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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Theatermagazin gedient, zu einem Theater ein, welches dem Bezirk, in dem es
lag, den Namen dankte: Blackfriars.

Dem Beispiel dieser Truppe folgten viele andere und zogen aus der City
und entzogen sich damit der schweren Abgabe und dem Verbot, am Sonntage
zu spielen,*) obgleich Gustav Rümelin behauptet "es durfte niemals am Sonn,
tage gespielt werden.

Wie sehr die Obrigkeit "mit der Bürgerschaft hierbei in Einklang handelte",
sagt Gustav Rümelin, "geht aus den zahlreichen Petitionen und Adressen hervor,
mit denen sie von den Einwohnern, zumal der Stadttheile, in welchen sich
Theater befanden, bestürmt worden."

Payne Collier hat diese zahlreichen Petitionen zu unsrer Kenntniß gebracht;
wir haben sie gezählt und gefunden, daß ihre Summe sich auf zwei beläuft.
Die eine bei obigem Anlaß des Baues von Blackfriars vom Jahre 1676, die
zweite vom Jahre 163Y, vierzehn Jahre nach Shakespeares Tode, also nicht
mehr, hierher gehörig. Beide waren völlig erfolglos; und was die erste betrifft,
so ist sie uns längst durch einen Zeitgenossen verdächtigt. Wenn sich auch Lord
Hunsdon und Lady Rüssel mit unterzeichnete, so theilt Thomas Nass**) uns doch
mit, daß sie aus "Weinschenken, Aleweibern und, Speisehäuslem" bestanden
hätte, "welche sich durch den zahlreichen Besuch der Theater in ihrem Erwerb
beeinträchtigt sahen".

Erst vierzehn Jahre nachdem alle diese MißHelligkeiten gehoben waren, tritt
William Shakespeare in die Reihe der Theilhaber von Blackfriars. ^

Aber mag auch die Behörde nichts gegen die Theater ausgerichtet haben
oder haben ausrichten wollen, der puritanische Einfluß war doch immerhin der
Art, daß, wie Herr Rümelin sagt, "achtbare Männer, gesittete Frauen und
Jungfrauen aus Gründen des Anstandes die Schwelle des Theaters nicht
überschreiten konnten, ja daß für sie nicht einmal ein Play vorgesehen war."

Und doch stieg die Zahl der Schauspielhäuser während Shakespeares Zeit
bis auf siebenzehn (Herr Rümelin läßt sieben weg) und alle reussirten dermaßen,
daß endlich die Negierung eine Schranke setzen mußte. Wer war denn .also das
Publikum, das diese zahlreichen Häuser überfüllte? Rümelin weiß die treffende
Antwort: müßige Junker, junge Stutzer, Matrosen und Dirnen. Er giebt uns
auch ein Bild des Globustheaters, oder besser seines Publikums, das er von
Thomas Nass indirect citirt. Da nicht gesagt ist, wo unter dieses fruchtbaren
Schriftstellers Schriften die angeführte Beschreibung steht, so wird es schwer,




") Als im Jahre 1S83 das Amphitheater (kein Schauspielhaus) in Parisgarden ein¬
stürzte, fand man Anlaß, das Spielen an Festtagen auch außer der City zu verbieten; daß
Sonntags noch gespielt wurde, erhellt aus Stubbcs Pamphlet gegen diesen Brauch, das im
Jahre 1S84 erschien.
'") Thomas Nass, in ?i6rav ^erw^Ioss. LK. Loe-ist^, xag. 61.

Theatermagazin gedient, zu einem Theater ein, welches dem Bezirk, in dem es
lag, den Namen dankte: Blackfriars.

Dem Beispiel dieser Truppe folgten viele andere und zogen aus der City
und entzogen sich damit der schweren Abgabe und dem Verbot, am Sonntage
zu spielen,*) obgleich Gustav Rümelin behauptet „es durfte niemals am Sonn,
tage gespielt werden.

Wie sehr die Obrigkeit „mit der Bürgerschaft hierbei in Einklang handelte",
sagt Gustav Rümelin, „geht aus den zahlreichen Petitionen und Adressen hervor,
mit denen sie von den Einwohnern, zumal der Stadttheile, in welchen sich
Theater befanden, bestürmt worden."

Payne Collier hat diese zahlreichen Petitionen zu unsrer Kenntniß gebracht;
wir haben sie gezählt und gefunden, daß ihre Summe sich auf zwei beläuft.
Die eine bei obigem Anlaß des Baues von Blackfriars vom Jahre 1676, die
zweite vom Jahre 163Y, vierzehn Jahre nach Shakespeares Tode, also nicht
mehr, hierher gehörig. Beide waren völlig erfolglos; und was die erste betrifft,
so ist sie uns längst durch einen Zeitgenossen verdächtigt. Wenn sich auch Lord
Hunsdon und Lady Rüssel mit unterzeichnete, so theilt Thomas Nass**) uns doch
mit, daß sie aus „Weinschenken, Aleweibern und, Speisehäuslem" bestanden
hätte, „welche sich durch den zahlreichen Besuch der Theater in ihrem Erwerb
beeinträchtigt sahen".

