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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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sie zu finden. Dagegen wurde uns leichter, in S^ottowes Leben Shakespeares
eine Schilderung des Sommertheaters zum Globus zu finden, mit genauer
Angabe der Maße, wie sie die Theaterunternehmer und Zeitgenossen Shake¬
speares Henslow und Alleyn uns überliefert haben. Es ist jedenfalls diesen
beiden Männern Schuld zu geben, weren ihre Beschreibung anders lautet als
die des Herrn Rümelin. Unwesentlich ist, daß dieser nur zwei Galerien zählt,
während es deren drei gab, auch ist nicht erklärlich, wie er die Reihen im Par¬
terre sich gedacht hat, da in den Sommertheatern keine Bänke waren, was
aber das Sitzen und Liegen der Lords auf der Bühne "hinter den Coulissen"
betrifft, so müssen wir nur berichtigen, daß es noch bis lange nach Shakespeare
auf der englischen Bühne gar keine Coulissen gab und wollen nur flüchtig er¬
wähnen, wie dieser Brauch zu erklären ist. Wie bekannt, war die Bühne
ursprünglich ein an eine Wand gerücktes Gerüst, das einem Tische ähnlich von
drei Seiten dem Publikum zugänglich war; ja als man in Höfen spielte, die
ringsum offene Galerien besaßen, konnten Zuschauer selbst oberhalb der Bühne
Platz Nehmen. Diese Einrichtung blieb in den eigens als Theater erbauten
Häusern bestehen, wo die Bühne die ganze Breite des Raumes einnahm, ge¬
stattete man Einzelnen vom Publikum, rechts und links auf den Bretern selbst
zu sitzen und nur eine gewisse Fläche für die Handlung frei zu lassen. Aber
außerdem gab es sogenannte Herrenzimmer oder Privatlogen, die sich unmittel¬
bar an 'die Bühne anschlössen und in denen wir denn auch auf uns erhaltenen
Abbildungen vornehme Damen neben Herren sitzen sehen. So gab es doch
einen Platz, wo jene Edelfrauen und Bürgerweiber sitzen durften, "n welche
Stephen Gosson seine vier gedruckte Seiten lange Warnung richtet und in der
er unter anderem sagt: ,. Ich schreibe einige Zeilen an euer holdes Selbst,
nicht weil ich euch als eitle Hausfrauen zu tadeln, sondern als tugendsame
Damen zu berathen und zu ermuthigen gedenke. -- Ich habe so manche von
euch gesehen, die gewohnt sind, sich in den Theatern zu lustiren -- in der
That, ich muß gestehen, da kommen zum Schauspiel von allen Arten, alte und
junge: ich will nicht sagen, daß alle fehlen, doch ich versichere euch, ich will auf
keine schwören. -- Seid ihr verdrießlich und ihr geht ins Theater, um die
Grillen wegzujagen, so ist das ein so gutes Mittel als euch gegen euren Kopf'
Schmerz an den Schädel zu hauen"*) f. w.

Daß die Damen in den offenen, unbedeckten Theatern sich, wie damals
überhaupt gegen Luft und Sonne üblich war, mit Larven geschützt haben, will
ich nicht bestreiten; in den geschlossenen Theatern wie Shakespeares Blackfriars.
wo bei Kerzenlicht gespielt wurde, saßen sie mit unbedecktem Gesicht, wie
Siephen Gosson ihnen vorwirft, "um gesehen zu werden".



SeKool ok ^buse, für die 8u. Society gedruckt, xag, 46 u. 49.
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sie zu finden. Dagegen wurde uns leichter, in S^ottowes Leben Shakespeares
eine Schilderung des Sommertheaters zum Globus zu finden, mit genauer
Angabe der Maße, wie sie die Theaterunternehmer und Zeitgenossen Shake¬
speares Henslow und Alleyn uns überliefert haben. Es ist jedenfalls diesen
beiden Männern Schuld zu geben, weren ihre Beschreibung anders lautet als
die des Herrn Rümelin. Unwesentlich ist, daß dieser nur zwei Galerien zählt,
während es deren drei gab, auch ist nicht erklärlich, wie er die Reihen im Par¬
terre sich gedacht hat, da in den Sommertheatern keine Bänke waren, was
aber das Sitzen und Liegen der Lords auf der Bühne „hinter den Coulissen"
betrifft, so müssen wir nur berichtigen, daß es noch bis lange nach Shakespeare
auf der englischen Bühne gar keine Coulissen gab und wollen nur flüchtig er¬
wähnen, wie dieser Brauch zu erklären ist. Wie bekannt, war die Bühne
ursprünglich ein an eine Wand gerücktes Gerüst, das einem Tische ähnlich von
drei Seiten dem Publikum zugänglich war; ja als man in Höfen spielte, die
ringsum offene Galerien besaßen, konnten Zuschauer selbst oberhalb der Bühne
Platz Nehmen. Diese Einrichtung blieb in den eigens als Theater erbauten
Häusern bestehen, wo die Bühne die ganze Breite des Raumes einnahm, ge¬
stattete man Einzelnen vom Publikum, rechts und links auf den Bretern selbst
zu sitzen und nur eine gewisse Fläche für die Handlung frei zu lassen. Aber
außerdem gab es sogenannte Herrenzimmer oder Privatlogen, die sich unmittel¬
bar an 'die Bühne anschlössen und in denen wir denn auch auf uns erhaltenen
Abbildungen vornehme Damen neben Herren sitzen sehen. So gab es doch
einen Platz, wo jene Edelfrauen und Bürgerweiber sitzen durften, «n welche
Stephen Gosson seine vier gedruckte Seiten lange Warnung richtet und in der
er unter anderem sagt: ,. Ich schreibe einige Zeilen an euer holdes Selbst,
nicht weil ich euch als eitle Hausfrauen zu tadeln, sondern als tugendsame
Damen zu berathen und zu ermuthigen gedenke. — Ich habe so manche von
euch gesehen, die gewohnt sind, sich in den Theatern zu lustiren — in der
That, ich muß gestehen, da kommen zum Schauspiel von allen Arten, alte und
junge: ich will nicht sagen, daß alle fehlen, doch ich versichere euch, ich will auf
keine schwören. — Seid ihr verdrießlich und ihr geht ins Theater, um die
Grillen wegzujagen, so ist das ein so gutes Mittel als euch gegen euren Kopf'
Schmerz an den Schädel zu hauen"*) f. w.

