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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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findbaren Gegenständen. In den josephinirten Landen der Monarchie dagegen
haben die Klöster und Orden nur so viel an Grundbesitz, als einestheils zur
leiblichen Versorgung der Brüder nöthig ist, und anderntheils an Schmuck, was
gewissen Orten historisch ihre Anziehungskraft giebt, z. B. die kostbaren, auch
artistisch sehr werthvollen Madvnnengruppen zu Maria Eichel, mit großen herr¬
lichen Juwelen aus Glas. Besonders die in der That reichen Orden der Bene-
dictiner, Prämonstratenser u. s. w. haben ihr oft kolossales Vermögen in Staats¬
papieren; ja ihre weltlichen Agenten sind in der Börsenwelt bekannt als die
verwegensten und glücklichsten Spieler. Ein Klerus von solcher Macht und
Bedeutung, wie der in Oestreich, wäre ein ziemlich armseliges Wesen, hätte er
nichts'als einen Grundbesitz von 366 Millionen Werth -- noch dazu Werth
auf dem Papiere, denn wer die Grundbesitzverhältnisse Oestreichs kennt, der
weiß, wie geringe Realität gegenwärtig solche nominelle Werthe haben. Auch
Gesellschaften ungarischer Magnaten haben zusammen weit über 366 Millionen
Werth an Grundbesitz, und bemühen sich schon seit fünfzehn Jahren durch allerlei
Associationen davon was zu verkaufen, um baar Geld zu erlangen, -- haben
aber trotz allen Commissionsprämien noch keinen Morgen, weder im In- noch
im Auelande, an den Mann bringen können. Nebenbei bemerkt, Ungarn hat
23,749 große Grundbesitzer, von denen viele mehr Land als jene kleinen deut¬
schen Fürstenthümer haben, die einen Monarchen mit Hofstaat ernähren, während
der jährliche Reingewinn obgenanntcr großen und dazu der 2.013,684 kleineren
ungarischen Grundbesitzer zusammen blos auf 101,779,856 FI. geschätzt wird.
Solche Folgen hat eine Regierungsweise, wie sie in Oestreich seit drei Jahr¬
hunderten dauert.

So sieht denn die materielle Seite der Frage aus: man müßte Revolu¬
tionen hervorrufen, und das allerglucklichste Resultat wäre die Confiscation von
Gütern im Nominalwerth von ein paar hundert Millionen, deren Verkauf dem
Finanzminister noch mehr Kopfzerbrechen machen würde als der Verkauf der
Staatsdomänen.

Was aber die politische und nationale Seite der Frage betrifft, so sind
diese weitaus noch bedenklicher.

Die östreichische Regierung hat seit achtzehn Jahren nicht nur gegen den
Willen ihrer Völker, und ohne diese in ihrer Gesammtheit zu fragen, auf eigene
Faust hin über zwei Milliarden Schulden gemacht, sondern in, Gegentheil, sie
hat diese Gelder in der offen ausgesprochenen Absicht geliehen, ihre Völker zu
bändigen; die östreichische Regierung möge daher ihre Schulden selbst bezahlen,
Notabene, es ist hier ausdrücklich von der östreichischen Regierung, nicht vom
künftigen Könige von Ungarn die Rede; denn Ungarn hat selbst so wenig
Schulden, als sein König welche machen darf und kann. Was in Frage steht,
ist die östreichische Staatsschuld, da es eine andre nicht giebt.


findbaren Gegenständen. In den josephinirten Landen der Monarchie dagegen
haben die Klöster und Orden nur so viel an Grundbesitz, als einestheils zur
leiblichen Versorgung der Brüder nöthig ist, und anderntheils an Schmuck, was
gewissen Orten historisch ihre Anziehungskraft giebt, z. B. die kostbaren, auch
artistisch sehr werthvollen Madvnnengruppen zu Maria Eichel, mit großen herr¬
lichen Juwelen aus Glas. Besonders die in der That reichen Orden der Bene-
dictiner, Prämonstratenser u. s. w. haben ihr oft kolossales Vermögen in Staats¬
papieren; ja ihre weltlichen Agenten sind in der Börsenwelt bekannt als die
verwegensten und glücklichsten Spieler. Ein Klerus von solcher Macht und
Bedeutung, wie der in Oestreich, wäre ein ziemlich armseliges Wesen, hätte er
nichts'als einen Grundbesitz von 366 Millionen Werth — noch dazu Werth
auf dem Papiere, denn wer die Grundbesitzverhältnisse Oestreichs kennt, der
weiß, wie geringe Realität gegenwärtig solche nominelle Werthe haben. Auch
Gesellschaften ungarischer Magnaten haben zusammen weit über 366 Millionen
Werth an Grundbesitz, und bemühen sich schon seit fünfzehn Jahren durch allerlei
Associationen davon was zu verkaufen, um baar Geld zu erlangen, — haben
aber trotz allen Commissionsprämien noch keinen Morgen, weder im In- noch
im Auelande, an den Mann bringen können. Nebenbei bemerkt, Ungarn hat
23,749 große Grundbesitzer, von denen viele mehr Land als jene kleinen deut¬
schen Fürstenthümer haben, die einen Monarchen mit Hofstaat ernähren, während
der jährliche Reingewinn obgenanntcr großen und dazu der 2.013,684 kleineren
ungarischen Grundbesitzer zusammen blos auf 101,779,856 FI. geschätzt wird.
Solche Folgen hat eine Regierungsweise, wie sie in Oestreich seit drei Jahr¬
hunderten dauert.

