Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

pheten und die Psalmen zugleich die Stelle einer kritischen Textesausgabe ve"-
treten. Darauf bezieht sich auch die gelegentlich ins Publikum gekommene
Notiz, daß Rückert mit einer Kvranausgabe und Uebersetzung beschäftigt sei,
oder sich beschäftigt habe. Auch diese Koranstudien hat er noch in spätrer Zeit
in gewohnter Weise gepflegt und revidirt, obgleich er unsers Wissens später
nicht mehr an ihre Veröffentlichung dachte.

Neben dem Arabischen und Hebräischen wurden aber auch die andern semi¬
tischen Sprachen trotz des natürlichen Übergewichtes, welches das Arabische
linguistisch und literarisch ihnen gegenüber behauptete, von Rückert nicht un¬
beachtet gelassen. So stammen grabe aus der erlanger Periode, die man des¬
halb die wesentlich semitische seiner gelehrten Thätigkeit nennen kann, umfassende
Arbeiten über das Aethiopische, das ihn nur von der rein linguistischen Seite
anzog, da es eigentlich keine selbständige Literatur besitzt, sondern sich auf Ueber-
setzungen aus dem preise der jüdischen und christlichen kirchlichen Denkmäler
beschränkt. Schon damals fesselte ihn auch das Koptische; er erkannte sofort
in ihm ein merkwürdiges Mittelglied zwischen dem Semitismus und Jndo-
gcrmanismus, oder wie er es später immer entschiedener fixirte, die Reste einer
älteren Sprachbildung, in der nur die Keime jener beiden großen Aeste des
flectirenden Sprachstammes vorhanden und beschlossen liegen. Doch hinderte
ihn damals der Mangel an irgend genügenden Hilfsmitteln weiter vorzudringen,
vielleicht auch die grenzenlose Trockenheit und Unerquicklichkeit der koptischen
Literatur, die wie die äthiopische fast nur eine Uebersctzungsliteratur innerhalb
des engsten Kreises ist. Damals überwog bei ihm offenbar noch das künstle¬
rische oder poetische Interesse über das rein linguistische; später verhielt es sich
umgekehrt. Daß er syrisch und Chaldäisch nicht blos vollständig beherrschte,
sondern auch wie überall, sofort auch hier selbständig über das bisher Geleistete
hinausging, bedarf keiner Erwähnung. Das Resultat waren die großartig an¬
gelegten Fragmente einer vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen,
die schon erwähnt wurden. Es läßt sich nicht erkennen, ob diese vorhandenen
relativ wenigen Blätter jemals zu einem vollständigen Ganzen gehört haben:
jedenfalls aber können sie selbst nicht möglich gedacht werden ohne viele andre
zwischen und vor ihnen, die bis jetzt spurlos verschwunden sind. Es war darauf
abgesehen, das Wesen des semitischen Sprachbaues in seinen innersten Tiefen
bloß zu legen und so zu sagen den semitischen Grundtypus an sich zu recon-
struiren. Arabisch und Hebräisch, als die beiden zugänglichsten und entwickeltsten
sa'öpsungen des semitischen Sprachgenies, sind vorzugsweise berücksichtigt und
hier wieder das der Z^it nach jüngere, in seiner eigentlichen sprachlichen Con¬
ception aber ältere und ursprünglichere Arabisch. Doch der äußeren Zugcingllchkeit
wegen wird immer vom Hebräischen ausgegangen, weil es bei weitem die be¬
kannteste und relativ auch leichteste Sprache der ganzen Gruppe ist. Formen-


pheten und die Psalmen zugleich die Stelle einer kritischen Textesausgabe ve»-
treten. Darauf bezieht sich auch die gelegentlich ins Publikum gekommene
Notiz, daß Rückert mit einer Kvranausgabe und Uebersetzung beschäftigt sei,
oder sich beschäftigt habe. Auch diese Koranstudien hat er noch in spätrer Zeit
in gewohnter Weise gepflegt und revidirt, obgleich er unsers Wissens später
nicht mehr an ihre Veröffentlichung dachte.