Daß die Damen in den offenen, unbedeckten Theatern sich, wie damals
überhaupt gegen Luft und Sonne üblich war, mit Larven geschützt haben, will
ich nicht bestreiten; in den geschlossenen Theatern wie Shakespeares Blackfriars.
wo bei Kerzenlicht gespielt wurde, saßen sie mit unbedecktem Gesicht, wie
Siephen Gosson ihnen vorwirft, „um gesehen zu werden".



SeKool ok ^buse, für die 8u. Society gedruckt, xag, 46 u. 49.
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[0197] sie zu finden. Dagegen wurde uns leichter, in S^ottowes Leben Shakespeares eine Schilderung des Sommertheaters zum Globus zu finden, mit genauer Angabe der Maße, wie sie die Theaterunternehmer und Zeitgenossen Shake¬ speares Henslow und Alleyn uns überliefert haben. Es ist jedenfalls diesen beiden Männern Schuld zu geben, weren ihre Beschreibung anders lautet als die des Herrn Rümelin. Unwesentlich ist, daß dieser nur zwei Galerien zählt, während es deren drei gab, auch ist nicht erklärlich, wie er die Reihen im Par¬ terre sich gedacht hat, da in den Sommertheatern keine Bänke waren, was aber das Sitzen und Liegen der Lords auf der Bühne „hinter den Coulissen" betrifft, so müssen wir nur berichtigen, daß es noch bis lange nach Shakespeare auf der englischen Bühne gar keine Coulissen gab und wollen nur flüchtig er¬ wähnen, wie dieser Brauch zu erklären ist. Wie bekannt, war die Bühne ursprünglich ein an eine Wand gerücktes Gerüst, das einem Tische ähnlich von drei Seiten dem Publikum zugänglich war; ja als man in Höfen spielte, die ringsum offene Galerien besaßen, konnten Zuschauer selbst oberhalb der Bühne Platz Nehmen. Diese Einrichtung blieb in den eigens als Theater erbauten Häusern bestehen, wo die Bühne die ganze Breite des Raumes einnahm, ge¬ stattete man Einzelnen vom Publikum, rechts und links auf den Bretern selbst zu sitzen und nur eine gewisse Fläche für die Handlung frei zu lassen. Aber außerdem gab es sogenannte Herrenzimmer oder Privatlogen, die sich unmittel¬ bar an 'die Bühne anschlössen und in denen wir denn auch auf uns erhaltenen Abbildungen vornehme Damen neben Herren sitzen sehen. So gab es doch einen Platz, wo jene Edelfrauen und Bürgerweiber sitzen durften, «n welche Stephen Gosson seine vier gedruckte Seiten lange Warnung richtet und in der er unter anderem sagt: ,. Ich schreibe einige Zeilen an euer holdes Selbst, nicht weil ich euch als eitle Hausfrauen zu tadeln, sondern als tugendsame Damen zu berathen und zu ermuthigen gedenke. — Ich habe so manche von euch gesehen, die gewohnt sind, sich in den Theatern zu lustiren — in der That, ich muß gestehen, da kommen zum Schauspiel von allen Arten, alte und junge: ich will nicht sagen, daß alle fehlen, doch ich versichere euch, ich will auf keine schwören. — Seid ihr verdrießlich und ihr geht ins Theater, um die Grillen wegzujagen, so ist das ein so gutes Mittel als euch gegen euren Kopf' Schmerz an den Schädel zu hauen"*) f. w. Daß die Damen in den offenen, unbedeckten Theatern sich, wie damals überhaupt gegen Luft und Sonne üblich war, mit Larven geschützt haben, will ich nicht bestreiten; in den geschlossenen Theatern wie Shakespeares Blackfriars. wo bei Kerzenlicht gespielt wurde, saßen sie mit unbedecktem Gesicht, wie Siephen Gosson ihnen vorwirft, „um gesehen zu werden". SeKool ok ^buse, für die 8u. Society gedruckt, xag, 46 u. 49. 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/197>, abgerufen am 04.07.2024.