Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

(seinem siebenzigsten Geburtstage) und ihn würdig befunden in metrischer und
poetischer Reinheit hergestellt zu werden. Ich habe dazu in den Blättern für
Metrik die meisten zu verbessernden Stellen zusammengestellt. Die meisten sind
auch im Texte selbst von mir corrigirt." Da er allmälig doch fühlen mochte,
daß ihm die Zeit, diese sowie unzählige andere Aufgaben auch äußerlich voll¬
ständig zu lösen, nicht mehr hinreichen möge, so sind diese und so viele andere
ähnliche Notizen zugleich auch als eine Mahnung und Verständigung für die¬
jenigen gemeint, welche später zu Ehren und Frommen der Wissenschaft seine
Gcistesschätze zugänglich zu machen gedächten. Denn es darf wohl als allgemein
bekannt vorausgesetzt werden, daß er diesen Fall vorausgesehen und verschiedene
darauf bezügliche Dispositionen getroffen hat. Er wollte nicht blos für sich
selbst, sondern für die Wissenschaft oder alle die, welche an diesen Studien be¬
theiligt sind, gearbeitet haben, wenn er auch sich selbst von der äußeren Be¬
schwerde und dem unendlichen Zeitverluste dispensirte, den die Veröffentlichung
solcher gelehrter Arbeiten nothwendig mit sich bringt. Er war sich bewußt,
seine Kraft nicht blos für sich, sondern für die Gesammtheit besser anzuwenden,
wenn er nur den Theil der Arbeit, den eigentlichen geistigen und schöpferischen
auf sich nahm, in welchem es ihm kein Andrer gleichthun konnte. Was ebenso
wohl Andern überlassen werden mochte, ließ er auf sich beruhen, indem er sich
,dem Vertrauen hingab, daß eine nähere oder fernere Zukunft schon die Mittel
und Wege finden werde, um sich der Früchte seines Geistes zu bemächtigen.

Jene gedeihlichste Periode der gelehrten Thätigkeit wiederholte sich in aus¬
gedehnterem Maßstabe am Schlüsse seines Lebens, in den letzten achtzehn Jahren,
die er von 1848--18K6 fortwährend in Neuseß und fortwährend nur sich selbst
lebend zubrachte. Zwischen inne liegt seine akademische Berufsthätigkeit in
Erlangen und Berlin. Da er für sein eigenstes Fach oder für den Studien¬
kreis, dem er sich grade damals mit der größten Intensität gewidmet hatte, als
Lehrer wirkte, so verband sich beides, sein Amt und seine Privatthätigkeit gänz¬
lich mit einander. Nur brachte es das Amt mit sich, daß er diese oder jene
Specialität wenigstens zeitweise besonders berücksichtigte, die er vielleicht ohne
eine solche äußere Veranlassung weniger oder in anderem Zusammenhange auf¬
genommen haben würde. Dies gilt hauptsächlich von seinen Arbeiten im Be¬
reiche der hebräischen Sprache und Literatur. Als Professor der orientalischen
Sprachen hatte er herkömmlich die Verpflichtung dieses Fach zu vertreten und
er that es viele Jahre lang, aber allmälig mit sinkendem Interesse, bis er sich
endlich, da sich ein anderweiter Ersatz in einem jüngeren Docenten fand, ganz
davon dispensirte. Später führte ihn wohl hier und da einmal der Gang seiner
Studien wieder darauf zurück, aber er verweilte immer nur kurz dabei. Die eng¬
gezogene Grenze, innerhalb deren die Denkmäler des hebräischen Geistes, sowohl
in der Poesie wie in der Sprache selbst beschlossen sind, bot ihm zu wenig Aus"


(seinem siebenzigsten Geburtstage) und ihn würdig befunden in metrischer und
poetischer Reinheit hergestellt zu werden. Ich habe dazu in den Blättern für
Metrik die meisten zu verbessernden Stellen zusammengestellt. Die meisten sind
auch im Texte selbst von mir corrigirt." Da er allmälig doch fühlen mochte,
daß ihm die Zeit, diese sowie unzählige andere Aufgaben auch äußerlich voll¬
ständig zu lösen, nicht mehr hinreichen möge, so sind diese und so viele andere
ähnliche Notizen zugleich auch als eine Mahnung und Verständigung für die¬
jenigen gemeint, welche später zu Ehren und Frommen der Wissenschaft seine
Gcistesschätze zugänglich zu machen gedächten. Denn es darf wohl als allgemein
bekannt vorausgesetzt werden, daß er diesen Fall vorausgesehen und verschiedene
darauf bezügliche Dispositionen getroffen hat. Er wollte nicht blos für sich
selbst, sondern für die Wissenschaft oder alle die, welche an diesen Studien be¬
theiligt sind, gearbeitet haben, wenn er auch sich selbst von der äußeren Be¬
schwerde und dem unendlichen Zeitverluste dispensirte, den die Veröffentlichung
solcher gelehrter Arbeiten nothwendig mit sich bringt. Er war sich bewußt,
seine Kraft nicht blos für sich, sondern für die Gesammtheit besser anzuwenden,
wenn er nur den Theil der Arbeit, den eigentlichen geistigen und schöpferischen
auf sich nahm, in welchem es ihm kein Andrer gleichthun konnte. Was ebenso
wohl Andern überlassen werden mochte, ließ er auf sich beruhen, indem er sich
,dem Vertrauen hingab, daß eine nähere oder fernere Zukunft schon die Mittel
und Wege finden werde, um sich der Früchte seines Geistes zu bemächtigen.

