Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.in Frankreich hervorgerufen haben. Wir vermögen freilich dem Kaiser auch Ueber der Temperatur preußischer Beziehungen zu Nußland liegt ein ge¬ in Frankreich hervorgerufen haben. Wir vermögen freilich dem Kaiser auch Ueber der Temperatur preußischer Beziehungen zu Nußland liegt ein ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286289"/> <p xml:id="ID_392" prev="#ID_391"> in Frankreich hervorgerufen haben. Wir vermögen freilich dem Kaiser auch<lb/> nichts Lockendes zu bieten, denn Preußen würde einer Vergrößerung Frankreichs<lb/> auf Kosten der Schweiz und Belgiens nicht zusehen können, ohne sein eigenes<lb/> und das deutsche Interesse wahrzunehmen, wir können auch in einer Zukunft,<lb/> die wir fern wünschen, seiner Dynastie keine Stütze gewähren, denn das ver¬<lb/> mag nur der gute Wille Frankreichs, und es ist zur Zeit ungewiß, ob dem<lb/> Kaiser ein enges Bündniß mit Preußen als günstig für die Befestigung seines<lb/> Hauses in Frankreich erscheinen wird, Aber wir sind Frankreich gegenüber<lb/> immer in der glücklichen Lage, daß wir gute und zuverlässige Nachbar» sein<lb/> können, Und daß aus dem friedlichen Wettstreit der beiden großen Culturvölker<lb/> Centraleuropas sich allmälig eine große Gemeinsamkeit der Interessen entwickeln<lb/> mag. Nur eins fordern wir von Frankreich, daß es sich gewöhne, alles deutsche<lb/> Gebiet, was außerhalb Oestreich liegt, als ein Volk und ein Land zu be¬<lb/> trachten, und daß es nicht durch den Eifer einzelner schwäbischer und ultra¬<lb/> montaner Fanatiker bestimmt werde, in Begünstigung der separatistischen Wünsche<lb/> weiter zu gehen, als der Kaiser bisher gethan hat. Nicht allen Deutschen ist<lb/> vergönnt gewesen. bei dem Kampfe dieses Jahres auf der rechten Seite zu<lb/> stehen, und der Aerger über das Unerwartete verwirrt noch vielen,das Urtheil;<lb/> auch fehlt es unter uns nicht an Fürsten und Parteiführern, deren Verblendung<lb/> so bösartig ist. daß sie jetzt lieber französisch als mit Preußen deutsch sein<lb/> wollen. Aber wenn es ein Mittel giebt, Preußens Politik und sein Heer<lb/> höchst populär und dem gesammten deutschen Volke werth zu machen, so wäre es<lb/> trotz allem Aerger in Frankfurt und Schwaben grade ein Krieg mit Frankreich.<lb/> Wir haben immer für einen Beweis von erleuchteten Urtheil gehalten, daß<lb/> Kaiser Napoleon in dieser Rücksicht den Charakter des deutschen Volkes mit<lb/> seinen Tugenden und Schwächen richtig gefaßt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_393" next="#ID_394"> Ueber der Temperatur preußischer Beziehungen zu Nußland liegt ein ge¬<lb/> wisses Geheimniß. Rußland war seit Friedrich Wilhelm dem Dritten ein verwöhnter<lb/> Nachbar. In langen Jahren eines friedlichen Stilllebens galt Kaiser Nikolaus<lb/> in der preußischen Armee für den großen Herrn, an dessen Lob und Auszeich¬<lb/> nungen fast mehr gelegen war als an der Zufriedenheit des eigenen Kriegs¬<lb/> fürsten. Zwar Friedrich Wilhelm der Vierte ließ sich so leicht keine Gelegenheit<lb/> entgehen, in seiner geistreichen Weise einen persönlichen Gegensatz zu dem Forma¬<lb/> lismus des Zaaren hervorzuheben, aber der Glaube an die russische Uebermacht<lb/> blieb bis zum Krimkriege in Heer und Diplomatie. Zwischen König Wilhelm<lb/> und dem Kaiser Alexander besteht noch eine persönliche Freundschaft, und unter<lb/> den russischen Generalen, welche in den Grenzländeni auch die Civilverwaltung<lb/> leiten, lebt bis zu diesem Jahre der alte Hochmuth, welcher dienstliche Gefällig¬<lb/> keiten preußischer Behörden als etwas Selbstverständliches betrachtete und den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
