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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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haben, deren Verlauf und Ausgang in nicht geringem Maße von ihrem eignen
Verhalten abhängt. Sie haben immer die Liberalen als ihre politischen Geg¬
ner gehaßt, sie haben bis zu diesem Jahre Fortschritt und Sieg der nationalen
Wünsche gehindert. Die liberale Partei suchte die nothwendige Vereinigung der
deutschen Staaten auf dem Wege des Bundesstaats und friedlicher Kompro¬
misse, sie wollte der Zukunft überlassen, nach ihrem Bedürfniß und ihrer Kraft
die Bande zwischen den einzelnen Ländern Deutschlands fester zu ziehen, bis einst
Deutschland unter einer Regierung geeinigt sei. Der Junker Hochmuth hat diese
Arbeit aufgehalten und vereitelt. Denn die conservative Faction der Mittel¬
staaten und die Ultramontanen waren es, welche die eigene locale Herrschaft
dadurch erhalten wollten, daß sie den Dualismus der Großmächte verewigten,
sie instigirten ihre Souveräne gegen Preußen und sie sandten ihre Söhne in
das östreichische Heer. Und doch wäre ein Bundesstaat, der durch Compromiß
der bestehenden Mächte vereinbart wurde, auch für die conservative Ritterschaft
die bequemste Verbindung mit den nationalen Forderungen gewesen. Was war
die Folge ihrer emsigen unklugen Arbeit? Das Lebensbedürfniß des preußischen
Staates erzwang doch diese Vereinigung, und da die Junkerpartei den fried¬
lichen Weg hemmte, so realisirte sich der unwiderstehliche Drang gewaltsam, er
übersprang die friedliche Agitation der Liberalen, beseitigte die Dynastien mehrer
Länder und stellte uns alle mit einem Mal auf den Boden des Einheitsstaates.
Wir acceptiren diesen großen Fortschritt zu einer Concentration deutscher Kraft,
obwohl der Weg nicht unser Weg gewesen ist. Wir verdanken diesen Fort¬
schritt aber der ausbündig unvernünftigen Politik der Junkerpartei außerhalb
Preußen, welche im eigenen Interesse den depvssedirten Fürsten ihren Hochmuth
ins Unerträgliche gesteigert hatte, und wir verdanken ihn dem patriotischen
Stolz einiger altpreußischer Junker, welche im Kampfe gegen die liberale Par¬
tei erkannten, daß nur ein kühnes Vorgehen Preußens auf nationalem Wege
ihren Staat und Deutschland aus der Unmacht herausheben könne.

Und wieder jetzt haben die ritterlichen Reactionäre in der Hand, ob
die gegenwärtige Umwälzung in ruhigem Verlauf endet oder nicht. Fügen
sie sich selbst mit einigem Verständniß der großen Ideen, welche jetzt das
Schicksal Deutschlands leiten, in die neue Zeit, so mag diese Revolution
von jetzt ab schonend und friedlich den politischen Staatsbäu Deutschlands
umgestalten und sie, selbst mögen in dem neuen Hause ihre Stellung, ihren
Besitz und, was im Grunde noch den höchsten Werth hat, eine bevor¬
zugte Stellung im Volke bewahren. Reagiren sie feindlich wie bisher gegen
die neue Zeit, so wird der innere Kampf heftiger und erbitterter gegen sie ent¬
brennen, als der Krieg dieses Jahres, und ihre Häupter werden mit Gewalt
herabgedrückt werden, um freien Weg zu schaffen für den neuen Staat.

Aus dem Weg, den die preußische Negierung seit diesem Frühjahr betreten,


haben, deren Verlauf und Ausgang in nicht geringem Maße von ihrem eignen
Verhalten abhängt. Sie haben immer die Liberalen als ihre politischen Geg¬
ner gehaßt, sie haben bis zu diesem Jahre Fortschritt und Sieg der nationalen
Wünsche gehindert. Die liberale Partei suchte die nothwendige Vereinigung der
deutschen Staaten auf dem Wege des Bundesstaats und friedlicher Kompro¬
misse, sie wollte der Zukunft überlassen, nach ihrem Bedürfniß und ihrer Kraft
die Bande zwischen den einzelnen Ländern Deutschlands fester zu ziehen, bis einst
Deutschland unter einer Regierung geeinigt sei. Der Junker Hochmuth hat diese
Arbeit aufgehalten und vereitelt. Denn die conservative Faction der Mittel¬
staaten und die Ultramontanen waren es, welche die eigene locale Herrschaft
dadurch erhalten wollten, daß sie den Dualismus der Großmächte verewigten,
sie instigirten ihre Souveräne gegen Preußen und sie sandten ihre Söhne in
das östreichische Heer. Und doch wäre ein Bundesstaat, der durch Compromiß
der bestehenden Mächte vereinbart wurde, auch für die conservative Ritterschaft
die bequemste Verbindung mit den nationalen Forderungen gewesen. Was war
die Folge ihrer emsigen unklugen Arbeit? Das Lebensbedürfniß des preußischen
Staates erzwang doch diese Vereinigung, und da die Junkerpartei den fried¬
lichen Weg hemmte, so realisirte sich der unwiderstehliche Drang gewaltsam, er
übersprang die friedliche Agitation der Liberalen, beseitigte die Dynastien mehrer
Länder und stellte uns alle mit einem Mal auf den Boden des Einheitsstaates.
Wir acceptiren diesen großen Fortschritt zu einer Concentration deutscher Kraft,
obwohl der Weg nicht unser Weg gewesen ist. Wir verdanken diesen Fort¬
schritt aber der ausbündig unvernünftigen Politik der Junkerpartei außerhalb
Preußen, welche im eigenen Interesse den depvssedirten Fürsten ihren Hochmuth
ins Unerträgliche gesteigert hatte, und wir verdanken ihn dem patriotischen
Stolz einiger altpreußischer Junker, welche im Kampfe gegen die liberale Par¬
tei erkannten, daß nur ein kühnes Vorgehen Preußens auf nationalem Wege
ihren Staat und Deutschland aus der Unmacht herausheben könne.

