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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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heute. Daß er sich aber einstmals mit Voller Kraft auch in diesen Stoff ver¬
senkte, dafür zeugt nicht allein die bekannte Übersetzung der Propheten. Sie
ist unvollständig geblieben; es sollte nämlich ein Commentar folgen, der nie¬
mals erschienen ist. Doch ist er zum großen Theil sorgfältig ausgearbeitet und
zum Drucke vorbereitn noch bandschnfrlich vorhanden und auch später öfter
revidirt und verbessert. Er umfaßt die kleinen Propheten vollständig, von den
großen nur die letzten zwanzig Capitel des Jesaias. Er basirt offenbar auf
Kollegienheften und scheint auch bei den Vorlesungen, die Rückert mehre Mqle
grade über diese Themata hielt, benutzt worden zu sein.

Neben der Übersetzung der Propheten wandte er seine nachbildende Meister¬
schaft aber auch den Psalmen zu. Etwa siebzig davon, also ungefähr die Hälfte,
nach ihrem poetischen Verdienste ausgewählt, sind in dem Original möglichst
treu sich anschließender, öfter und auch noch in den spätesten Jahren sorgfältig
nachgefeilter Form vorhanden. Ein Vergleich mit pen Zandern Älteren und
neueren deutschen Psalmenübersetzungen, an denen wir bekanntlich einen Ueber¬
fluß haben, ist kaum anzustellen, denn man darf behaupten, daß alle früheren
Uebersetzer in dem, was hier hauptsächlich wirkt, in dem völligen Eindringen
in die rhythmische Form dieser hebräischen Lyrik so viel wie nichts geleistet
oder es höchstens zu unsicherem Tasten gebracht haben. Diese Übersetzung ist
wie die der Propheten von einem ausführlichen, leider aber lückenhaften Com¬
mentar begleitet. Auch er geht, wie es scheint, auf Collegienheftc zurück, erhebt
sich aber weit über das gewöhnliche Niveau solcher, und war, wenn auch nicht
zur Veröffentlichung, doch zu vollständiger wissenschaftlicher Begründung und
Erschöpfung des Gegenstandes für den Autor selbst bestimmt. studi.er über
Hiob sind nur zu den ersten Anläufen gediehen: eine zusammenhängende voll¬
ständige Uebersetzung, das sicherste und niemals fehlende Zeichen, daß Rückert
ein Object wirklich bewältigt hatte, findet sich nicht, sondern nur gelegentliche
Ansätze dazu, die um so mehr es beklagen lassen, daß diese Arbeit ganz bei
Seite gedrängt wurde, wie auch eine ähnliche über die Sprüche Salomonis.

Es ist ein eigenthümliches, aber nach der Geisteshaltung Rückerts wohl
zu erklärendes Factum, daß grade aus dieser Zeit auch eine Uebersetzung der
poetischen Theile des Korans stammt, oder in dieser Zeit zum Abschluß gebracht
wurde, denn die Anfänge reichen noch in die k.vburger Periode, wahrscheinlich
in die allererste Zeit der arabischen Studien überhaupt. Diese Koranübersetzung
ist, wie es scheint, so weit vollständig, als es von Anfang beabsichtigt war,
denn Rückert dachte niemals daran den ganzen Mischmasch abgeschmackter Con-
fusion und platter Trivialität, der sich neben der gehaltvollsten Poesie in der
Sammlung des Koran findet, rmäs eruäs ins Deutsche zu übertragen. Auch
hier geht ein ausführlicher, rechtfertigender und begründender Commentar Hand
in Hand mit der Uebersetzung. Der Commentar sollte wie jener über die Prp-


Grenzboten IV, 1"6S. 19

heute. Daß er sich aber einstmals mit Voller Kraft auch in diesen Stoff ver¬
senkte, dafür zeugt nicht allein die bekannte Übersetzung der Propheten. Sie
ist unvollständig geblieben; es sollte nämlich ein Commentar folgen, der nie¬
mals erschienen ist. Doch ist er zum großen Theil sorgfältig ausgearbeitet und
zum Drucke vorbereitn noch bandschnfrlich vorhanden und auch später öfter
revidirt und verbessert. Er umfaßt die kleinen Propheten vollständig, von den
großen nur die letzten zwanzig Capitel des Jesaias. Er basirt offenbar auf
Kollegienheften und scheint auch bei den Vorlesungen, die Rückert mehre Mqle
grade über diese Themata hielt, benutzt worden zu sein.

Neben der Übersetzung der Propheten wandte er seine nachbildende Meister¬
schaft aber auch den Psalmen zu. Etwa siebzig davon, also ungefähr die Hälfte,
nach ihrem poetischen Verdienste ausgewählt, sind in dem Original möglichst
treu sich anschließender, öfter und auch noch in den spätesten Jahren sorgfältig
nachgefeilter Form vorhanden. Ein Vergleich mit pen Zandern Älteren und
neueren deutschen Psalmenübersetzungen, an denen wir bekanntlich einen Ueber¬
fluß haben, ist kaum anzustellen, denn man darf behaupten, daß alle früheren
Uebersetzer in dem, was hier hauptsächlich wirkt, in dem völligen Eindringen
in die rhythmische Form dieser hebräischen Lyrik so viel wie nichts geleistet
oder es höchstens zu unsicherem Tasten gebracht haben. Diese Übersetzung ist
wie die der Propheten von einem ausführlichen, leider aber lückenhaften Com¬
mentar begleitet. Auch er geht, wie es scheint, auf Collegienheftc zurück, erhebt
sich aber weit über das gewöhnliche Niveau solcher, und war, wenn auch nicht
zur Veröffentlichung, doch zu vollständiger wissenschaftlicher Begründung und
Erschöpfung des Gegenstandes für den Autor selbst bestimmt. studi.er über
Hiob sind nur zu den ersten Anläufen gediehen: eine zusammenhängende voll¬
ständige Uebersetzung, das sicherste und niemals fehlende Zeichen, daß Rückert
ein Object wirklich bewältigt hatte, findet sich nicht, sondern nur gelegentliche
Ansätze dazu, die um so mehr es beklagen lassen, daß diese Arbeit ganz bei
Seite gedrängt wurde, wie auch eine ähnliche über die Sprüche Salomonis.