Jene gedeihlichste Periode der gelehrten Thätigkeit wiederholte sich in aus¬
gedehnterem Maßstabe am Schlüsse seines Lebens, in den letzten achtzehn Jahren,
die er von 1848—18K6 fortwährend in Neuseß und fortwährend nur sich selbst
lebend zubrachte. Zwischen inne liegt seine akademische Berufsthätigkeit in
Erlangen und Berlin. Da er für sein eigenstes Fach oder für den Studien¬
kreis, dem er sich grade damals mit der größten Intensität gewidmet hatte, als
Lehrer wirkte, so verband sich beides, sein Amt und seine Privatthätigkeit gänz¬
lich mit einander. Nur brachte es das Amt mit sich, daß er diese oder jene
Specialität wenigstens zeitweise besonders berücksichtigte, die er vielleicht ohne
eine solche äußere Veranlassung weniger oder in anderem Zusammenhange auf¬
genommen haben würde. Dies gilt hauptsächlich von seinen Arbeiten im Be¬
reiche der hebräischen Sprache und Literatur. Als Professor der orientalischen
Sprachen hatte er herkömmlich die Verpflichtung dieses Fach zu vertreten und
er that es viele Jahre lang, aber allmälig mit sinkendem Interesse, bis er sich
endlich, da sich ein anderweiter Ersatz in einem jüngeren Docenten fand, ganz
davon dispensirte. Später führte ihn wohl hier und da einmal der Gang seiner
Studien wieder darauf zurück, aber er verweilte immer nur kurz dabei. Die eng¬
gezogene Grenze, innerhalb deren die Denkmäler des hebräischen Geistes, sowohl
in der Poesie wie in der Sprache selbst beschlossen sind, bot ihm zu wenig Aus«


