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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Publicationen der jüngsten Zeit entging ihm hier nichts. Auch hier wieder
bezeugte er seine vollste Theilnahme durch umfassende, natürlich den Kunstformen
der Originale nachgeviloete Uebersetzungen, besonders von Hymnen des Rig-
Veda. Sie stützen sich auf eine großartige Fülle von metrischen und rhyth¬
mischen Beobachtungen zunächst eins dieser vorsanskritischen Poesie, dann aber
auch aus der eigentlichen sanskritischen Periode. Die Entdeckung, wie man sie
wohl nennen darf, der BedaUleratur fällt in eine Lebensperiode Rückerts, wo
er nach dem gewöhnlichen Herkommen die Befugniß gehabt hätte auszuruhen
und Anderen die Ausbeute der neuen Welt des Geistes, die sich damit erschloß,
zu überlassen. Er aber wurde dadurch nur zu erhöhter, gleichsam verjüngter
Thätigkeit angeregt und behielt die wahrhaft begeisterte Theilnahme an der
Hebung dieser Schätze, von der er in dem Momente erfüllt wurde, als er ihre
ersten Resultate kennen lernte, ungeschwächt bis zuletzt. Er ist immer wieder
auf die Beden, ihre Kunstformen und ihr eigentlich linguistisches Material, be¬
sonders das lexikalische zurückgeführt worden, was seine hier vorzugsweise reichen
und vollständigen Papiere bezeugen.

Wir haben in dieser möglichst gedrängten Uebersicht nur die eigentlichen
Spitzen und diese nicht einmal alle, so z. B. übergehen wir ganz seine kolossalen
Arbeiten über das Schah-Rauch, heraustreten lassen, in denen sich die wissen¬
schaftliche Thätigkeit Rückerts zusammendrängte. Aber es darf auch nicht ganz
Übergängen werben, daß sie unendlich ausgebreiteter war, als sich bisher dar¬
stellte. Daß man ihn nicht als einen bloßen Orientalisten in dem beschränkten
Fachsinne gelten lassen darf, hat sich bereits ergeben. Seine linguistischen und
literanschen Interessen reichten aber noch weit über die bereits umschriebenen
Grenzen hinaus. Es ist eine Periode in seinem gelehrten Leben gewesen, in
der er dieselbe Concentration des Geistes, von der wie von dem Blitze alle
Hindernisse zerschmettert wurden, einer Reihe von Sprachen zuwandte, die auch
bei dem jetzigen Aufschwung des linguistischen Studiums doch nur sehr verein¬
zelt gepflegt werden. Hierher läßt sich schon das Koptische rechnen, dessen emi¬
nente Bedeutung ihn bis in die letzte Zeit zu unermüdlichem Fleiße reizte.
Die Resultate davon liegen in den ausgedehntesten grammatikalischen und lexi¬
kalischen Sammlungen vor, die zugleich wie immer völlige Neuconstruirungen
des bisherigen Wissensstandes sind. Wegen einer gewissen Wahlverwandt¬
schaft seines literarischen Genius, nicht seines sprachlichen, möge hier auch des
Armenischen gedacht werden. Im Beginne der vierziger Jahre beschäftigte
er sich eindringlich damit und eine poetische Frucht davon ist die Tragödie
König Oesalt, eines der ergreifendsten Geschichtsbilder von welthistorischer Per-
spective.

Fast ebenso mächtig wie später durch das Koptische sah er sich lange Zeit


Grenzboten IV. 186ö. 20

Publicationen der jüngsten Zeit entging ihm hier nichts. Auch hier wieder
bezeugte er seine vollste Theilnahme durch umfassende, natürlich den Kunstformen
der Originale nachgeviloete Uebersetzungen, besonders von Hymnen des Rig-
Veda. Sie stützen sich auf eine großartige Fülle von metrischen und rhyth¬
mischen Beobachtungen zunächst eins dieser vorsanskritischen Poesie, dann aber
auch aus der eigentlichen sanskritischen Periode. Die Entdeckung, wie man sie
wohl nennen darf, der BedaUleratur fällt in eine Lebensperiode Rückerts, wo
er nach dem gewöhnlichen Herkommen die Befugniß gehabt hätte auszuruhen
und Anderen die Ausbeute der neuen Welt des Geistes, die sich damit erschloß,
zu überlassen. Er aber wurde dadurch nur zu erhöhter, gleichsam verjüngter
Thätigkeit angeregt und behielt die wahrhaft begeisterte Theilnahme an der
Hebung dieser Schätze, von der er in dem Momente erfüllt wurde, als er ihre
ersten Resultate kennen lernte, ungeschwächt bis zuletzt. Er ist immer wieder
auf die Beden, ihre Kunstformen und ihr eigentlich linguistisches Material, be¬
sonders das lexikalische zurückgeführt worden, was seine hier vorzugsweise reichen
und vollständigen Papiere bezeugen.