Und wieder jetzt haben die ritterlichen Reactionäre in der Hand, ob
die gegenwärtige Umwälzung in ruhigem Verlauf endet oder nicht. Fügen
sie sich selbst mit einigem Verständniß der großen Ideen, welche jetzt das
Schicksal Deutschlands leiten, in die neue Zeit, so mag diese Revolution
von jetzt ab schonend und friedlich den politischen Staatsbäu Deutschlands
umgestalten und sie, selbst mögen in dem neuen Hause ihre Stellung, ihren
Besitz und, was im Grunde noch den höchsten Werth hat, eine bevor¬
zugte Stellung im Volke bewahren. Reagiren sie feindlich wie bisher gegen
die neue Zeit, so wird der innere Kampf heftiger und erbitterter gegen sie ent¬
brennen, als der Krieg dieses Jahres, und ihre Häupter werden mit Gewalt
herabgedrückt werden, um freien Weg zu schaffen für den neuen Staat.

Aus dem Weg, den die preußische Negierung seit diesem Frühjahr betreten,


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[0017] haben, deren Verlauf und Ausgang in nicht geringem Maße von ihrem eignen Verhalten abhängt. Sie haben immer die Liberalen als ihre politischen Geg¬ ner gehaßt, sie haben bis zu diesem Jahre Fortschritt und Sieg der nationalen Wünsche gehindert. Die liberale Partei suchte die nothwendige Vereinigung der deutschen Staaten auf dem Wege des Bundesstaats und friedlicher Kompro¬ misse, sie wollte der Zukunft überlassen, nach ihrem Bedürfniß und ihrer Kraft die Bande zwischen den einzelnen Ländern Deutschlands fester zu ziehen, bis einst Deutschland unter einer Regierung geeinigt sei. Der Junker Hochmuth hat diese Arbeit aufgehalten und vereitelt. Denn die conservative Faction der Mittel¬ staaten und die Ultramontanen waren es, welche die eigene locale Herrschaft dadurch erhalten wollten, daß sie den Dualismus der Großmächte verewigten, sie instigirten ihre Souveräne gegen Preußen und sie sandten ihre Söhne in das östreichische Heer. Und doch wäre ein Bundesstaat, der durch Compromiß der bestehenden Mächte vereinbart wurde, auch für die conservative Ritterschaft die bequemste Verbindung mit den nationalen Forderungen gewesen. Was war die Folge ihrer emsigen unklugen Arbeit? Das Lebensbedürfniß des preußischen Staates erzwang doch diese Vereinigung, und da die Junkerpartei den fried¬ lichen Weg hemmte, so realisirte sich der unwiderstehliche Drang gewaltsam, er übersprang die friedliche Agitation der Liberalen, beseitigte die Dynastien mehrer Länder und stellte uns alle mit einem Mal auf den Boden des Einheitsstaates. Wir acceptiren diesen großen Fortschritt zu einer Concentration deutscher Kraft, obwohl der Weg nicht unser Weg gewesen ist. Wir verdanken diesen Fort¬ schritt aber der ausbündig unvernünftigen Politik der Junkerpartei außerhalb Preußen, welche im eigenen Interesse den depvssedirten Fürsten ihren Hochmuth ins Unerträgliche gesteigert hatte, und wir verdanken ihn dem patriotischen Stolz einiger altpreußischer Junker, welche im Kampfe gegen die liberale Par¬ tei erkannten, daß nur ein kühnes Vorgehen Preußens auf nationalem Wege ihren Staat und Deutschland aus der Unmacht herausheben könne. Und wieder jetzt haben die ritterlichen Reactionäre in der Hand, ob die gegenwärtige Umwälzung in ruhigem Verlauf endet oder nicht. Fügen sie sich selbst mit einigem Verständniß der großen Ideen, welche jetzt das Schicksal Deutschlands leiten, in die neue Zeit, so mag diese Revolution von jetzt ab schonend und friedlich den politischen Staatsbäu Deutschlands umgestalten und sie, selbst mögen in dem neuen Hause ihre Stellung, ihren Besitz und, was im Grunde noch den höchsten Werth hat, eine bevor¬ zugte Stellung im Volke bewahren. Reagiren sie feindlich wie bisher gegen die neue Zeit, so wird der innere Kampf heftiger und erbitterter gegen sie ent¬ brennen, als der Krieg dieses Jahres, und ihre Häupter werden mit Gewalt herabgedrückt werden, um freien Weg zu schaffen für den neuen Staat. Aus dem Weg, den die preußische Negierung seit diesem Frühjahr betreten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/17>, abgerufen am 30.06.2024.