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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Völkerschaften, welche am stärksten in der östreichischen Armee vertreten sind;
dazu kommt ein im Ganzen viel wohlhabenderer, also viel besser genährter
Bauernstand in Preußen als in Oestreich, endlich bringt der gebildete Theil der
preußischen Soldaten mit seiner im Verhältniß zur Masse stahlartigen Kraft
noch die geistige Fähigkeit mit, den Fatiguen Trotz zu bieten. -- Wer östreichische
und preußische Infanterie hat marschiren sehen, dem muß der elastische, rasche
Gang der Preußen gegen die gemessenen und resignirten Bewegungen der
Oestreicher aufgefallen sein. Wer eins der Lazarethe besucht hat. in welchen
Oestreicher und Preußen sich in gleichen Kleidern bewegten, der brauchte keinen
nach seiner Nationalität zu fragen, er konnte an der Apathie der Züge in dem
einen den Oestreicher, an dem sprechenden Auge den Preußen erkennen. Wer
nach beendigter Schlacht über das Feld ging, der soll am Schreien und Win¬
seln die Oestreicher erkannt haben, während die Preußen mit seltenen Aus¬
nahmen still dalagen.

Nicht in so bedeutendem innerlichen Gegensatz standen die Bayern. Würten-
berger und Badenser, am wenigsten die Sachsen und so war denn auch das
Ringen mit diesen Truppen in gleichem Verhältniß ein schärferes, intensiveres
und es wäre der preußischen Mainarmee nicht so leicht geworden ihre Erfolge
zu erreichen, wenn die Führung bei jenen Truppen eine bessere gewesen wäre,
wenn die Güte des Offiziercorps der süddeutschen Truppen nur in gleichem
Verhältniß zu dem preußischen gestanden hätte, wie der Menschenschlag, aus
welchem die Truppen hervorgegangen.

Das preußische Offiziercorps ist in seinem Vaterlande vor dem Kriege viele
Jahre als das personificirte Junkerthum angesehen und deshalb vielfach ange¬
feindet worden, auf der andern Seite sahen die Offiziere in dem Volke, welches
im Kampf um die Verfassung, dessen Kernpunkt die Armeereorganisation war,
sich der Regierung gegenübergestellt hatte, ihre persönlichen Gegner. Wie der
Krieg den Verfassungsconflict gelöst, so hat er auch den Gegensatz zwischen
Bürger und Offizier aufgehoben. Jeder hat den Werth des Andern kennen und
die Zusammengehörigkeit fühlen gelernt und in nichts hat sich diese Versöhnung
öffentlich herzlicher ausgedrückt, als in den Friedensfeierlichkeiten. Denn das
Vaterland ist wieder als der Berechtigte in den Vordergrund getreten, dem
alle angehören und für welches der Eine sein Blut, der Andre sein Gut ein¬
gesetzt hat. Preußen ist keine Phrase, so daß bei dem Ruf: "Hoch das Vater-
land!" sich der König und der Knecht als Brüder empfinden. Das preußische
Offiziercorps besteht, wie bekannt, im Kriege aus zwei Kategorien. Offizieren
der Landwehr und der Linie. Während die letzteren in der Mehrzahl aus dem
Adel des Landes hervorgehen, gehört die erstere Classe theils diesem, theils der
besitzenden Classe von Stadt und Land, in der Mehrzahl aber dem Beamten¬
stande an. Keinem fehlt ein höherer Bildungsgrad; und darin liegt die Be-


Völkerschaften, welche am stärksten in der östreichischen Armee vertreten sind;
dazu kommt ein im Ganzen viel wohlhabenderer, also viel besser genährter
Bauernstand in Preußen als in Oestreich, endlich bringt der gebildete Theil der
preußischen Soldaten mit seiner im Verhältniß zur Masse stahlartigen Kraft
noch die geistige Fähigkeit mit, den Fatiguen Trotz zu bieten. — Wer östreichische
und preußische Infanterie hat marschiren sehen, dem muß der elastische, rasche
Gang der Preußen gegen die gemessenen und resignirten Bewegungen der
Oestreicher aufgefallen sein. Wer eins der Lazarethe besucht hat. in welchen
Oestreicher und Preußen sich in gleichen Kleidern bewegten, der brauchte keinen
nach seiner Nationalität zu fragen, er konnte an der Apathie der Züge in dem
einen den Oestreicher, an dem sprechenden Auge den Preußen erkennen. Wer
nach beendigter Schlacht über das Feld ging, der soll am Schreien und Win¬
seln die Oestreicher erkannt haben, während die Preußen mit seltenen Aus¬
nahmen still dalagen.

Nicht in so bedeutendem innerlichen Gegensatz standen die Bayern. Würten-
berger und Badenser, am wenigsten die Sachsen und so war denn auch das
Ringen mit diesen Truppen in gleichem Verhältniß ein schärferes, intensiveres
und es wäre der preußischen Mainarmee nicht so leicht geworden ihre Erfolge
zu erreichen, wenn die Führung bei jenen Truppen eine bessere gewesen wäre,
wenn die Güte des Offiziercorps der süddeutschen Truppen nur in gleichem
Verhältniß zu dem preußischen gestanden hätte, wie der Menschenschlag, aus
welchem die Truppen hervorgegangen.

Das preußische Offiziercorps ist in seinem Vaterlande vor dem Kriege viele
Jahre als das personificirte Junkerthum angesehen und deshalb vielfach ange¬
feindet worden, auf der andern Seite sahen die Offiziere in dem Volke, welches
im Kampf um die Verfassung, dessen Kernpunkt die Armeereorganisation war,
sich der Regierung gegenübergestellt hatte, ihre persönlichen Gegner. Wie der
Krieg den Verfassungsconflict gelöst, so hat er auch den Gegensatz zwischen
Bürger und Offizier aufgehoben. Jeder hat den Werth des Andern kennen und
die Zusammengehörigkeit fühlen gelernt und in nichts hat sich diese Versöhnung
öffentlich herzlicher ausgedrückt, als in den Friedensfeierlichkeiten. Denn das
Vaterland ist wieder als der Berechtigte in den Vordergrund getreten, dem
alle angehören und für welches der Eine sein Blut, der Andre sein Gut ein¬
gesetzt hat. Preußen ist keine Phrase, so daß bei dem Ruf: „Hoch das Vater-
land!" sich der König und der Knecht als Brüder empfinden. Das preußische
Offiziercorps besteht, wie bekannt, im Kriege aus zwei Kategorien. Offizieren
der Landwehr und der Linie. Während die letzteren in der Mehrzahl aus dem
Adel des Landes hervorgehen, gehört die erstere Classe theils diesem, theils der
besitzenden Classe von Stadt und Land, in der Mehrzahl aber dem Beamten¬
stande an. Keinem fehlt ein höherer Bildungsgrad; und darin liegt die Be-


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[0224] Völkerschaften, welche am stärksten in der östreichischen Armee vertreten sind; dazu kommt ein im Ganzen viel wohlhabenderer, also viel besser genährter Bauernstand in Preußen als in Oestreich, endlich bringt der gebildete Theil der preußischen Soldaten mit seiner im Verhältniß zur Masse stahlartigen Kraft noch die geistige Fähigkeit mit, den Fatiguen Trotz zu bieten. — Wer östreichische und preußische Infanterie hat marschiren sehen, dem muß der elastische, rasche Gang der Preußen gegen die gemessenen und resignirten Bewegungen der Oestreicher aufgefallen sein. Wer eins der Lazarethe besucht hat. in welchen Oestreicher und Preußen sich in gleichen Kleidern bewegten, der brauchte keinen nach seiner Nationalität zu fragen, er konnte an der Apathie der Züge in dem einen den Oestreicher, an dem sprechenden Auge den Preußen erkennen. Wer nach beendigter Schlacht über das Feld ging, der soll am Schreien und Win¬ seln die Oestreicher erkannt haben, während die Preußen mit seltenen Aus¬ nahmen still dalagen. Nicht in so bedeutendem innerlichen Gegensatz standen die Bayern. Würten- berger und Badenser, am wenigsten die Sachsen und so war denn auch das Ringen mit diesen Truppen in gleichem Verhältniß ein schärferes, intensiveres und es wäre der preußischen Mainarmee nicht so leicht geworden ihre Erfolge zu erreichen, wenn die Führung bei jenen Truppen eine bessere gewesen wäre, wenn die Güte des Offiziercorps der süddeutschen Truppen nur in gleichem Verhältniß zu dem preußischen gestanden hätte, wie der Menschenschlag, aus welchem die Truppen hervorgegangen. Das preußische Offiziercorps ist in seinem Vaterlande vor dem Kriege viele Jahre als das personificirte Junkerthum angesehen und deshalb vielfach ange¬ feindet worden, auf der andern Seite sahen die Offiziere in dem Volke, welches im Kampf um die Verfassung, dessen Kernpunkt die Armeereorganisation war, sich der Regierung gegenübergestellt hatte, ihre persönlichen Gegner. Wie der Krieg den Verfassungsconflict gelöst, so hat er auch den Gegensatz zwischen Bürger und Offizier aufgehoben. Jeder hat den Werth des Andern kennen und die Zusammengehörigkeit fühlen gelernt und in nichts hat sich diese Versöhnung öffentlich herzlicher ausgedrückt, als in den Friedensfeierlichkeiten. Denn das Vaterland ist wieder als der Berechtigte in den Vordergrund getreten, dem alle angehören und für welches der Eine sein Blut, der Andre sein Gut ein¬ gesetzt hat. Preußen ist keine Phrase, so daß bei dem Ruf: „Hoch das Vater- land!" sich der König und der Knecht als Brüder empfinden. Das preußische Offiziercorps besteht, wie bekannt, im Kriege aus zwei Kategorien. Offizieren der Landwehr und der Linie. Während die letzteren in der Mehrzahl aus dem Adel des Landes hervorgehen, gehört die erstere Classe theils diesem, theils der besitzenden Classe von Stadt und Land, in der Mehrzahl aber dem Beamten¬ stande an. Keinem fehlt ein höherer Bildungsgrad; und darin liegt die Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/224>, abgerufen am 02.07.2024.