Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.dafür gesorgt war, daß die Stimme der Bevölkerung nicht unbequeme Mah¬ Gegengezeichnet war dieses Rescript von dem Stciatsminister v. Oertzen, Wie sehr er einer Reform des Bundes in dieser Richtung widerstrebte, dafür gesorgt war, daß die Stimme der Bevölkerung nicht unbequeme Mah¬ Gegengezeichnet war dieses Rescript von dem Stciatsminister v. Oertzen, Wie sehr er einer Reform des Bundes in dieser Richtung widerstrebte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286168"/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25"> dafür gesorgt war, daß die Stimme der Bevölkerung nicht unbequeme Mah¬<lb/> nungen ergehen lassen konnte, und bald hatte man jeden Gedanken an eine<lb/> Aenderung der Verfassung so sehr aufgegeben, daß in einem landesherrlichen<lb/> Rescript an den Landtag vom 27. November, 18S8 grade das Entgegengesetzte<lb/> des früher wiederholt Verheißenen angekündigt ward, nämlich, daß die beste¬<lb/> hende Landesverfassung kräftig aufrecht erhalten und geschützt werden solle und<lb/> daß der Regierung nichts ferner liege als das „Experimeiitiren mit neuen will¬<lb/> kürlichen Verfassungsformen".</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Gegengezeichnet war dieses Rescript von dem Stciatsminister v. Oertzen,<lb/> welcher, als Nachfolger des Grasen v. Bülow, am I.Juli 18S8 die Leitung<lb/> des Ministeriums des Auswärtigen übernommen hatte. Anfangs Justizbeamter,<lb/> hatte er sich dann auf sein Landgut zurückgezogen und sich von da aus lebhaft<lb/> als einer der Führer der adeligen Partei an den Kämpfen innerhalb der Ritter¬<lb/> schaft betheiligt; nach Wiederherstellung des Bundestages ging er als mecklen¬<lb/> burgischer Buiidestagsgcsandtcr nacb Frankfurt. Aus dieser Stellung brachte<lb/> er eure große Vorliebe für diese Institution in sein neues Amt mit, und wenn<lb/> er auch gelegentlich die Nothwendigkeit einer Reform der Bundesverfassung nicht<lb/> grade läugnete, so war es ihm dabei doch nur um eine größere Centralisirung<lb/> und Kräftigung der Bundesgewalt zu "thun, während er gegen die Aufnahme<lb/> parlamentarischer Elemente in den Organismus der Bundesverfassung einen<lb/> unverhohlener Abscheu hegte. Dies zeigte sich, als in den Jahren 1861 und<lb/> 1862 das von Oestreich angeregte Project einer Delegirtenvnsammlung zur<lb/> Verhandlung kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_28"> Wie sehr er einer Reform des Bundes in dieser Richtung widerstrebte,<lb/> beweisen z. B. nachstehende, den östreichischen Bundesreformantrag bekämpfende<lb/> Aeußerungen seines Organs, des „Norddeutschen Korrespondenten", aus dem<lb/> August des Jahres 1862: „Die deutsche Nation trägt kein Verlangen, eine<lb/> Versammlung von Delegirten der jetzigen landständischen Versammlungen in<lb/> Frankfurt dem Bundestage gegenüber ihre Reden halten zu hören. Kein Ver¬<lb/> ständiger wird darüber auch nur einen Augenblick zweifelhaft sein, wohin die<lb/> nothwendige Consequenz aus den jetzt epidemisch verbreiteten politischen An¬<lb/> sichten führen muß, und daß ein auf diesem Wege eingeleitetes Experiment mit<lb/> dem Bundesparlament die Ruhe und den Frieden Deutschlands mit un¬<lb/> berechenbaren Gefahren bedrohet, so lange die einflußreichsten Regierungen in<lb/> Deutschland im Wettkampf nach sogenannter Popularität nur darauf bedacht<lb/> sind, die Selbständigkeit der Regierungen durch immer weiter gehende Stärkung<lb/> der repräsentativen Elemente zu schwächen. Eine kräftige Regie¬<lb/> rungsgewalt, das ist es vor allem, was Deutschland noth thut. Die jetzigen<lb/> amerikanischen Zustände sollten uns belehren, wohin das Uebermaß der falschen<lb/> Freiheit führt."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
dafür gesorgt war, daß die Stimme der Bevölkerung nicht unbequeme Mah¬
nungen ergehen lassen konnte, und bald hatte man jeden Gedanken an eine
Aenderung der Verfassung so sehr aufgegeben, daß in einem landesherrlichen
Rescript an den Landtag vom 27. November, 18S8 grade das Entgegengesetzte
des früher wiederholt Verheißenen angekündigt ward, nämlich, daß die beste¬
hende Landesverfassung kräftig aufrecht erhalten und geschützt werden solle und
daß der Regierung nichts ferner liege als das „Experimeiitiren mit neuen will¬
kürlichen Verfassungsformen".
Gegengezeichnet war dieses Rescript von dem Stciatsminister v. Oertzen,
welcher, als Nachfolger des Grasen v. Bülow, am I.Juli 18S8 die Leitung
des Ministeriums des Auswärtigen übernommen hatte. Anfangs Justizbeamter,
hatte er sich dann auf sein Landgut zurückgezogen und sich von da aus lebhaft
als einer der Führer der adeligen Partei an den Kämpfen innerhalb der Ritter¬
schaft betheiligt; nach Wiederherstellung des Bundestages ging er als mecklen¬
burgischer Buiidestagsgcsandtcr nacb Frankfurt. Aus dieser Stellung brachte
er eure große Vorliebe für diese Institution in sein neues Amt mit, und wenn
er auch gelegentlich die Nothwendigkeit einer Reform der Bundesverfassung nicht
grade läugnete, so war es ihm dabei doch nur um eine größere Centralisirung
und Kräftigung der Bundesgewalt zu "thun, während er gegen die Aufnahme
parlamentarischer Elemente in den Organismus der Bundesverfassung einen
unverhohlener Abscheu hegte. Dies zeigte sich, als in den Jahren 1861 und
1862 das von Oestreich angeregte Project einer Delegirtenvnsammlung zur
Verhandlung kam.
Wie sehr er einer Reform des Bundes in dieser Richtung widerstrebte,
beweisen z. B. nachstehende, den östreichischen Bundesreformantrag bekämpfende
Aeußerungen seines Organs, des „Norddeutschen Korrespondenten", aus dem
August des Jahres 1862: „Die deutsche Nation trägt kein Verlangen, eine
Versammlung von Delegirten der jetzigen landständischen Versammlungen in
Frankfurt dem Bundestage gegenüber ihre Reden halten zu hören. Kein Ver¬
ständiger wird darüber auch nur einen Augenblick zweifelhaft sein, wohin die
nothwendige Consequenz aus den jetzt epidemisch verbreiteten politischen An¬
sichten führen muß, und daß ein auf diesem Wege eingeleitetes Experiment mit
dem Bundesparlament die Ruhe und den Frieden Deutschlands mit un¬
berechenbaren Gefahren bedrohet, so lange die einflußreichsten Regierungen in
Deutschland im Wettkampf nach sogenannter Popularität nur darauf bedacht
sind, die Selbständigkeit der Regierungen durch immer weiter gehende Stärkung
der repräsentativen Elemente zu schwächen. Eine kräftige Regie¬
rungsgewalt, das ist es vor allem, was Deutschland noth thut. Die jetzigen
amerikanischen Zustände sollten uns belehren, wohin das Uebermaß der falschen
Freiheit führt."
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