Neben dem Arabischen und Hebräischen wurden aber auch die andern semi¬
tischen Sprachen trotz des natürlichen Übergewichtes, welches das Arabische
linguistisch und literarisch ihnen gegenüber behauptete, von Rückert nicht un¬
beachtet gelassen. So stammen grabe aus der erlanger Periode, die man des¬
halb die wesentlich semitische seiner gelehrten Thätigkeit nennen kann, umfassende
Arbeiten über das Aethiopische, das ihn nur von der rein linguistischen Seite
anzog, da es eigentlich keine selbständige Literatur besitzt, sondern sich auf Ueber-
setzungen aus dem preise der jüdischen und christlichen kirchlichen Denkmäler
beschränkt. Schon damals fesselte ihn auch das Koptische; er erkannte sofort
in ihm ein merkwürdiges Mittelglied zwischen dem Semitismus und Jndo-
gcrmanismus, oder wie er es später immer entschiedener fixirte, die Reste einer
älteren Sprachbildung, in der nur die Keime jener beiden großen Aeste des
flectirenden Sprachstammes vorhanden und beschlossen liegen. Doch hinderte
ihn damals der Mangel an irgend genügenden Hilfsmitteln weiter vorzudringen,
vielleicht auch die grenzenlose Trockenheit und Unerquicklichkeit der koptischen
Literatur, die wie die äthiopische fast nur eine Uebersctzungsliteratur innerhalb
des engsten Kreises ist. Damals überwog bei ihm offenbar noch das künstle¬
rische oder poetische Interesse über das rein linguistische; später verhielt es sich
umgekehrt. Daß er syrisch und Chaldäisch nicht blos vollständig beherrschte,
sondern auch wie überall, sofort auch hier selbständig über das bisher Geleistete
hinausging, bedarf keiner Erwähnung. Das Resultat waren die großartig an¬
gelegten Fragmente einer vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen,
die schon erwähnt wurden. Es läßt sich nicht erkennen, ob diese vorhandenen
relativ wenigen Blätter jemals zu einem vollständigen Ganzen gehört haben:
jedenfalls aber können sie selbst nicht möglich gedacht werden ohne viele andre
zwischen und vor ihnen, die bis jetzt spurlos verschwunden sind. Es war darauf
abgesehen, das Wesen des semitischen Sprachbaues in seinen innersten Tiefen
bloß zu legen und so zu sagen den semitischen Grundtypus an sich zu recon-
struiren. Arabisch und Hebräisch, als die beiden zugänglichsten und entwickeltsten
sa'öpsungen des semitischen Sprachgenies, sind vorzugsweise berücksichtigt und
hier wieder das der Z^it nach jüngere, in seiner eigentlichen sprachlichen Con¬
ception aber ältere und ursprünglichere Arabisch. Doch der äußeren Zugcingllchkeit
wegen wird immer vom Hebräischen ausgegangen, weil es bei weitem die be¬
kannteste und relativ auch leichteste Sprache der ganzen Gruppe ist. Formen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286310"/>
          <p xml:id="ID_435" prev="#ID_434"> pheten und die Psalmen zugleich die Stelle einer kritischen Textesausgabe ve»-<lb/>
treten. Darauf bezieht sich auch die gelegentlich ins Publikum gekommene<lb/>
Notiz, daß Rückert mit einer Kvranausgabe und Uebersetzung beschäftigt sei,<lb/>
oder sich beschäftigt habe. Auch diese Koranstudien hat er noch in spätrer Zeit<lb/>
in gewohnter Weise gepflegt und revidirt, obgleich er unsers Wissens später<lb/>
nicht mehr an ihre Veröffentlichung dachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_436" next="#ID_437"> Neben dem Arabischen und Hebräischen wurden aber auch die andern semi¬<lb/>
tischen Sprachen trotz des natürlichen Übergewichtes, welches das Arabische<lb/>
linguistisch und literarisch ihnen gegenüber behauptete, von Rückert nicht un¬<lb/>
beachtet gelassen. So stammen grabe aus der erlanger Periode, die man des¬<lb/>
halb die wesentlich semitische seiner gelehrten Thätigkeit nennen kann, umfassende<lb/>
Arbeiten über das Aethiopische, das ihn nur von der rein linguistischen Seite<lb/>
anzog, da es eigentlich keine selbständige Literatur besitzt, sondern sich auf Ueber-<lb/>
setzungen aus dem preise der jüdischen und christlichen kirchlichen Denkmäler<lb/>
beschränkt. Schon damals fesselte ihn auch das Koptische; er erkannte sofort<lb/>
in ihm ein merkwürdiges Mittelglied zwischen dem Semitismus und Jndo-<lb/>
gcrmanismus, oder wie er es später immer entschiedener fixirte, die Reste einer<lb/>
älteren Sprachbildung, in der nur die Keime jener beiden großen Aeste des<lb/>
flectirenden Sprachstammes vorhanden und beschlossen liegen. Doch hinderte<lb/>
ihn damals der Mangel an irgend genügenden Hilfsmitteln weiter vorzudringen,<lb/>
vielleicht auch die grenzenlose Trockenheit und Unerquicklichkeit der koptischen<lb/>
Literatur, die wie die äthiopische fast nur eine Uebersctzungsliteratur innerhalb<lb/>
des engsten Kreises ist. Damals überwog bei ihm offenbar noch das künstle¬<lb/>
