Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen gleiche Unsterblichkeit verliehen werden als in den Schauspielen. Was
schwatze ich zu denen von Unsterblichkeit, die ja die wahren Ehrenabschneider selber
sind! Sie wissen, wenn sie todt sind, wird sie niemand für eine edle Handlung
auf die Bühne bringen, höchstens in einer Wucherer- und Teufelsposse u> s. w." .

Und solche Stellen sind nicht vereinzelt bei ihm, sein gelehrter Streit mit
Harwey über ein gleiches Thema ist bekannt. Thomas Nass also kann so
über Shakespeare nicht geurtheilt haben.

Aber vielleicht meint Herr Rümelin nicht diesen Thomas Nass. Es gab
ja in jener Zeit noch einen andern dieses Namens, aber dieser andere heira-
thete Shakespeares Enkelkind, wird also über seinen Großvater besser unterrichtet
gewesen sein -- vielleicht schrieb die citirten Worte ein Thomas, ohne Nass?
Und es ist richtig: über jenen Theaterbrand finden sich zwei Briefe vor von
Männern, deren einer mit Vornamen Thomas heißt und an einen Thomas
schreibt. Aber jene Stelle findet sich bei ihnen nicht. Wenigstens giebt Delius
Proben der Briefe und würde die Hauptsache nimmermehr weggelassen haben,
und was wesentlicher: die Erläuterer Shakespeares würden nicht solche Mühe
haben aufwenden müssen, um festzustellen, daß jener Heinreich der Achte Shake¬
speares Stück war, wenn bei jener Gelegenheit Shakespeare als Verfasser ge¬
nannt und beurtheilt wäre.

Doch London zählte zu Shakespeares Zeit noch andere Schrifsteller. Herr
Rümelin führt selbst einen andern an: Webster, Shakespeares Freund, der "von
Chapmans vollem und hohem Stil spreche, der Ben Jonson, Beaumont und
Fietcher Hochpreise" und der "Shakespeares Thätigkeit nur als eine ebenso glück¬
liche wie fruchtbringende erwähnt."

Aber außer Webster und Nass schrieben an der Wende des sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderts noch andere Engländer von ihrem großen Dichter;
möchten einige Proben ihrer Feder hier darthun, daß William Shakespeare auch
von seinen literarischen Zeitgenossen gewürdigt wurde.

In einer Epigrammensammlung von Weewer, die etwa in das Jahr 1S96
zu stellen ist, also in eine Zeit, wo Shakespeare erst etwa zehn Jahre als
Schriftsteller thätig und mehre seiner bedeutendsten Werke noch ungeschrieben
waren, finden wir die affectirt lobpreisenden Verse, die im Deutschen etwa
folgendermaßen lauten würden:


Menschen gleiche Unsterblichkeit verliehen werden als in den Schauspielen. Was
schwatze ich zu denen von Unsterblichkeit, die ja die wahren Ehrenabschneider selber
sind! Sie wissen, wenn sie todt sind, wird sie niemand für eine edle Handlung
auf die Bühne bringen, höchstens in einer Wucherer- und Teufelsposse u> s. w." .

Und solche Stellen sind nicht vereinzelt bei ihm, sein gelehrter Streit mit
Harwey über ein gleiches Thema ist bekannt. Thomas Nass also kann so
über Shakespeare nicht geurtheilt haben.

Aber vielleicht meint Herr Rümelin nicht diesen Thomas Nass. Es gab
ja in jener Zeit noch einen andern dieses Namens, aber dieser andere heira-
thete Shakespeares Enkelkind, wird also über seinen Großvater besser unterrichtet
gewesen sein — vielleicht schrieb die citirten Worte ein Thomas, ohne Nass?
Und es ist richtig: über jenen Theaterbrand finden sich zwei Briefe vor von
Männern, deren einer mit Vornamen Thomas heißt und an einen Thomas
schreibt. Aber jene Stelle findet sich bei ihnen nicht. Wenigstens giebt Delius
Proben der Briefe und würde die Hauptsache nimmermehr weggelassen haben,
und was wesentlicher: die Erläuterer Shakespeares würden nicht solche Mühe
haben aufwenden müssen, um festzustellen, daß jener Heinreich der Achte Shake¬
speares Stück war, wenn bei jener Gelegenheit Shakespeare als Verfasser ge¬
nannt und beurtheilt wäre.

Doch London zählte zu Shakespeares Zeit noch andere Schrifsteller. Herr
Rümelin führt selbst einen andern an: Webster, Shakespeares Freund, der „von
Chapmans vollem und hohem Stil spreche, der Ben Jonson, Beaumont und
Fietcher Hochpreise" und der „Shakespeares Thätigkeit nur als eine ebenso glück¬
liche wie fruchtbringende erwähnt."

Aber außer Webster und Nass schrieben an der Wende des sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderts noch andere Engländer von ihrem großen Dichter;
möchten einige Proben ihrer Feder hier darthun, daß William Shakespeare auch
von seinen literarischen Zeitgenossen gewürdigt wurde.

