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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Waffenstillstand zu behandeln, dem eine militärische Genugthuung folgen werde.
Von derselben Hoffnung nähren sich alle übrigen Gegner Preußens. Preußen
hat einen zweiten Kampf mit seinen Gegnern vom alten Bunde nicht zu scheuen,
wenn diese Gegner ohne fremde Hilfe bleiben. Denn -- Italien ausgenommen,
dessen militärische Kraft noch unentwickelt ist -- vermag jeder einzelne Gro߬
staat des Continents den Krieg gegen einen Nachbar mit mehr oder weniger
Gefährde, mit größerer oder geringerer Aussicht auf Erfolg, zu unternehmen.
Für Preußen war der große Erfolg dieses Jahres, daß es grade so viel Zu¬
wachs zu seiner Heeresmacht gewonnen hat, um jedem einzelnen Staat des
Continents gewachsen zu sein, nicht nur durch eine größere Zahl von Streitern,
auch durch gebessertes Terrain, Verbindungen, Hilfsquellen. Ja es ist nach
dieser Richtung nicht mehr der relativ schwächste unter den vier continentalen
Großstaaten. Aper ebenso klar ist. daß jede Vereinigung von je zwei Staaten
gegen einen dritten die Existenz des dritten bedroht. Nicht jeden in gleicher
Weise. Was will man Frankreich in Europa nehmen, außer etwa Niz^a? Wie
will man Rußland um Congreß-Polen verkleinern, ohne auch Preußen und
Oestreich Schwierigkeiten zu bereiten? Nach dieser Richtung ist Preußen noch
auf einige Jahre der am meisten gefährdete Staat, denn es ist auf allen Seiten
mit Nachbarn umgeben, welche deutsche Provinzen für sich begehren.

In diesen Wochen steht jede Großmacht allein, keine in inniger Verbindung
mit einer andern, jede beobachtend und mit vorsichtiger Schonung der Nachbarn
sich' den Weg zu künftigen Allianzen offen haltend. Aber aus dieser reservirten
Stellung mag schon die nächste Folgezeit herausnöthigen urtd darinn ist für
den deutschen Königstaat genau das geboten, was jetzt zu Berlin am eifrigsten
vorbereitet wird: die Einfügung der neuerworbenen Länder in das preußische
Wehrsystcm.




Waffenstillstand zu behandeln, dem eine militärische Genugthuung folgen werde.
Von derselben Hoffnung nähren sich alle übrigen Gegner Preußens. Preußen
hat einen zweiten Kampf mit seinen Gegnern vom alten Bunde nicht zu scheuen,
wenn diese Gegner ohne fremde Hilfe bleiben. Denn — Italien ausgenommen,
dessen militärische Kraft noch unentwickelt ist — vermag jeder einzelne Gro߬
staat des Continents den Krieg gegen einen Nachbar mit mehr oder weniger
Gefährde, mit größerer oder geringerer Aussicht auf Erfolg, zu unternehmen.
Für Preußen war der große Erfolg dieses Jahres, daß es grade so viel Zu¬
wachs zu seiner Heeresmacht gewonnen hat, um jedem einzelnen Staat des
Continents gewachsen zu sein, nicht nur durch eine größere Zahl von Streitern,
auch durch gebessertes Terrain, Verbindungen, Hilfsquellen. Ja es ist nach
dieser Richtung nicht mehr der relativ schwächste unter den vier continentalen
Großstaaten. Aper ebenso klar ist. daß jede Vereinigung von je zwei Staaten
gegen einen dritten die Existenz des dritten bedroht. Nicht jeden in gleicher
Weise. Was will man Frankreich in Europa nehmen, außer etwa Niz^a? Wie
will man Rußland um Congreß-Polen verkleinern, ohne auch Preußen und
Oestreich Schwierigkeiten zu bereiten? Nach dieser Richtung ist Preußen noch
auf einige Jahre der am meisten gefährdete Staat, denn es ist auf allen Seiten
mit Nachbarn umgeben, welche deutsche Provinzen für sich begehren.

In diesen Wochen steht jede Großmacht allein, keine in inniger Verbindung
mit einer andern, jede beobachtend und mit vorsichtiger Schonung der Nachbarn
sich' den Weg zu künftigen Allianzen offen haltend. Aber aus dieser reservirten
Stellung mag schon die nächste Folgezeit herausnöthigen urtd darinn ist für
den deutschen Königstaat genau das geboten, was jetzt zu Berlin am eifrigsten
vorbereitet wird: die Einfügung der neuerworbenen Länder in das preußische
Wehrsystcm.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/144>, abgerufen am 02.07.2024.