rische oder poetische Interesse über das rein linguistische; später verhielt es sich<lb/>
umgekehrt. Daß er syrisch und Chaldäisch nicht blos vollständig beherrschte,<lb/>
sondern auch wie überall, sofort auch hier selbständig über das bisher Geleistete<lb/>
hinausging, bedarf keiner Erwähnung. Das Resultat waren die großartig an¬<lb/>
gelegten Fragmente einer vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen,<lb/>
die schon erwähnt wurden. Es läßt sich nicht erkennen, ob diese vorhandenen<lb/>
relativ wenigen Blätter jemals zu einem vollständigen Ganzen gehört haben:<lb/>
jedenfalls aber können sie selbst nicht möglich gedacht werden ohne viele andre<lb/>
zwischen und vor ihnen, die bis jetzt spurlos verschwunden sind. Es war darauf<lb/>
abgesehen, das Wesen des semitischen Sprachbaues in seinen innersten Tiefen<lb/>
bloß zu legen und so zu sagen den semitischen Grundtypus an sich zu recon-<lb/>
struiren. Arabisch und Hebräisch, als die beiden zugänglichsten und entwickeltsten<lb/>
sa'öpsungen des semitischen Sprachgenies, sind vorzugsweise berücksichtigt und<lb/>
hier wieder das der Z^it nach jüngere, in seiner eigentlichen sprachlichen Con¬<lb/>
ception aber ältere und ursprünglichere Arabisch. Doch der äußeren Zugcingllchkeit<lb/>
wegen wird immer vom Hebräischen ausgegangen, weil es bei weitem die be¬<lb/>
kannteste und relativ auch leichteste Sprache der ganzen Gruppe ist. Formen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0162] pheten und die Psalmen zugleich die Stelle einer kritischen Textesausgabe ve»- treten. Darauf bezieht sich auch die gelegentlich ins Publikum gekommene Notiz, daß Rückert mit einer Kvranausgabe und Uebersetzung beschäftigt sei, oder sich beschäftigt habe. Auch diese Koranstudien hat er noch in spätrer Zeit in gewohnter Weise gepflegt und revidirt, obgleich er unsers Wissens später nicht mehr an ihre Veröffentlichung dachte. Neben dem Arabischen und Hebräischen wurden aber auch die andern semi¬ tischen Sprachen trotz des natürlichen Übergewichtes, welches das Arabische linguistisch und literarisch ihnen gegenüber behauptete, von Rückert nicht un¬ beachtet gelassen. So stammen grabe aus der erlanger Periode, die man des¬ halb die wesentlich semitische seiner gelehrten Thätigkeit nennen kann, umfassende Arbeiten über das Aethiopische, das ihn nur von der rein linguistischen Seite anzog, da es eigentlich keine selbständige Literatur besitzt, sondern sich auf Ueber- setzungen aus dem preise der jüdischen und christlichen kirchlichen Denkmäler beschränkt. Schon damals fesselte ihn auch das Koptische; er erkannte sofort in ihm ein merkwürdiges Mittelglied zwischen dem Semitismus und Jndo- gcrmanismus, oder wie er es später immer entschiedener fixirte, die Reste einer älteren Sprachbildung, in der nur die Keime jener beiden großen Aeste des flectirenden Sprachstammes vorhanden und beschlossen liegen. Doch hinderte ihn damals der Mangel an irgend genügenden Hilfsmitteln weiter vorzudringen, vielleicht auch die grenzenlose Trockenheit und Unerquicklichkeit der koptischen Literatur, die wie die äthiopische fast nur eine Uebersctzungsliteratur innerhalb des engsten Kreises ist. Damals überwog bei ihm offenbar noch das künstle¬ rische oder poetische Interesse über das rein linguistische; später verhielt es sich umgekehrt. Daß er syrisch und Chaldäisch nicht blos vollständig beherrschte, sondern auch wie überall, sofort auch hier selbständig über das bisher Geleistete hinausging, bedarf keiner Erwähnung. Das Resultat waren die großartig an¬ gelegten Fragmente einer vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen, die schon erwähnt wurden. Es läßt sich nicht erkennen, ob diese vorhandenen relativ wenigen Blätter jemals zu einem vollständigen Ganzen gehört haben: jedenfalls aber können sie selbst nicht möglich gedacht werden ohne viele andre zwischen und vor ihnen, die bis jetzt spurlos verschwunden sind. Es war darauf abgesehen, das Wesen des semitischen Sprachbaues in seinen innersten Tiefen bloß zu legen und so zu sagen den semitischen Grundtypus an sich zu recon- struiren. Arabisch und Hebräisch, als die beiden zugänglichsten und entwickeltsten sa'öpsungen des semitischen Sprachgenies, sind vorzugsweise berücksichtigt und hier wieder das der Z^it nach jüngere, in seiner eigentlichen sprachlichen Con¬ ception aber ältere und ursprünglichere Arabisch. Doch der äußeren Zugcingllchkeit wegen wird immer vom Hebräischen ausgegangen, weil es bei weitem die be¬ kannteste und relativ auch leichteste Sprache der ganzen Gruppe ist. Formen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/162
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/162>, abgerufen am 25.07.2024.