Es ist ein eigenthümliches, aber nach der Geisteshaltung Rückerts wohl
zu erklärendes Factum, daß grade aus dieser Zeit auch eine Uebersetzung der
poetischen Theile des Korans stammt, oder in dieser Zeit zum Abschluß gebracht
wurde, denn die Anfänge reichen noch in die k.vburger Periode, wahrscheinlich
in die allererste Zeit der arabischen Studien überhaupt. Diese Koranübersetzung
ist, wie es scheint, so weit vollständig, als es von Anfang beabsichtigt war,
denn Rückert dachte niemals daran den ganzen Mischmasch abgeschmackter Con-
fusion und platter Trivialität, der sich neben der gehaltvollsten Poesie in der
Sammlung des Koran findet, rmäs eruäs ins Deutsche zu übertragen. Auch
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in Hand mit der Uebersetzung. Der Commentar sollte wie jener über die Prp-


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[0161] heute. Daß er sich aber einstmals mit Voller Kraft auch in diesen Stoff ver¬ senkte, dafür zeugt nicht allein die bekannte Übersetzung der Propheten. Sie ist unvollständig geblieben; es sollte nämlich ein Commentar folgen, der nie¬ mals erschienen ist. Doch ist er zum großen Theil sorgfältig ausgearbeitet und zum Drucke vorbereitn noch bandschnfrlich vorhanden und auch später öfter revidirt und verbessert. Er umfaßt die kleinen Propheten vollständig, von den großen nur die letzten zwanzig Capitel des Jesaias. Er basirt offenbar auf Kollegienheften und scheint auch bei den Vorlesungen, die Rückert mehre Mqle grade über diese Themata hielt, benutzt worden zu sein. Neben der Übersetzung der Propheten wandte er seine nachbildende Meister¬ schaft aber auch den Psalmen zu. Etwa siebzig davon, also ungefähr die Hälfte, nach ihrem poetischen Verdienste ausgewählt, sind in dem Original möglichst treu sich anschließender, öfter und auch noch in den spätesten Jahren sorgfältig nachgefeilter Form vorhanden. Ein Vergleich mit pen Zandern Älteren und neueren deutschen Psalmenübersetzungen, an denen wir bekanntlich einen Ueber¬ fluß haben, ist kaum anzustellen, denn man darf behaupten, daß alle früheren Uebersetzer in dem, was hier hauptsächlich wirkt, in dem völligen Eindringen in die rhythmische Form dieser hebräischen Lyrik so viel wie nichts geleistet oder es höchstens zu unsicherem Tasten gebracht haben. Diese Übersetzung ist wie die der Propheten von einem ausführlichen, leider aber lückenhaften Com¬ mentar begleitet. Auch er geht, wie es scheint, auf Collegienheftc zurück, erhebt sich aber weit über das gewöhnliche Niveau solcher, und war, wenn auch nicht zur Veröffentlichung, doch zu vollständiger wissenschaftlicher Begründung und Erschöpfung des Gegenstandes für den Autor selbst bestimmt. studi.er über Hiob sind nur zu den ersten Anläufen gediehen: eine zusammenhängende voll¬ ständige Uebersetzung, das sicherste und niemals fehlende Zeichen, daß Rückert ein Object wirklich bewältigt hatte, findet sich nicht, sondern nur gelegentliche Ansätze dazu, die um so mehr es beklagen lassen, daß diese Arbeit ganz bei Seite gedrängt wurde, wie auch eine ähnliche über die Sprüche Salomonis. Es ist ein eigenthümliches, aber nach der Geisteshaltung Rückerts wohl zu erklärendes Factum, daß grade aus dieser Zeit auch eine Uebersetzung der poetischen Theile des Korans stammt, oder in dieser Zeit zum Abschluß gebracht wurde, denn die Anfänge reichen noch in die k.vburger Periode, wahrscheinlich in die allererste Zeit der arabischen Studien überhaupt. Diese Koranübersetzung ist, wie es scheint, so weit vollständig, als es von Anfang beabsichtigt war, denn Rückert dachte niemals daran den ganzen Mischmasch abgeschmackter Con- fusion und platter Trivialität, der sich neben der gehaltvollsten Poesie in der Sammlung des Koran findet, rmäs eruäs ins Deutsche zu übertragen. Auch hier geht ein ausführlicher, rechtfertigender und begründender Commentar Hand in Hand mit der Uebersetzung. Der Commentar sollte wie jener über die Prp- Grenzboten IV, 1«6S. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/161>, abgerufen am 25.07.2024.