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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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in der östreichischen militärischen Zeitschrift, daß bei Königsgrcitz die östreichischen
Batterien, die auf weite Ziele wirksam schössen, durch preußische Tirailleurlinien,
welche plötzlich auf 100 Schritt vor ihnen auftauchten, überrascht, durch rasches
Feuer ihrer Bedienungsmannschaften meist beraubt und dann im Sturm genom¬
men wurden, so zeugt dies von einem Feuereifer des preußischen Soldaten, wie
ihn nur innerster Mannesmuth des Einzelnen hervorrufen kann und wie er in
ungebildeten Massen nie zu finden ist.

Die von den Franzosen 1859 angewandte Taktik, welche Napoleon in
seinem Armeebefehl bei Beginn des Krieges mit folgenden einfachen Worten
charakterisirt: "Die neuen gezogenen Waffen sind nur gefährlich, so lange ihr
ihnen fern bleibt; sie werden nicht hindern können, daß das Ba.jonnet wie
sonst die furchtbare Waffe der französischen Infanterie bleibe," -- diese Taktik
hatten die Oestreicher zum Muster genommen und griffen die preußischen Tirailleur¬
linien in großer Nähe mit dem Bajonnete an. Die Preußen flohen aber nicht
vor den wüthenden Stürmen, sondern standen ruhig, zielten und gaben ihr
Feuer ab. Nicht ein einziges Mal ist zu lesen, daß ein solcher Effect von den
Oestreichern erreicht worden wäre. Stehen und richtig Feuern ist aber die
Hauptbedingung des Treffens und spricht zunächst für den einzelnen Soldaten
und dann erst für die Waffe. -- Sehen wir von der Infanterie ab, wo die
Waffe allerdings dem preußischen Soldaten ein großes Uebergewicht gab und
suchen wir Beispiele bei der Cavalerie, die ja bis dahin bei den Oestreichern
immer als besser galt, so findet man zwar in den östreichischen Berichten eine
Menge Erzählungen, daß sie die preußische Cavalerie regelrecht geschlagen habe,
wo sie zusammengetroffen, aber nirgends, so viel Mühe man sich giebt, sind
Beweise des Erfolges aufgeführt, während mannigfach östreichische Standarten
durch Handgemenge der Cavalerie in die Hände der Preußen gekommen sind.
Man wird dadurch gezwungen, den Berichten der letzteren zu glauben, daß sie
bei gleicher Zahl immer Sieger geblieben sind. Da der östreichische
Cavalerist fast volle sieben Jahre bei der Fahne dient und anerkannt gut ge¬
schult ist, so kommt man nothgedrungen zu dem Schluß, nicht daß der östreichische
Cavalerist weniger Muth gezeigt hat, sondern daß die größere Intelligenz mitten
im Kampf, in dem Drange der Gefahr zur Geltung kam und sogar die bessere
Vorbildung des Gegners überwand. Einen Beweis für den beiderseitigen Muth
in diesem Kriege muß jeder erfahrene Soldat darin finden, daß die Cavalerie
bei allen Gelegenheiten in einander gekommen ist und sich tüchtig gerauft hat,
während es sonst in der Regel vorkam, daß der eine sich innerlich schwächer
fühlende Theil vor dem Zusammenprall Kehrt machte. Noch ein Moment muß
erwähnt werden, worin sich die Verschiedenheit des östreichischen und des preu¬
ßischen Heeres sehr deutlich ausspricht, das ist die Körperkraft. Der Deutsche
und zumal der norddeutsche ist von Natur kräftiger und größer als die slavischen


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in der östreichischen militärischen Zeitschrift, daß bei Königsgrcitz die östreichischen
Batterien, die auf weite Ziele wirksam schössen, durch preußische Tirailleurlinien,
welche plötzlich auf 100 Schritt vor ihnen auftauchten, überrascht, durch rasches
Feuer ihrer Bedienungsmannschaften meist beraubt und dann im Sturm genom¬
men wurden, so zeugt dies von einem Feuereifer des preußischen Soldaten, wie
ihn nur innerster Mannesmuth des Einzelnen hervorrufen kann und wie er in
ungebildeten Massen nie zu finden ist.

