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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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dämmerte die Ahnung auf, daß hier eine selbständige Welt von Geist und
Schönheit beschlossen liege, deren Lösung eben das Ziel her orientalischen Ge¬
lehrsamkeit sei. Das Ziel dieser Studien war damit schon um vieles weiter
gesteckt als bisher, und die Massenproduktion -- wissenschaftlich allerdings durch¬
gängig leichte Waare --, mit welcher Hammer seine Lebensaufgabe durchzu¬
führen suchte, die Fluth von Textesausgaben der hervorragendsten orientalischen
Dichterwerke, von Uebersetzungen gleichfalls in poetischer Form -- mochten ste
ästhetisch und wissenschaftlich auch noch so mißlungen sein --, von literar-
geschichtlichen Darstellungen eines Geisteslebens, das für die deutsche Bildung
der Zeit noch mit dem Schleier der Nacht bedeckt war, all dies imponirte und
regte unendlich an. bis Goethes westöstlicher Divan zum ersten Male die zu
voller Reife abgeklärte Herrlichkeit des orientalischen Geistes ganz und gar in
den deutschen Geist aufnahm und aus ihm reproducirte. .

Es läßt sich sehr leicht auch aus äußeren Zeugnissen gewöhnlicher Art
nachweisen, wie diese Dreiheit von Anregungen, durch Friedrich Schlegel, durch
Hammer und schließlich und entscheidend durch Goethe nicht etwa nur den
Dichter Friedrich Rückert, sondern auch den Gelehrten für lange Zeit in die
Bahn geführt hat, auf der er sich nach der gewöhnlichen Meinung immer d. h.
seitdem überhaupt sein wissenschaftliches Thun sich bestimmt fixirt hatte und
ausschließlich befunden haben soll. Jedenfalls war es nur eine Anregung von
jenen zweien, die man mehr oder minder nach ihrer eigenen Meinung zu den
Vertretern der Wissenschaft im Gegensatz zu dem Dichter Goethe stellen muß.
was Rückert von ihnen erhielt, außerdem verdankt er ihnen nichts; er war
vom ersten Moment, wo er als Schüler in diese Studienkreise eintrat, über
seine Lehrer hinaus. Einmal, weil er einen Reichthum von wissenschaftlich
durchgeschulter Arbeitskraft mit herüberbrachte, von der weder die geistreiche be¬
queme Art des Einen, noch die eilfertige und breitspurige Routine des Andern
etwas besaß, dann aber, und dies war noch viel bedeutsamer, weil er in jedem
Falle die Einheit seines Genius, sowohl wo er sich als Dichter, als da, wo er
sich als Forscher oder Gelehrter bethätigte, nicht reflectirend, sondern instinctiv
strenge festhielt. Beide Functionen seines einen Wesens waren nur die Aeuße¬
rungen derselben gemeinsamen Action des Geistes, nicht blos verschiedene Actio¬
nen eines und desselben Geistes, wie es der gewöhnlichen Anschauung zu er¬
scheinen pflegt und wie es so oft und so schal als möglich bald dem Dichter
Rückert. bald dem Gelehrten Rückert wenn auch nicht zum Borwurs gemacht,
doch absichtlich zur Beschränkung des Werthes des Einen oder des Andern zu
benutzen versucht wurde. Wenn man die Totalität seines Wesens nach der
vulgären Fiction in einen Dichter und einen Orientalisten spaltete, konnte nach
dem gewöhnlichen Längenmaße des menschlichen Geistes, so zu sagen, natürlich
weder für den Einen, noch für den Andern ein bedeutendes Quantum erübrigt


dämmerte die Ahnung auf, daß hier eine selbständige Welt von Geist und
Schönheit beschlossen liege, deren Lösung eben das Ziel her orientalischen Ge¬
lehrsamkeit sei. Das Ziel dieser Studien war damit schon um vieles weiter
gesteckt als bisher, und die Massenproduktion — wissenschaftlich allerdings durch¬
gängig leichte Waare —, mit welcher Hammer seine Lebensaufgabe durchzu¬
führen suchte, die Fluth von Textesausgaben der hervorragendsten orientalischen
Dichterwerke, von Uebersetzungen gleichfalls in poetischer Form — mochten ste
ästhetisch und wissenschaftlich auch noch so mißlungen sein —, von literar-
geschichtlichen Darstellungen eines Geisteslebens, das für die deutsche Bildung
der Zeit noch mit dem Schleier der Nacht bedeckt war, all dies imponirte und
regte unendlich an. bis Goethes westöstlicher Divan zum ersten Male die zu
voller Reife abgeklärte Herrlichkeit des orientalischen Geistes ganz und gar in
den deutschen Geist aufnahm und aus ihm reproducirte. .

Es läßt sich sehr leicht auch aus äußeren Zeugnissen gewöhnlicher Art
nachweisen, wie diese Dreiheit von Anregungen, durch Friedrich Schlegel, durch
Hammer und schließlich und entscheidend durch Goethe nicht etwa nur den
Dichter Friedrich Rückert, sondern auch den Gelehrten für lange Zeit in die
Bahn geführt hat, auf der er sich nach der gewöhnlichen Meinung immer d. h.
seitdem überhaupt sein wissenschaftliches Thun sich bestimmt fixirt hatte und
ausschließlich befunden haben soll. Jedenfalls war es nur eine Anregung von
jenen zweien, die man mehr oder minder nach ihrer eigenen Meinung zu den
Vertretern der Wissenschaft im Gegensatz zu dem Dichter Goethe stellen muß.
was Rückert von ihnen erhielt, außerdem verdankt er ihnen nichts; er war
vom ersten Moment, wo er als Schüler in diese Studienkreise eintrat, über
seine Lehrer hinaus. Einmal, weil er einen Reichthum von wissenschaftlich
durchgeschulter Arbeitskraft mit herüberbrachte, von der weder die geistreiche be¬
queme Art des Einen, noch die eilfertige und breitspurige Routine des Andern
etwas besaß, dann aber, und dies war noch viel bedeutsamer, weil er in jedem
Falle die Einheit seines Genius, sowohl wo er sich als Dichter, als da, wo er
sich als Forscher oder Gelehrter bethätigte, nicht reflectirend, sondern instinctiv
strenge festhielt. Beide Functionen seines einen Wesens waren nur die Aeuße¬
rungen derselben gemeinsamen Action des Geistes, nicht blos verschiedene Actio¬
nen eines und desselben Geistes, wie es der gewöhnlichen Anschauung zu er¬
scheinen pflegt und wie es so oft und so schal als möglich bald dem Dichter
Rückert. bald dem Gelehrten Rückert wenn auch nicht zum Borwurs gemacht,
doch absichtlich zur Beschränkung des Werthes des Einen oder des Andern zu
benutzen versucht wurde. Wenn man die Totalität seines Wesens nach der
vulgären Fiction in einen Dichter und einen Orientalisten spaltete, konnte nach
dem gewöhnlichen Längenmaße des menschlichen Geistes, so zu sagen, natürlich
weder für den Einen, noch für den Andern ein bedeutendes Quantum erübrigt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/148>, abgerufen am 02.07.2024.