in Frankreich hervorgerufen haben. Wir vermögen freilich dem Kaiser auch
nichts Lockendes zu bieten, denn Preußen würde einer Vergrößerung Frankreichs
auf Kosten der Schweiz und Belgiens nicht zusehen können, ohne sein eigenes
und das deutsche Interesse wahrzunehmen, wir können auch in einer Zukunft,
die wir fern wünschen, seiner Dynastie keine Stütze gewähren, denn das ver¬
mag nur der gute Wille Frankreichs, und es ist zur Zeit ungewiß, ob dem
Kaiser ein enges Bündniß mit Preußen als günstig für die Befestigung seines
Hauses in Frankreich erscheinen wird, Aber wir sind Frankreich gegenüber
immer in der glücklichen Lage, daß wir gute und zuverlässige Nachbar» sein
können, Und daß aus dem friedlichen Wettstreit der beiden großen Culturvölker
Centraleuropas sich allmälig eine große Gemeinsamkeit der Interessen entwickeln
mag. Nur eins fordern wir von Frankreich, daß es sich gewöhne, alles deutsche
Gebiet, was außerhalb Oestreich liegt, als ein Volk und ein Land zu be¬
trachten, und daß es nicht durch den Eifer einzelner schwäbischer und ultra¬
montaner Fanatiker bestimmt werde, in Begünstigung der separatistischen Wünsche
weiter zu gehen, als der Kaiser bisher gethan hat. Nicht allen Deutschen ist
vergönnt gewesen. bei dem Kampfe dieses Jahres auf der rechten Seite zu
stehen, und der Aerger über das Unerwartete verwirrt noch vielen,das Urtheil;
auch fehlt es unter uns nicht an Fürsten und Parteiführern, deren Verblendung
so bösartig ist. daß sie jetzt lieber französisch als mit Preußen deutsch sein
wollen. Aber wenn es ein Mittel giebt, Preußens Politik und sein Heer
höchst populär und dem gesammten deutschen Volke werth zu machen, so wäre es
trotz allem Aerger in Frankfurt und Schwaben grade ein Krieg mit Frankreich.
Wir haben immer für einen Beweis von erleuchteten Urtheil gehalten, daß
Kaiser Napoleon in dieser Rücksicht den Charakter des deutschen Volkes mit
seinen Tugenden und Schwächen richtig gefaßt hat.
Ueber der Temperatur preußischer Beziehungen zu Nußland liegt ein ge¬
wisses Geheimniß. Rußland war seit Friedrich Wilhelm dem Dritten ein verwöhnter
Nachbar. In langen Jahren eines friedlichen Stilllebens galt Kaiser Nikolaus
in der preußischen Armee für den großen Herrn, an dessen Lob und Auszeich¬
nungen fast mehr gelegen war als an der Zufriedenheit des eigenen Kriegs¬
fürsten. Zwar Friedrich Wilhelm der Vierte ließ sich so leicht keine Gelegenheit
entgehen, in seiner geistreichen Weise einen persönlichen Gegensatz zu dem Forma¬
lismus des Zaaren hervorzuheben, aber der Glaube an die russische Uebermacht
blieb bis zum Krimkriege in Heer und Diplomatie. Zwischen König Wilhelm
und dem Kaiser Alexander besteht noch eine persönliche Freundschaft, und unter
den russischen Generalen, welche in den Grenzländeni auch die Civilverwaltung
leiten, lebt bis zu diesem Jahre der alte Hochmuth, welcher dienstliche Gefällig¬
keiten preußischer Behörden als etwas Selbstverständliches betrachtete und den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |