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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Einen ferneren Beitrag über die Stellung der Schauspieler giebt uns
Stephen Gosson, der hartnäckigste Verfolger der Bühne in seiner "Schule der
Entartung"; "sedool ok adusv"*); er sagt: "Ich spreche so nicht, als ob
jeder, der diesen Beruf treibt, sich so weit verirrte (nämlich: sich hochmüthig
gegen das Volk zu zeigen, das ihn doch des Sonntags bezahle), denn es ist
wohl bekannt, daß einige von ihnen sauber, bescheiden, wohl unterrichtet, ehren¬
hafte Haushälter und wohl angesehene Bürger unter ihren Nachbarn zu Hause
sind --" und dieser selbe Stephen Gosson flehte als fungirender Geistlicher des
Oels des Himmels Segen auf den Schauspieler Allcyn herab,**) der von den
Ersparnissen seines Höllensoldes in seiner Heimath ein Armenhaus gründete
(das Dulwich-Collegium) und das Elend der ganzen Gegend milderte.

In welchem Ansehen William Shakespeare in seiner Heimath stand, dasür
zeugen Briefe seiner Nachbarn und Freunde, die theils in eigner Noth, theils
in Sachen der Gemeinde sich an ihn wenden und die nicht nur seine Theil¬
nahme an den städtischen Angelegenheiten darthun -- war er doch selbst Mit¬
pächter der Zehntabgaben -- sondern in denen man sogar auf sein Ansehn in
London hofft.***)

Auch daß William Shakespeare seine beiden Töchter an angesehene Bürger
vermählte -- die älteste Susanna an den straiforder Arzt Dr. John Hall, die
jüngere 1616 im Februar an den Weinhändler Thomas Quiney in Stratforo --
spricht für die Achtung, die er bei seinen Landsleuten genoß.

Und dennoch sagt Herr Rümelin: "Die Gesetz? jener Zeit stellen die Schau¬
spieler mit den Gauklern, Seiltänzern, Bärenführern u. s> w. stets in eine Linie"
-- das einzige Gesetz, das hier gemeint sein kann, ist das vierzehnte der Elisa¬
beth. Es lautet etwa folgendermaßen-j-): "Alle Fechtmeister, Bärenführer, ge¬
wöhnliche Schauspieler von Jnterludes und Musikanten (nicht solche Schauspieler,
welche irgendeinem Barone dieses Königreiches oder irgendeiner anderen ehren¬
werthen Person höheren Ranges zugehören, und damit bevollmächtigt sind unter
Hand und Waffenstegel eines solchen Barones oder einer solchen Person zu
spielen), alle Gaukler, Hausirer, Kesselflicker und Schnorranten; welche besagte
Fechtmeister. Bärenführer, gewöhnliche Schauspieler von Jnterludes', Musikanten,
Gaukler, Hausirer, Kesselflicker und Schnorranten herumziehen und keine Er¬
laubniß von wenigstens zwei Friedensrichtern haben, von denen der Eine zu
dem yuoruw der Grafschaft gehören muß, wo und in welcher sie grade wan¬
dern, sollen festgenommen, verurtheilt und behandelt werden wie Schelme, Vaga¬
bunden und hartnäckige Bettler und sollen solche Buße und Züchtigung ein-






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") Siehe 8K. Soeistv, Nemoirss ok ZZäw. ^.IIe-or>, x. 134.
"*) Siehe Delius Shakespeare.
f) VKarles LmZbt, tke Ltrattorä LK->,Iisspög.rö vol. I, x. 89; Malone und Collier.

Einen ferneren Beitrag über die Stellung der Schauspieler giebt uns
Stephen Gosson, der hartnäckigste Verfolger der Bühne in seiner „Schule der
Entartung"; „sedool ok adusv"*); er sagt: „Ich spreche so nicht, als ob
jeder, der diesen Beruf treibt, sich so weit verirrte (nämlich: sich hochmüthig
gegen das Volk zu zeigen, das ihn doch des Sonntags bezahle), denn es ist
wohl bekannt, daß einige von ihnen sauber, bescheiden, wohl unterrichtet, ehren¬
hafte Haushälter und wohl angesehene Bürger unter ihren Nachbarn zu Hause
sind —" und dieser selbe Stephen Gosson flehte als fungirender Geistlicher des
Oels des Himmels Segen auf den Schauspieler Allcyn herab,**) der von den
Ersparnissen seines Höllensoldes in seiner Heimath ein Armenhaus gründete
(das Dulwich-Collegium) und das Elend der ganzen Gegend milderte.

In welchem Ansehen William Shakespeare in seiner Heimath stand, dasür
zeugen Briefe seiner Nachbarn und Freunde, die theils in eigner Noth, theils
in Sachen der Gemeinde sich an ihn wenden und die nicht nur seine Theil¬
nahme an den städtischen Angelegenheiten darthun — war er doch selbst Mit¬
pächter der Zehntabgaben — sondern in denen man sogar auf sein Ansehn in
London hofft.***)

Auch daß William Shakespeare seine beiden Töchter an angesehene Bürger
vermählte — die älteste Susanna an den straiforder Arzt Dr. John Hall, die
jüngere 1616 im Februar an den Weinhändler Thomas Quiney in Stratforo —
spricht für die Achtung, die er bei seinen Landsleuten genoß.

Und dennoch sagt Herr Rümelin: „Die Gesetz? jener Zeit stellen die Schau¬
spieler mit den Gauklern, Seiltänzern, Bärenführern u. s> w. stets in eine Linie"
— das einzige Gesetz, das hier gemeint sein kann, ist das vierzehnte der Elisa¬
beth. Es lautet etwa folgendermaßen-j-): „Alle Fechtmeister, Bärenführer, ge¬
wöhnliche Schauspieler von Jnterludes und Musikanten (nicht solche Schauspieler,
welche irgendeinem Barone dieses Königreiches oder irgendeiner anderen ehren¬
werthen Person höheren Ranges zugehören, und damit bevollmächtigt sind unter
Hand und Waffenstegel eines solchen Barones oder einer solchen Person zu
spielen), alle Gaukler, Hausirer, Kesselflicker und Schnorranten; welche besagte
Fechtmeister. Bärenführer, gewöhnliche Schauspieler von Jnterludes', Musikanten,
Gaukler, Hausirer, Kesselflicker und Schnorranten herumziehen und keine Er¬
laubniß von wenigstens zwei Friedensrichtern haben, von denen der Eine zu
dem yuoruw der Grafschaft gehören muß, wo und in welcher sie grade wan¬
dern, sollen festgenommen, verurtheilt und behandelt werden wie Schelme, Vaga¬
bunden und hartnäckige Bettler und sollen solche Buße und Züchtigung ein-






") Abdruck für die LK> Looiotv, xaZ. 29 unten.
") Siehe 8K. Soeistv, Nemoirss ok ZZäw. ^.IIe-or>, x. 134.
"*) Siehe Delius Shakespeare.
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[0193] Einen ferneren Beitrag über die Stellung der Schauspieler giebt uns Stephen Gosson, der hartnäckigste Verfolger der Bühne in seiner „Schule der Entartung"; „sedool ok adusv"*); er sagt: „Ich spreche so nicht, als ob jeder, der diesen Beruf treibt, sich so weit verirrte (nämlich: sich hochmüthig gegen das Volk zu zeigen, das ihn doch des Sonntags bezahle), denn es ist wohl bekannt, daß einige von ihnen sauber, bescheiden, wohl unterrichtet, ehren¬ hafte Haushälter und wohl angesehene Bürger unter ihren Nachbarn zu Hause sind —" und dieser selbe Stephen Gosson flehte als fungirender Geistlicher des Oels des Himmels Segen auf den Schauspieler Allcyn herab,**) der von den Ersparnissen seines Höllensoldes in seiner Heimath ein Armenhaus gründete (das Dulwich-Collegium) und das Elend der ganzen Gegend milderte. In welchem Ansehen William Shakespeare in seiner Heimath stand, dasür zeugen Briefe seiner Nachbarn und Freunde, die theils in eigner Noth, theils in Sachen der Gemeinde sich an ihn wenden und die nicht nur seine Theil¬ nahme an den städtischen Angelegenheiten darthun — war er doch selbst Mit¬ pächter der Zehntabgaben — sondern in denen man sogar auf sein Ansehn in London hofft.***) Auch daß William Shakespeare seine beiden Töchter an angesehene Bürger vermählte — die älteste Susanna an den straiforder Arzt Dr. John Hall, die jüngere 1616 im Februar an den Weinhändler Thomas Quiney in Stratforo — spricht für die Achtung, die er bei seinen Landsleuten genoß. Und dennoch sagt Herr Rümelin: „Die Gesetz? jener Zeit stellen die Schau¬ spieler mit den Gauklern, Seiltänzern, Bärenführern u. s> w. stets in eine Linie" — das einzige Gesetz, das hier gemeint sein kann, ist das vierzehnte der Elisa¬ beth. Es lautet etwa folgendermaßen-j-): „Alle Fechtmeister, Bärenführer, ge¬ wöhnliche Schauspieler von Jnterludes und Musikanten (nicht solche Schauspieler, welche irgendeinem Barone dieses Königreiches oder irgendeiner anderen ehren¬ werthen Person höheren Ranges zugehören, und damit bevollmächtigt sind unter Hand und Waffenstegel eines solchen Barones oder einer solchen Person zu spielen), alle Gaukler, Hausirer, Kesselflicker und Schnorranten; welche besagte Fechtmeister. Bärenführer, gewöhnliche Schauspieler von Jnterludes', Musikanten, Gaukler, Hausirer, Kesselflicker und Schnorranten herumziehen und keine Er¬ laubniß von wenigstens zwei Friedensrichtern haben, von denen der Eine zu dem yuoruw der Grafschaft gehören muß, wo und in welcher sie grade wan¬ dern, sollen festgenommen, verurtheilt und behandelt werden wie Schelme, Vaga¬ bunden und hartnäckige Bettler und sollen solche Buße und Züchtigung ein- ") Abdruck für die LK> Looiotv, xaZ. 29 unten. ") Siehe 8K. Soeistv, Nemoirss ok ZZäw. ^.IIe-or>, x. 134. "*) Siehe Delius Shakespeare. f) VKarles LmZbt, tke Ltrattorä LK->,Iisspög.rö vol. I, x. 89; Malone und Collier.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/193>, abgerufen am 28.07.2024.