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286308"/>
          <p xml:id="ID_430" prev="#ID_429"> (seinem siebenzigsten Geburtstage) und ihn würdig befunden in metrischer und<lb/>
poetischer Reinheit hergestellt zu werden. Ich habe dazu in den Blättern für<lb/>
Metrik die meisten zu verbessernden Stellen zusammengestellt. Die meisten sind<lb/>
auch im Texte selbst von mir corrigirt." Da er allmälig doch fühlen mochte,<lb/>
daß ihm die Zeit, diese sowie unzählige andere Aufgaben auch äußerlich voll¬<lb/>
ständig zu lösen, nicht mehr hinreichen möge, so sind diese und so viele andere<lb/>
ähnliche Notizen zugleich auch als eine Mahnung und Verständigung für die¬<lb/>
jenigen gemeint, welche später zu Ehren und Frommen der Wissenschaft seine<lb/>
Gcistesschätze zugänglich zu machen gedächten. Denn es darf wohl als allgemein<lb/>
bekannt vorausgesetzt werden, daß er diesen Fall vorausgesehen und verschiedene<lb/>
darauf bezügliche Dispositionen getroffen hat. Er wollte nicht blos für sich<lb/>
selbst, sondern für die Wissenschaft oder alle die, welche an diesen Studien be¬<lb/>
theiligt sind, gearbeitet haben, wenn er auch sich selbst von der äußeren Be¬<lb/>
schwerde und dem unendlichen Zeitverluste dispensirte, den die Veröffentlichung<lb/>
solcher gelehrter Arbeiten nothwendig mit sich bringt. Er war sich bewußt,<lb/>
seine Kraft nicht blos für sich, sondern für die Gesammtheit besser anzuwenden,<lb/>
wenn er nur den Theil der Arbeit, den eigentlichen geistigen und schöpferischen<lb/>
auf sich nahm, in welchem es ihm kein Andrer gleichthun konnte. Was ebenso<lb/>
wohl Andern überlassen werden mochte, ließ er auf sich beruhen, indem er sich<lb/>
,dem Vertrauen hingab, daß eine nähere oder fernere Zukunft schon die Mittel<lb/>
und Wege finden werde, um sich der Früchte seines Geistes zu bemächtigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_431" next="#ID_432"> Jene gedeihlichste Periode der gelehrten Thätigkeit wiederholte sich in aus¬<lb/>
gedehnterem Maßstabe am Schlüsse seines Lebens, in den letzten achtzehn Jahren,<lb/>
die er von 1848&#x2014;18K6 fortwährend in Neuseß und fortwährend nur sich selbst<lb/>
lebend zubrachte. Zwischen inne liegt seine akademische Berufsthätigkeit in<lb/>
Erlangen und Berlin. Da er für sein eigenstes Fach oder für den Studien¬<lb/>
kreis, dem er sich grade damals mit der größten Intensität gewidmet hatte, als<lb/>
Lehrer wirkte, so verband sich beides, sein Amt und seine Privatthätigkeit gänz¬<lb/>
lich mit einander. Nur brachte es das Amt mit sich, daß er diese oder jene<lb/>
Specialität wenigstens zeitweise besonders berücksichtigte, die er vielleicht ohne<lb/>
eine solche äußere Veranlassung weniger oder in anderem Zusammenhange auf¬<lb/>
genommen haben würde. Dies gilt hauptsächlich von seinen Arbeiten im Be¬<lb/>
reiche der hebräischen Sprache und Literatur. Als Professor der orientalischen<lb/>
Sprachen hatte er herkömmlich die Verpflichtung dieses Fach zu vertreten und<lb/>
er that es viele Jahre lang, aber allmälig mit sinkendem Interesse, bis er sich<lb/>
endlich, da sich ein anderweiter Ersatz in einem jüngeren Docenten fand, ganz<lb/>
davon dispensirte. Später führte ihn wohl hier und da einmal der Gang seiner<lb/>
Studien wieder darauf zurück, aber er verweilte immer nur kurz dabei. Die eng¬<lb/>
gezogene Grenze, innerhalb deren die Denkmäler des hebräischen Geistes, sowohl<lb/>
in der Poesie wie in der Sprache selbst beschlossen sind, bot ihm zu wenig Aus«</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] (seinem siebenzigsten Geburtstage) und ihn würdig befunden in metrischer und poetischer Reinheit hergestellt zu werden. Ich habe dazu in den Blättern für Metrik die meisten zu verbessernden Stellen zusammengestellt. Die meisten sind auch im Texte selbst von mir corrigirt." Da er allmälig doch fühlen mochte, daß ihm die Zeit, diese sowie unzählige andere Aufgaben auch äußerlich voll¬ ständig zu lösen, nicht mehr hinreichen möge, so sind diese und so viele andere ähnliche Notizen zugleich auch als eine Mahnung und Verständigung für die¬ jenigen gemeint, welche später zu Ehren und Frommen der Wissenschaft seine Gcistesschätze zugänglich zu machen gedächten. Denn es darf wohl als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß er diesen Fall vorausgesehen und verschiedene darauf bezügliche Dispositionen getroffen hat. Er wollte nicht blos für sich selbst, sondern für die Wissenschaft oder alle die, welche an diesen Studien be¬ theiligt sind, gearbeitet haben, wenn er auch sich selbst von der äußeren Be¬ schwerde und dem unendlichen Zeitverluste dispensirte, den die Veröffentlichung solcher gelehrter Arbeiten nothwendig mit sich bringt. Er war sich bewußt, seine Kraft nicht blos für sich, sondern für die Gesammtheit besser anzuwenden, wenn er nur den Theil der Arbeit, den eigentlichen geistigen und schöpferischen auf sich nahm, in welchem es ihm kein Andrer gleichthun konnte. Was ebenso wohl Andern überlassen werden mochte, ließ er auf sich beruhen, indem er sich ,dem Vertrauen hingab, daß eine nähere oder fernere Zukunft schon die Mittel und Wege finden werde, um sich der Früchte seines Geistes zu bemächtigen. Jene gedeihlichste Periode der gelehrten Thätigkeit wiederholte sich in aus¬ gedehnterem Maßstabe am Schlüsse seines Lebens, in den letzten achtzehn Jahren, die er von 1848—18K6 fortwährend in Neuseß und fortwährend nur sich selbst lebend zubrachte. Zwischen inne liegt seine akademische Berufsthätigkeit in Erlangen und Berlin. Da er für sein eigenstes Fach oder für den Studien¬ kreis, dem er sich grade damals mit der größten Intensität gewidmet hatte, als Lehrer wirkte, so verband sich beides, sein Amt und seine Privatthätigkeit gänz¬ lich mit einander. Nur brachte es das Amt mit sich, daß er diese oder jene Specialität wenigstens zeitweise besonders berücksichtigte, die er vielleicht ohne eine solche äußere Veranlassung weniger oder in anderem Zusammenhange auf¬ genommen haben würde. Dies gilt hauptsächlich von seinen Arbeiten im Be¬ reiche der hebräischen Sprache und Literatur. Als Professor der orientalischen Sprachen hatte er herkömmlich die Verpflichtung dieses Fach zu vertreten und er that es viele Jahre lang, aber allmälig mit sinkendem Interesse, bis er sich endlich, da sich ein anderweiter Ersatz in einem jüngeren Docenten fand, ganz davon dispensirte. Später führte ihn wohl hier und da einmal der Gang seiner Studien wieder darauf zurück, aber er verweilte immer nur kurz dabei. Die eng¬ gezogene Grenze, innerhalb deren die Denkmäler des hebräischen Geistes, sowohl in der Poesie wie in der Sprache selbst beschlossen sind, bot ihm zu wenig Aus«

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/160>, abgerufen am 26.07.2024.