In einer Epigrammensammlung von Weewer, die etwa in das Jahr 1S96
zu stellen ist, also in eine Zeit, wo Shakespeare erst etwa zehn Jahre als
Schriftsteller thätig und mehre seiner bedeutendsten Werke noch ungeschrieben
waren, finden wir die affectirt lobpreisenden Verse, die im Deutschen etwa
folgendermaßen lauten würden:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286354"/>
          <p xml:id="ID_572" prev="#ID_571"> Menschen gleiche Unsterblichkeit verliehen werden als in den Schauspielen. Was<lb/>
schwatze ich zu denen von Unsterblichkeit, die ja die wahren Ehrenabschneider selber<lb/>
sind! Sie wissen, wenn sie todt sind, wird sie niemand für eine edle Handlung<lb/>
auf die Bühne bringen, höchstens in einer Wucherer- und Teufelsposse u&gt; s. w." .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_573"> Und solche Stellen sind nicht vereinzelt bei ihm, sein gelehrter Streit mit<lb/>
Harwey über ein gleiches Thema ist bekannt. Thomas Nass also kann so<lb/>
über Shakespeare nicht geurtheilt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_574"> Aber vielleicht meint Herr Rümelin nicht diesen Thomas Nass. Es gab<lb/>
ja in jener Zeit noch einen andern dieses Namens, aber dieser andere heira-<lb/>
thete Shakespeares Enkelkind, wird also über seinen Großvater besser unterrichtet<lb/>
gewesen sein &#x2014; vielleicht schrieb die citirten Worte ein Thomas, ohne Nass?<lb/>
Und es ist richtig: über jenen Theaterbrand finden sich zwei Briefe vor von<lb/>
Männern, deren einer mit Vornamen Thomas heißt und an einen Thomas<lb/>
schreibt. Aber jene Stelle findet sich bei ihnen nicht. Wenigstens giebt Delius<lb/>
Proben der Briefe und würde die Hauptsache nimmermehr weggelassen haben,<lb/>
und was wesentlicher: die Erläuterer Shakespeares würden nicht solche Mühe<lb/>
haben aufwenden müssen, um festzustellen, daß jener Heinreich der Achte Shake¬<lb/>
speares Stück war, wenn bei jener Gelegenheit Shakespeare als Verfasser ge¬<lb/>
nannt und beurtheilt wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_575"> Doch London zählte zu Shakespeares Zeit noch andere Schrifsteller. Herr<lb/>
Rümelin führt selbst einen andern an: Webster, Shakespeares Freund, der &#x201E;von<lb/>
Chapmans vollem und hohem Stil spreche, der Ben Jonson, Beaumont und<lb/>
Fietcher Hochpreise" und der &#x201E;Shakespeares Thätigkeit nur als eine ebenso glück¬<lb/>
liche wie fruchtbringende erwähnt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_576"> Aber außer Webster und Nass schrieben an der Wende des sechzehnten<lb/>
und siebzehnten Jahrhunderts noch andere Engländer von ihrem großen Dichter;<lb/>
möchten einige Proben ihrer Feder hier darthun, daß William Shakespeare auch<lb/>
von seinen literarischen Zeitgenossen gewürdigt wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_577"> In einer Epigrammensammlung von Weewer, die etwa in das Jahr 1S96<lb/>
zu stellen ist, also in eine Zeit, wo Shakespeare erst etwa zehn Jahre als<lb/>
Schriftsteller thätig und mehre seiner bedeutendsten Werke noch ungeschrieben<lb/>
waren, finden wir die affectirt lobpreisenden Verse, die im Deutschen etwa<lb/>
folgendermaßen lauten würden:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_4" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0206] Menschen gleiche Unsterblichkeit verliehen werden als in den Schauspielen. Was schwatze ich zu denen von Unsterblichkeit, die ja die wahren Ehrenabschneider selber sind! Sie wissen, wenn sie todt sind, wird sie niemand für eine edle Handlung auf die Bühne bringen, höchstens in einer Wucherer- und Teufelsposse u> s. w." . Und solche Stellen sind nicht vereinzelt bei ihm, sein gelehrter Streit mit Harwey über ein gleiches Thema ist bekannt. Thomas Nass also kann so über Shakespeare nicht geurtheilt haben. Aber vielleicht meint Herr Rümelin nicht diesen Thomas Nass. Es gab ja in jener Zeit noch einen andern dieses Namens, aber dieser andere heira- thete Shakespeares Enkelkind, wird also über seinen Großvater besser unterrichtet gewesen sein — vielleicht schrieb die citirten Worte ein Thomas, ohne Nass? Und es ist richtig: über jenen Theaterbrand finden sich zwei Briefe vor von Männern, deren einer mit Vornamen Thomas heißt und an einen Thomas schreibt. Aber jene Stelle findet sich bei ihnen nicht. Wenigstens giebt Delius Proben der Briefe und würde die Hauptsache nimmermehr weggelassen haben, und was wesentlicher: die Erläuterer Shakespeares würden nicht solche Mühe haben aufwenden müssen, um festzustellen, daß jener Heinreich der Achte Shake¬ speares Stück war, wenn bei jener Gelegenheit Shakespeare als Verfasser ge¬ nannt und beurtheilt wäre. Doch London zählte zu Shakespeares Zeit noch andere Schrifsteller. Herr Rümelin führt selbst einen andern an: Webster, Shakespeares Freund, der „von Chapmans vollem und hohem Stil spreche, der Ben Jonson, Beaumont und Fietcher Hochpreise" und der „Shakespeares Thätigkeit nur als eine ebenso glück¬ liche wie fruchtbringende erwähnt." Aber außer Webster und Nass schrieben an der Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts noch andere Engländer von ihrem großen Dichter; möchten einige Proben ihrer Feder hier darthun, daß William Shakespeare auch von seinen literarischen Zeitgenossen gewürdigt wurde. In einer Epigrammensammlung von Weewer, die etwa in das Jahr 1S96 zu stellen ist, also in eine Zeit, wo Shakespeare erst etwa zehn Jahre als Schriftsteller thätig und mehre seiner bedeutendsten Werke noch ungeschrieben waren, finden wir die affectirt lobpreisenden Verse, die im Deutschen etwa folgendermaßen lauten würden:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/206
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/206>, abgerufen am 02.07.2024.