Die von den Franzosen 1859 angewandte Taktik, welche Napoleon in
seinem Armeebefehl bei Beginn des Krieges mit folgenden einfachen Worten
charakterisirt: „Die neuen gezogenen Waffen sind nur gefährlich, so lange ihr
ihnen fern bleibt; sie werden nicht hindern können, daß das Ba.jonnet wie
sonst die furchtbare Waffe der französischen Infanterie bleibe," — diese Taktik
hatten die Oestreicher zum Muster genommen und griffen die preußischen Tirailleur¬
linien in großer Nähe mit dem Bajonnete an. Die Preußen flohen aber nicht
vor den wüthenden Stürmen, sondern standen ruhig, zielten und gaben ihr
Feuer ab. Nicht ein einziges Mal ist zu lesen, daß ein solcher Effect von den
Oestreichern erreicht worden wäre. Stehen und richtig Feuern ist aber die
Hauptbedingung des Treffens und spricht zunächst für den einzelnen Soldaten
und dann erst für die Waffe. — Sehen wir von der Infanterie ab, wo die
Waffe allerdings dem preußischen Soldaten ein großes Uebergewicht gab und
suchen wir Beispiele bei der Cavalerie, die ja bis dahin bei den Oestreichern
immer als besser galt, so findet man zwar in den östreichischen Berichten eine
Menge Erzählungen, daß sie die preußische Cavalerie regelrecht geschlagen habe,
wo sie zusammengetroffen, aber nirgends, so viel Mühe man sich giebt, sind
Beweise des Erfolges aufgeführt, während mannigfach östreichische Standarten
durch Handgemenge der Cavalerie in die Hände der Preußen gekommen sind.
Man wird dadurch gezwungen, den Berichten der letzteren zu glauben, daß sie
bei gleicher Zahl immer Sieger geblieben sind. Da der östreichische
Cavalerist fast volle sieben Jahre bei der Fahne dient und anerkannt gut ge¬
schult ist, so kommt man nothgedrungen zu dem Schluß, nicht daß der östreichische
Cavalerist weniger Muth gezeigt hat, sondern daß die größere Intelligenz mitten
im Kampf, in dem Drange der Gefahr zur Geltung kam und sogar die bessere
Vorbildung des Gegners überwand. Einen Beweis für den beiderseitigen Muth
in diesem Kriege muß jeder erfahrene Soldat darin finden, daß die Cavalerie
bei allen Gelegenheiten in einander gekommen ist und sich tüchtig gerauft hat,
während es sonst in der Regel vorkam, daß der eine sich innerlich schwächer
fühlende Theil vor dem Zusammenprall Kehrt machte. Noch ein Moment muß
erwähnt werden, worin sich die Verschiedenheit des östreichischen und des preu¬
ßischen Heeres sehr deutlich ausspricht, das ist die Körperkraft. Der Deutsche
und zumal der norddeutsche ist von Natur kräftiger und größer als die slavischen


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[0223] in der östreichischen militärischen Zeitschrift, daß bei Königsgrcitz die östreichischen Batterien, die auf weite Ziele wirksam schössen, durch preußische Tirailleurlinien, welche plötzlich auf 100 Schritt vor ihnen auftauchten, überrascht, durch rasches Feuer ihrer Bedienungsmannschaften meist beraubt und dann im Sturm genom¬ men wurden, so zeugt dies von einem Feuereifer des preußischen Soldaten, wie ihn nur innerster Mannesmuth des Einzelnen hervorrufen kann und wie er in ungebildeten Massen nie zu finden ist. Die von den Franzosen 1859 angewandte Taktik, welche Napoleon in seinem Armeebefehl bei Beginn des Krieges mit folgenden einfachen Worten charakterisirt: „Die neuen gezogenen Waffen sind nur gefährlich, so lange ihr ihnen fern bleibt; sie werden nicht hindern können, daß das Ba.jonnet wie sonst die furchtbare Waffe der französischen Infanterie bleibe," — diese Taktik hatten die Oestreicher zum Muster genommen und griffen die preußischen Tirailleur¬ linien in großer Nähe mit dem Bajonnete an. Die Preußen flohen aber nicht vor den wüthenden Stürmen, sondern standen ruhig, zielten und gaben ihr Feuer ab. Nicht ein einziges Mal ist zu lesen, daß ein solcher Effect von den Oestreichern erreicht worden wäre. Stehen und richtig Feuern ist aber die Hauptbedingung des Treffens und spricht zunächst für den einzelnen Soldaten und dann erst für die Waffe. — Sehen wir von der Infanterie ab, wo die Waffe allerdings dem preußischen Soldaten ein großes Uebergewicht gab und suchen wir Beispiele bei der Cavalerie, die ja bis dahin bei den Oestreichern immer als besser galt, so findet man zwar in den östreichischen Berichten eine Menge Erzählungen, daß sie die preußische Cavalerie regelrecht geschlagen habe, wo sie zusammengetroffen, aber nirgends, so viel Mühe man sich giebt, sind Beweise des Erfolges aufgeführt, während mannigfach östreichische Standarten durch Handgemenge der Cavalerie in die Hände der Preußen gekommen sind. Man wird dadurch gezwungen, den Berichten der letzteren zu glauben, daß sie bei gleicher Zahl immer Sieger geblieben sind. Da der östreichische Cavalerist fast volle sieben Jahre bei der Fahne dient und anerkannt gut ge¬ schult ist, so kommt man nothgedrungen zu dem Schluß, nicht daß der östreichische Cavalerist weniger Muth gezeigt hat, sondern daß die größere Intelligenz mitten im Kampf, in dem Drange der Gefahr zur Geltung kam und sogar die bessere Vorbildung des Gegners überwand. Einen Beweis für den beiderseitigen Muth in diesem Kriege muß jeder erfahrene Soldat darin finden, daß die Cavalerie bei allen Gelegenheiten in einander gekommen ist und sich tüchtig gerauft hat, während es sonst in der Regel vorkam, daß der eine sich innerlich schwächer fühlende Theil vor dem Zusammenprall Kehrt machte. Noch ein Moment muß erwähnt werden, worin sich die Verschiedenheit des östreichischen und des preu¬ ßischen Heeres sehr deutlich ausspricht, das ist die Körperkraft. Der Deutsche und zumal der norddeutsche ist von Natur kräftiger und größer als die slavischen 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/223>, abgerufen am 02.07.2024.