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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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deutung der preußischen Landwehrofsiziere. Ihnen mangelt militärische Schule,
jene Sicherheit in der Handhabung der Disciplin, welche die Lebenslust einer
guten Truppe bildet, aber sie besitzen das Ehrgefühl lieber zu sterben als ver¬
ächtlich zu sein, sie gestehen dem Linienoffizier jeden militärischen Vorrang
zu. nur nicht den des Muthes und sie behaupten im Moment der Gefahr das
Uebergewicht des Geistes, welches ihnen ihre Bildung gewährt und das sie in
den einfachen Verhältnissen eines Gefechts vollständig zu Führern ihrer Mann¬
schaft befähigt. In den Stellungen, in denen das militärische Können immer
mehr zur Hauptsache wird, verschwinden sie, da sie im kräftigsten Mannesalter
aus den Dienstverpflichtungen scheiden. Aber der Landwehrosfizier bildet eine
so vorzügliche Ergänzung des preußischen Offiziercorps im Fall eines Kriege",
wie keine Armee Europas aufweisen kann. Die östreichische Armee sowohl wie
die kleineren deutschen Kontingente müssen, um für den Fall eines Krieges über
die nothwendige Zahl von Offizieren disponiren zu können, schon im Frieden
die Kriegszahl vollzählig haben. Die im Frieden zuweilen inhaltarme und
schlecht bezahlte Charge eines Subalternoffiziers muß demnach in so großer
Zahl vorhanden sein, daß einerseits der Frieden keine Beschäftigung für sie
bietet und daß, wenn man das Avancement nach der Tour stattfinden ließe,
nur im Müßiggang oder doch nur in geistesleerer Beschäftigung groß gewordene
Menschen, also vorzeitige Greise, zu den höheren Chargen gelangen würden. Bei
solchen Aussichten erhält man aber aus den bessern Ständen kein genügendes Ma¬
terial und solche Genetale würden der Verderb einer Truppe sein. Die östreichische
Armee hat deshalb zwei verschiedene Elemente in ihrem Offiziercorps, solche, die
aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen sind und nicht über die untern
Chargen fortkommen und solche, welche den höhern Ständen angehören und, je
nach ihrer Geburt, die obersten Stellen im Heere erreichen. In Preußen da¬
gegen existirt nur ein einziges, gleichberechtigtes Offiziercorps, an welches, ob
Linie, ob Landwehr, von vornherein Ansprüche der äußern und innern Bildung
gemacht werden und das also, so frei wie außer dem englischen kein anderes,
das Gesetz der Ehre zur unabänderlichen Richtschnur seiner Handlungen machen
kann. Und dieses sichere Ehrgefühl macht den preußischen Offizier nicht nur
zu einem Vorbild in der Schlacht, sondern auch zu einem pflichtgetreuen Mann
und vor andern zum wärmsten Vertreter und Pfleger der Interessen seiner
Leute. Es ist eine Lust für jeden alten Soldaten, durch die Lazarethe zu gehen
und zu hören, wie der Preuße, wenn er auf seinem Lager durch die Erzählung
warm wird, von seinem Hauptmann oder Lieutenant spricht, kein Oestreicher,
Bayer, Würtenberger u. s. w. schlägt auch nur entfernt einen gleichen Ton an.
Wer in den europäischen Heeren auch nur etwas bekannt ist, wird zugeben, daß
im Ganzen betrachtet nirgends der Offizier mit dem gemeinen Mann durch ein
solch festes Band des Vertrauens verknüpft ist. wie in der preußischen Armee,


deutung der preußischen Landwehrofsiziere. Ihnen mangelt militärische Schule,
jene Sicherheit in der Handhabung der Disciplin, welche die Lebenslust einer
guten Truppe bildet, aber sie besitzen das Ehrgefühl lieber zu sterben als ver¬
ächtlich zu sein, sie gestehen dem Linienoffizier jeden militärischen Vorrang
zu. nur nicht den des Muthes und sie behaupten im Moment der Gefahr das
Uebergewicht des Geistes, welches ihnen ihre Bildung gewährt und das sie in
den einfachen Verhältnissen eines Gefechts vollständig zu Führern ihrer Mann¬
schaft befähigt. In den Stellungen, in denen das militärische Können immer
mehr zur Hauptsache wird, verschwinden sie, da sie im kräftigsten Mannesalter
aus den Dienstverpflichtungen scheiden. Aber der Landwehrosfizier bildet eine
so vorzügliche Ergänzung des preußischen Offiziercorps im Fall eines Kriege«,
wie keine Armee Europas aufweisen kann. Die östreichische Armee sowohl wie
die kleineren deutschen Kontingente müssen, um für den Fall eines Krieges über
die nothwendige Zahl von Offizieren disponiren zu können, schon im Frieden
die Kriegszahl vollzählig haben. Die im Frieden zuweilen inhaltarme und
schlecht bezahlte Charge eines Subalternoffiziers muß demnach in so großer
Zahl vorhanden sein, daß einerseits der Frieden keine Beschäftigung für sie
bietet und daß, wenn man das Avancement nach der Tour stattfinden ließe,
nur im Müßiggang oder doch nur in geistesleerer Beschäftigung groß gewordene
Menschen, also vorzeitige Greise, zu den höheren Chargen gelangen würden. Bei
solchen Aussichten erhält man aber aus den bessern Ständen kein genügendes Ma¬
terial und solche Genetale würden der Verderb einer Truppe sein. Die östreichische
Armee hat deshalb zwei verschiedene Elemente in ihrem Offiziercorps, solche, die
aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen sind und nicht über die untern
Chargen fortkommen und solche, welche den höhern Ständen angehören und, je
nach ihrer Geburt, die obersten Stellen im Heere erreichen. In Preußen da¬
gegen existirt nur ein einziges, gleichberechtigtes Offiziercorps, an welches, ob
Linie, ob Landwehr, von vornherein Ansprüche der äußern und innern Bildung
gemacht werden und das also, so frei wie außer dem englischen kein anderes,
das Gesetz der Ehre zur unabänderlichen Richtschnur seiner Handlungen machen
kann. Und dieses sichere Ehrgefühl macht den preußischen Offizier nicht nur
zu einem Vorbild in der Schlacht, sondern auch zu einem pflichtgetreuen Mann
und vor andern zum wärmsten Vertreter und Pfleger der Interessen seiner
Leute. Es ist eine Lust für jeden alten Soldaten, durch die Lazarethe zu gehen
und zu hören, wie der Preuße, wenn er auf seinem Lager durch die Erzählung
warm wird, von seinem Hauptmann oder Lieutenant spricht, kein Oestreicher,
Bayer, Würtenberger u. s. w. schlägt auch nur entfernt einen gleichen Ton an.
Wer in den europäischen Heeren auch nur etwas bekannt ist, wird zugeben, daß
im Ganzen betrachtet nirgends der Offizier mit dem gemeinen Mann durch ein
solch festes Band des Vertrauens verknüpft ist. wie in der preußischen Armee,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/225>, abgerufen am 02.07.2024.