So sieht denn die materielle Seite der Frage aus: man müßte Revolu¬
tionen hervorrufen, und das allerglucklichste Resultat wäre die Confiscation von
Gütern im Nominalwerth von ein paar hundert Millionen, deren Verkauf dem
Finanzminister noch mehr Kopfzerbrechen machen würde als der Verkauf der
Staatsdomänen.

Was aber die politische und nationale Seite der Frage betrifft, so sind
diese weitaus noch bedenklicher.

Die östreichische Regierung hat seit achtzehn Jahren nicht nur gegen den
Willen ihrer Völker, und ohne diese in ihrer Gesammtheit zu fragen, auf eigene
Faust hin über zwei Milliarden Schulden gemacht, sondern in, Gegentheil, sie
hat diese Gelder in der offen ausgesprochenen Absicht geliehen, ihre Völker zu
bändigen; die östreichische Regierung möge daher ihre Schulden selbst bezahlen,
Notabene, es ist hier ausdrücklich von der östreichischen Regierung, nicht vom
künftigen Könige von Ungarn die Rede; denn Ungarn hat selbst so wenig
Schulden, als sein König welche machen darf und kann. Was in Frage steht,
ist die östreichische Staatsschuld, da es eine andre nicht giebt.


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[0212] findbaren Gegenständen. In den josephinirten Landen der Monarchie dagegen haben die Klöster und Orden nur so viel an Grundbesitz, als einestheils zur leiblichen Versorgung der Brüder nöthig ist, und anderntheils an Schmuck, was gewissen Orten historisch ihre Anziehungskraft giebt, z. B. die kostbaren, auch artistisch sehr werthvollen Madvnnengruppen zu Maria Eichel, mit großen herr¬ lichen Juwelen aus Glas. Besonders die in der That reichen Orden der Bene- dictiner, Prämonstratenser u. s. w. haben ihr oft kolossales Vermögen in Staats¬ papieren; ja ihre weltlichen Agenten sind in der Börsenwelt bekannt als die verwegensten und glücklichsten Spieler. Ein Klerus von solcher Macht und Bedeutung, wie der in Oestreich, wäre ein ziemlich armseliges Wesen, hätte er nichts'als einen Grundbesitz von 366 Millionen Werth — noch dazu Werth auf dem Papiere, denn wer die Grundbesitzverhältnisse Oestreichs kennt, der weiß, wie geringe Realität gegenwärtig solche nominelle Werthe haben. Auch Gesellschaften ungarischer Magnaten haben zusammen weit über 366 Millionen Werth an Grundbesitz, und bemühen sich schon seit fünfzehn Jahren durch allerlei Associationen davon was zu verkaufen, um baar Geld zu erlangen, — haben aber trotz allen Commissionsprämien noch keinen Morgen, weder im In- noch im Auelande, an den Mann bringen können. Nebenbei bemerkt, Ungarn hat 23,749 große Grundbesitzer, von denen viele mehr Land als jene kleinen deut¬ schen Fürstenthümer haben, die einen Monarchen mit Hofstaat ernähren, während der jährliche Reingewinn obgenanntcr großen und dazu der 2.013,684 kleineren ungarischen Grundbesitzer zusammen blos auf 101,779,856 FI. geschätzt wird. Solche Folgen hat eine Regierungsweise, wie sie in Oestreich seit drei Jahr¬ hunderten dauert. So sieht denn die materielle Seite der Frage aus: man müßte Revolu¬ tionen hervorrufen, und das allerglucklichste Resultat wäre die Confiscation von Gütern im Nominalwerth von ein paar hundert Millionen, deren Verkauf dem Finanzminister noch mehr Kopfzerbrechen machen würde als der Verkauf der Staatsdomänen. Was aber die politische und nationale Seite der Frage betrifft, so sind diese weitaus noch bedenklicher. Die östreichische Regierung hat seit achtzehn Jahren nicht nur gegen den Willen ihrer Völker, und ohne diese in ihrer Gesammtheit zu fragen, auf eigene Faust hin über zwei Milliarden Schulden gemacht, sondern in, Gegentheil, sie hat diese Gelder in der offen ausgesprochenen Absicht geliehen, ihre Völker zu bändigen; die östreichische Regierung möge daher ihre Schulden selbst bezahlen, Notabene, es ist hier ausdrücklich von der östreichischen Regierung, nicht vom künftigen Könige von Ungarn die Rede; denn Ungarn hat selbst so wenig Schulden, als sein König welche machen darf und kann. Was in Frage steht, ist die östreichische Staatsschuld, da es eine andre nicht giebt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/212>, abgerufen am 02.07.2024.