Wir haben in dieser möglichst gedrängten Uebersicht nur die eigentlichen
Spitzen und diese nicht einmal alle, so z. B. übergehen wir ganz seine kolossalen
Arbeiten über das Schah-Rauch, heraustreten lassen, in denen sich die wissen¬
schaftliche Thätigkeit Rückerts zusammendrängte. Aber es darf auch nicht ganz
Übergängen werben, daß sie unendlich ausgebreiteter war, als sich bisher dar¬
stellte. Daß man ihn nicht als einen bloßen Orientalisten in dem beschränkten
Fachsinne gelten lassen darf, hat sich bereits ergeben. Seine linguistischen und
literanschen Interessen reichten aber noch weit über die bereits umschriebenen
Grenzen hinaus. Es ist eine Periode in seinem gelehrten Leben gewesen, in
der er dieselbe Concentration des Geistes, von der wie von dem Blitze alle
Hindernisse zerschmettert wurden, einer Reihe von Sprachen zuwandte, die auch
bei dem jetzigen Aufschwung des linguistischen Studiums doch nur sehr verein¬
zelt gepflegt werden. Hierher läßt sich schon das Koptische rechnen, dessen emi¬
nente Bedeutung ihn bis in die letzte Zeit zu unermüdlichem Fleiße reizte.
Die Resultate davon liegen in den ausgedehntesten grammatikalischen und lexi¬
kalischen Sammlungen vor, die zugleich wie immer völlige Neuconstruirungen
des bisherigen Wissensstandes sind. Wegen einer gewissen Wahlverwandt¬
schaft seines literarischen Genius, nicht seines sprachlichen, möge hier auch des
Armenischen gedacht werden. Im Beginne der vierziger Jahre beschäftigte
er sich eindringlich damit und eine poetische Frucht davon ist die Tragödie
König Oesalt, eines der ergreifendsten Geschichtsbilder von welthistorischer Per-
spective.

Fast ebenso mächtig wie später durch das Koptische sah er sich lange Zeit


Grenzboten IV. 186ö. 20
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[0169] Publicationen der jüngsten Zeit entging ihm hier nichts. Auch hier wieder bezeugte er seine vollste Theilnahme durch umfassende, natürlich den Kunstformen der Originale nachgeviloete Uebersetzungen, besonders von Hymnen des Rig- Veda. Sie stützen sich auf eine großartige Fülle von metrischen und rhyth¬ mischen Beobachtungen zunächst eins dieser vorsanskritischen Poesie, dann aber auch aus der eigentlichen sanskritischen Periode. Die Entdeckung, wie man sie wohl nennen darf, der BedaUleratur fällt in eine Lebensperiode Rückerts, wo er nach dem gewöhnlichen Herkommen die Befugniß gehabt hätte auszuruhen und Anderen die Ausbeute der neuen Welt des Geistes, die sich damit erschloß, zu überlassen. Er aber wurde dadurch nur zu erhöhter, gleichsam verjüngter Thätigkeit angeregt und behielt die wahrhaft begeisterte Theilnahme an der Hebung dieser Schätze, von der er in dem Momente erfüllt wurde, als er ihre ersten Resultate kennen lernte, ungeschwächt bis zuletzt. Er ist immer wieder auf die Beden, ihre Kunstformen und ihr eigentlich linguistisches Material, be¬ sonders das lexikalische zurückgeführt worden, was seine hier vorzugsweise reichen und vollständigen Papiere bezeugen. Wir haben in dieser möglichst gedrängten Uebersicht nur die eigentlichen Spitzen und diese nicht einmal alle, so z. B. übergehen wir ganz seine kolossalen Arbeiten über das Schah-Rauch, heraustreten lassen, in denen sich die wissen¬ schaftliche Thätigkeit Rückerts zusammendrängte. Aber es darf auch nicht ganz Übergängen werben, daß sie unendlich ausgebreiteter war, als sich bisher dar¬ stellte. Daß man ihn nicht als einen bloßen Orientalisten in dem beschränkten Fachsinne gelten lassen darf, hat sich bereits ergeben. Seine linguistischen und literanschen Interessen reichten aber noch weit über die bereits umschriebenen Grenzen hinaus. Es ist eine Periode in seinem gelehrten Leben gewesen, in der er dieselbe Concentration des Geistes, von der wie von dem Blitze alle Hindernisse zerschmettert wurden, einer Reihe von Sprachen zuwandte, die auch bei dem jetzigen Aufschwung des linguistischen Studiums doch nur sehr verein¬ zelt gepflegt werden. Hierher läßt sich schon das Koptische rechnen, dessen emi¬ nente Bedeutung ihn bis in die letzte Zeit zu unermüdlichem Fleiße reizte. Die Resultate davon liegen in den ausgedehntesten grammatikalischen und lexi¬ kalischen Sammlungen vor, die zugleich wie immer völlige Neuconstruirungen des bisherigen Wissensstandes sind. Wegen einer gewissen Wahlverwandt¬ schaft seines literarischen Genius, nicht seines sprachlichen, möge hier auch des Armenischen gedacht werden. Im Beginne der vierziger Jahre beschäftigte er sich eindringlich damit und eine poetische Frucht davon ist die Tragödie König Oesalt, eines der ergreifendsten Geschichtsbilder von welthistorischer Per- spective. Fast ebenso mächtig wie später durch das Koptische sah er sich lange Zeit Grenzboten IV. 186ö. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/169>, abgerufen am 02.07.2024.