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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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einen großen Theil ihrer Patronenwagen und Taschen verloren haben. --
Aber wenn es wahr ist, was preußischerseits actenmäßig behauptet wird, wie
es nie vorgekommen sei, daß eine Infanterie sich verschossen hat, so muß
zugegeben werden, daß nicht das Gewehr, sondern der Mann die Hauptsache
bildete. Die vorzügliche Ausbildung, welche der preußische Soldat auf dem
Schießstand genossen, welche ihn zum Schütten machte und ihm volles Vertrauen in
sein Gewehr gab, das war es, was ihn ruhig erhielt, wenn der Gegner wie
rasend auftürmte, und die auch den schnell abgegebenen Schuß zum Treffer
machte; dieselbe Gewöhnung war es, welche Tirailleurlinien beim Anprallen
feindlicher Cavalericmassen von jeder künstlichen taktischen Form abhielt und die
Kugel für hinreichend erachtete, den Gegner abzuweisen. Es ist nicht vorgekommen,
daß die preußische Infanterie gegen feindliche Cavalerieangriffe Carr6 formirt
hätte. Hat man östreichische und französische Infanterie auf dem Schießstand
gesehen, wo Treffen eine Seltenheit war, so kann man behaupten, daß das beste
Gewehr in solchen Händen eine schlechte Waffe und das Bajonnet, das bei
wirklichem Gebrauch immer trifft, besser ist. -- Das gute Treffen, nicht das
Schnellfeuer hat den Oestreichern die kolossalen Verluste in der Schlacht bei
Königsgrätz zugefügt, wo die Preußen fast durchweg die Angreifer waren und
nur den fünften Theil so viel Leute verloren als ihre Gegner. Die Treffen
bei Nachod und Trauten"", am 27, Juni, die beiden ersten ringenden Gefechte
beider Armeen (das fünfte und erste preußische gegen das sechste und zehnte
östreichische Corps), versetzten die Preußen in die Defensive, und hier war frei¬
lich der Verlust der Oestreicher auf den entscheidenden Punkten achtmal so groß
als beim Gegner. Grade diese kolossalen Mißverhältnisse geben aber den Be¬
weis, wie gut die Preußen trafen, denn die Schnelligkeit des Schusses beim
östreichischen Gewehr gegen das preußische verhält sich nur wie 2 zu 6. --
Warum haben die Sachsen nicht im gleichen Verhältnisse wie die Oestreicher
verloren? nur weil sie besser schössen wie diese. Aehnlich verhält es sich bei den
süddeutschen Truppen. Wenn erst alle Zahlen genau bekannt sind, wird sich die
ganze Wahrheit obiger Behauptungen offenbaren. -- In der Artillerie war die
östreichische Armee mit der Trefffähigkeit im Vorzuge, denn sie zahlte bei einem
Armeecorps 80 gezogene Geschütze, während ein preußisches Corps nur 48
gezogene und 48 nicht gezogene hatte. Dies hat sich denn auch bei der großen
Präcision, mit welcher die Oestreicher schössen und bei dem sehr vorwiegenden
Gebrauch, welchen sie bei jeder Schlacht, schon im ersten Augenblicke, von der
Artillerie machten, sehr zu ihrem Vortheil zur Geltung gebracht. Nur ist nach
preußischen Erzählungen allgemein aufgefallen, wie selten die östreichischen Hohl¬
geschosse platzten. Daß die preußischen gezogenen Geschütze weniger gute Er¬
folge gehabt, wie östreichische Berichte sagen, ist nicht zu glauben, da die Preußen
mehrfach bekunden, daß man an der schärfern Wirkung jedesmal die sächsischen


einen großen Theil ihrer Patronenwagen und Taschen verloren haben. —
Aber wenn es wahr ist, was preußischerseits actenmäßig behauptet wird, wie
es nie vorgekommen sei, daß eine Infanterie sich verschossen hat, so muß
zugegeben werden, daß nicht das Gewehr, sondern der Mann die Hauptsache
bildete. Die vorzügliche Ausbildung, welche der preußische Soldat auf dem
Schießstand genossen, welche ihn zum Schütten machte und ihm volles Vertrauen in
sein Gewehr gab, das war es, was ihn ruhig erhielt, wenn der Gegner wie
rasend auftürmte, und die auch den schnell abgegebenen Schuß zum Treffer
machte; dieselbe Gewöhnung war es, welche Tirailleurlinien beim Anprallen
feindlicher Cavalericmassen von jeder künstlichen taktischen Form abhielt und die
Kugel für hinreichend erachtete, den Gegner abzuweisen. Es ist nicht vorgekommen,
daß die preußische Infanterie gegen feindliche Cavalerieangriffe Carr6 formirt
hätte. Hat man östreichische und französische Infanterie auf dem Schießstand
gesehen, wo Treffen eine Seltenheit war, so kann man behaupten, daß das beste
Gewehr in solchen Händen eine schlechte Waffe und das Bajonnet, das bei
wirklichem Gebrauch immer trifft, besser ist. — Das gute Treffen, nicht das
Schnellfeuer hat den Oestreichern die kolossalen Verluste in der Schlacht bei
Königsgrätz zugefügt, wo die Preußen fast durchweg die Angreifer waren und
nur den fünften Theil so viel Leute verloren als ihre Gegner. Die Treffen
bei Nachod und Trauten«», am 27, Juni, die beiden ersten ringenden Gefechte
beider Armeen (das fünfte und erste preußische gegen das sechste und zehnte
östreichische Corps), versetzten die Preußen in die Defensive, und hier war frei¬
lich der Verlust der Oestreicher auf den entscheidenden Punkten achtmal so groß
als beim Gegner. Grade diese kolossalen Mißverhältnisse geben aber den Be¬
weis, wie gut die Preußen trafen, denn die Schnelligkeit des Schusses beim
östreichischen Gewehr gegen das preußische verhält sich nur wie 2 zu 6. —
Warum haben die Sachsen nicht im gleichen Verhältnisse wie die Oestreicher
verloren? nur weil sie besser schössen wie diese. Aehnlich verhält es sich bei den
süddeutschen Truppen. Wenn erst alle Zahlen genau bekannt sind, wird sich die
ganze Wahrheit obiger Behauptungen offenbaren. — In der Artillerie war die
östreichische Armee mit der Trefffähigkeit im Vorzuge, denn sie zahlte bei einem
Armeecorps 80 gezogene Geschütze, während ein preußisches Corps nur 48
gezogene und 48 nicht gezogene hatte. Dies hat sich denn auch bei der großen
Präcision, mit welcher die Oestreicher schössen und bei dem sehr vorwiegenden
Gebrauch, welchen sie bei jeder Schlacht, schon im ersten Augenblicke, von der
Artillerie machten, sehr zu ihrem Vortheil zur Geltung gebracht. Nur ist nach
preußischen Erzählungen allgemein aufgefallen, wie selten die östreichischen Hohl¬
geschosse platzten. Daß die preußischen gezogenen Geschütze weniger gute Er¬
folge gehabt, wie östreichische Berichte sagen, ist nicht zu glauben, da die Preußen
mehrfach bekunden, daß man an der schärfern Wirkung jedesmal die sächsischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/227>, abgerufen am 02.07.2024.