie
ein aus großherzoglicher Kasse unterhaltenes Blatt und ein Ministenalbeamter,
welcher mit der Wahrung der Negierungsintercssen in der Presse beauftragt ist,
auf eigene Faust Politik treiben und eine Stellung zu den Tagesfragen ein¬
nehmen dürfen, welche mit der ihrer Committenten nicht harmonirt.

In den letzten Wochen des Mai erkannte die Regierung es für geboten,
die Politik der Neutralität zu proclamiren. Das ministerielle Blatt mußte
jetzt über die schwebende politische Frage schweigen und durch Begünstigung der
programmmäßigen Ausführung aller an verschiedenen mecklenburgischen Orten
projectirten Sänger-, Schützen- und Turuerfeste suchte man von oben den Ein¬
druck zu erwecken, als ob Mecklenburg unter allen Umständen entschlossen sei,
ein harmloser Zuschauer der kommenden Ereignisse zu bleiben. Alle Gerüchte,
welche diesen Standpunkt antasteten, wurden fleißig demcntirt. Am 22. Mai
berichtigte das ministerielle Blatt die in der preußischen Presse aufgetretene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/22>, abgerufen am 30.06.2024.