Erst vierzehn Jahre nachdem alle diese MißHelligkeiten gehoben waren, tritt
William Shakespeare in die Reihe der Theilhaber von Blackfriars. ^

Aber mag auch die Behörde nichts gegen die Theater ausgerichtet haben
oder haben ausrichten wollen, der puritanische Einfluß war doch immerhin der
Art, daß, wie Herr Rümelin sagt, „achtbare Männer, gesittete Frauen und
Jungfrauen aus Gründen des Anstandes die Schwelle des Theaters nicht
überschreiten konnten, ja daß für sie nicht einmal ein Play vorgesehen war."

Und doch stieg die Zahl der Schauspielhäuser während Shakespeares Zeit
bis auf siebenzehn (Herr Rümelin läßt sieben weg) und alle reussirten dermaßen,
daß endlich die Negierung eine Schranke setzen mußte. Wer war denn .also das
Publikum, das diese zahlreichen Häuser überfüllte? Rümelin weiß die treffende
Antwort: müßige Junker, junge Stutzer, Matrosen und Dirnen. Er giebt uns
auch ein Bild des Globustheaters, oder besser seines Publikums, das er von
Thomas Nass indirect citirt. Da nicht gesagt ist, wo unter dieses fruchtbaren
Schriftstellers Schriften die angeführte Beschreibung steht, so wird es schwer,




") Als im Jahre 1S83 das Amphitheater (kein Schauspielhaus) in Parisgarden ein¬
stürzte, fand man Anlaß, das Spielen an Festtagen auch außer der City zu verbieten; daß
Sonntags noch gespielt wurde, erhellt aus Stubbcs Pamphlet gegen diesen Brauch, das im
Jahre 1S84 erschien.
'") Thomas Nass, in ?i6rav ^erw^Ioss. LK. Loe-ist^, xag. 61.
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[0196] Theatermagazin gedient, zu einem Theater ein, welches dem Bezirk, in dem es lag, den Namen dankte: Blackfriars. Dem Beispiel dieser Truppe folgten viele andere und zogen aus der City und entzogen sich damit der schweren Abgabe und dem Verbot, am Sonntage zu spielen,*) obgleich Gustav Rümelin behauptet „es durfte niemals am Sonn, tage gespielt werden. Wie sehr die Obrigkeit „mit der Bürgerschaft hierbei in Einklang handelte", sagt Gustav Rümelin, „geht aus den zahlreichen Petitionen und Adressen hervor, mit denen sie von den Einwohnern, zumal der Stadttheile, in welchen sich Theater befanden, bestürmt worden." Payne Collier hat diese zahlreichen Petitionen zu unsrer Kenntniß gebracht; wir haben sie gezählt und gefunden, daß ihre Summe sich auf zwei beläuft. Die eine bei obigem Anlaß des Baues von Blackfriars vom Jahre 1676, die zweite vom Jahre 163Y, vierzehn Jahre nach Shakespeares Tode, also nicht mehr, hierher gehörig. Beide waren völlig erfolglos; und was die erste betrifft, so ist sie uns längst durch einen Zeitgenossen verdächtigt. Wenn sich auch Lord Hunsdon und Lady Rüssel mit unterzeichnete, so theilt Thomas Nass**) uns doch mit, daß sie aus „Weinschenken, Aleweibern und, Speisehäuslem" bestanden hätte, „welche sich durch den zahlreichen Besuch der Theater in ihrem Erwerb beeinträchtigt sahen". Erst vierzehn Jahre nachdem alle diese MißHelligkeiten gehoben waren, tritt William Shakespeare in die Reihe der Theilhaber von Blackfriars. ^ Aber mag auch die Behörde nichts gegen die Theater ausgerichtet haben oder haben ausrichten wollen, der puritanische Einfluß war doch immerhin der Art, daß, wie Herr Rümelin sagt, „achtbare Männer, gesittete Frauen und Jungfrauen aus Gründen des Anstandes die Schwelle des Theaters nicht überschreiten konnten, ja daß für sie nicht einmal ein Play vorgesehen war." Und doch stieg die Zahl der Schauspielhäuser während Shakespeares Zeit bis auf siebenzehn (Herr Rümelin läßt sieben weg) und alle reussirten dermaßen, daß endlich die Negierung eine Schranke setzen mußte. Wer war denn .also das Publikum, das diese zahlreichen Häuser überfüllte? Rümelin weiß die treffende Antwort: müßige Junker, junge Stutzer, Matrosen und Dirnen. Er giebt uns auch ein Bild des Globustheaters, oder besser seines Publikums, das er von Thomas Nass indirect citirt. Da nicht gesagt ist, wo unter dieses fruchtbaren Schriftstellers Schriften die angeführte Beschreibung steht, so wird es schwer, ") Als im Jahre 1S83 das Amphitheater (kein Schauspielhaus) in Parisgarden ein¬ stürzte, fand man Anlaß, das Spielen an Festtagen auch außer der City zu verbieten; daß Sonntags noch gespielt wurde, erhellt aus Stubbcs Pamphlet gegen diesen Brauch, das im Jahre 1S84 erschien. '") Thomas Nass, in ?i6rav ^erw^Ioss. LK. Loe-ist^, xag. 61.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/196>, abgerufen am 05.07.2024.