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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Mecklenburg zur Zeit der deutschen Krisis.

Die nach der kurzen constitutionellen Aera in Mecklenburg wieder an das
Ruder gelangte Partei der Feudalen suchte sich allmälig wieder dem engen,
auch durch eine Militärconvention besiegelten Anschlusse an Preußen zu ent'
ziehen, in welchem die mecklenburgische Politik während der Vorangegangenen
bewegten Zeit ihren Halt gefunden hatte; sie konnte kaum die Zeit erwarten,
wo auch Mecklenburg wieder in den von Oestreich neu eröffneten Hafen des
Bundestags einlief. Der aus preußischem in mecklenburgischen Dienst über¬
getretene damalige schwerinsche Minister des Auswärtigen Graf v. Bülow han¬
delte gar nicht im Sinne der feudalen Partei, als er am 20, September 1830
die östreichische Aufforderung zur Beschickung des reactivirten Bundestages noch
ablehnend beantwortete und mit Bestürzung ersah sie aus dem Antwortschreiben
des Ministers, daß durch den Bundesbeschluß vom 12. Juli 1848 nach mecklen¬
burgischer Auffassung "eine völlige und durch keinen Vorbehalt bedingte Auf¬
hebung des Bundestags stattgefunden" habe. Die Ritterschaft des Amtes
Buckow machte sich zum Dolmetscher der hierdurch in den feudalen Kreisen her¬
vorgerufenen Empfindungen und sprach in einem Schreiben an den Großherzog
ihren Schmerz aus, daß der Graf v. Bülow das gesetzliche Bestehen und die
Fortdauer des Bundestags negire. Erst als Mecklenburg im Mai des Jahres
1851 wieder seinem Gesandten einen Sitz in der deutschen Oberpolizeibehörde
anwies, welche unter dem Namen des Bundestages ihre Thätigkeit von Neuem
begonnen hatte, fühlten die Feudalen sich ganz befriedigt und im Besitz der
alten Landesverfassung vollkommen gesichert, Lcßtcre stand unter dem beson¬
deren Schutz des Bundestags und von solchen umgestaltenden Einwirkungen,
wie der Bundestag sie bei einer Anzahl constitutioneller Verfassungen übte, war
hier nichts zu befürchten. Die sonstigen auf Unterdrückung der Volksfreiheit
gerichteten Schritte des reactivirten Bundestags aber waren den mecklenburgischen
Feudalen höchst willkommen. Alle Beschlüsse dieser Art wurden prompt aus¬
geführt und noch mit einigen verschärfenden Zuthaten ausgestattet. Je gründ¬
licher die Freiheit der Presse vernichtet und die Versammlungen und Vereine
zu politischen Zwecken ferngehalten wurden, desto erfolgreicher hoffte man sich
jeder neuen constitutionellen Anwandlung erwehren zu können. Zwar war bei
Wiederherstellung der alten Landesverfassung die Zusicherung einer Verfassungs¬
reform ertheilt und auch noch später ausdrücklich wiederholt worden. Allein
von einer Erfüllung dieser Zusicherung war um so weniger die Rede, als durch
die neuen Gesetze über die Presse und das Versammlungs- und Vereinsrecht


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Mecklenburg zur Zeit der deutschen Krisis.

Die nach der kurzen constitutionellen Aera in Mecklenburg wieder an das
Ruder gelangte Partei der Feudalen suchte sich allmälig wieder dem engen,
auch durch eine Militärconvention besiegelten Anschlusse an Preußen zu ent'
ziehen, in welchem die mecklenburgische Politik während der Vorangegangenen
bewegten Zeit ihren Halt gefunden hatte; sie konnte kaum die Zeit erwarten,
wo auch Mecklenburg wieder in den von Oestreich neu eröffneten Hafen des
Bundestags einlief. Der aus preußischem in mecklenburgischen Dienst über¬
getretene damalige schwerinsche Minister des Auswärtigen Graf v. Bülow han¬
delte gar nicht im Sinne der feudalen Partei, als er am 20, September 1830
die östreichische Aufforderung zur Beschickung des reactivirten Bundestages noch
ablehnend beantwortete und mit Bestürzung ersah sie aus dem Antwortschreiben
des Ministers, daß durch den Bundesbeschluß vom 12. Juli 1848 nach mecklen¬
burgischer Auffassung „eine völlige und durch keinen Vorbehalt bedingte Auf¬
hebung des Bundestags stattgefunden" habe. Die Ritterschaft des Amtes
Buckow machte sich zum Dolmetscher der hierdurch in den feudalen Kreisen her¬
vorgerufenen Empfindungen und sprach in einem Schreiben an den Großherzog
ihren Schmerz aus, daß der Graf v. Bülow das gesetzliche Bestehen und die
Fortdauer des Bundestags negire. Erst als Mecklenburg im Mai des Jahres
1851 wieder seinem Gesandten einen Sitz in der deutschen Oberpolizeibehörde
anwies, welche unter dem Namen des Bundestages ihre Thätigkeit von Neuem
begonnen hatte, fühlten die Feudalen sich ganz befriedigt und im Besitz der
alten Landesverfassung vollkommen gesichert, Lcßtcre stand unter dem beson¬
deren Schutz des Bundestags und von solchen umgestaltenden Einwirkungen,
wie der Bundestag sie bei einer Anzahl constitutioneller Verfassungen übte, war
hier nichts zu befürchten. Die sonstigen auf Unterdrückung der Volksfreiheit
gerichteten Schritte des reactivirten Bundestags aber waren den mecklenburgischen
Feudalen höchst willkommen. Alle Beschlüsse dieser Art wurden prompt aus¬
geführt und noch mit einigen verschärfenden Zuthaten ausgestattet. Je gründ¬
licher die Freiheit der Presse vernichtet und die Versammlungen und Vereine
zu politischen Zwecken ferngehalten wurden, desto erfolgreicher hoffte man sich
jeder neuen constitutionellen Anwandlung erwehren zu können. Zwar war bei
Wiederherstellung der alten Landesverfassung die Zusicherung einer Verfassungs¬
reform ertheilt und auch noch später ausdrücklich wiederholt worden. Allein
von einer Erfüllung dieser Zusicherung war um so weniger die Rede, als durch
die neuen Gesetze über die Presse und das Versammlungs- und Vereinsrecht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/19>, abgerufen am 30.06.2024.