Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir gingen zum Gebet mit ihnen. Als nun die andern Mönche hinaus¬
gegangen waren und wir mit dem Mönch Michael zurückblieben, baten wir ihn,
uns alle (sehenswerthen) Stellen zu zeigen, da wir von fern hergekommen
wären. Da steckte er ein Licht an und zeigte uns einige Stellen. Da wir
uns wunderten, fragte er, ob wir noch mehr sehen wollten. Wir bejahten es,
und nun zeigte er uns das Grab des heiligen Hormizd und den Ring, den er
um seinen Kopf zu binden pflegte. Wir glaubten das jedoch im Herzen nicht.

Mittwoch verließen wir das Kloster in Gesellschaft von zwei fränkischen
Patres, die erst vor kurzem aus ihrer Heimath gekommen waren und eine La¬
dung Wein nach Mosul brachten. Der Weg bis Mosul war wegen der Araber
sehr gefährlich. Als wir an die Brücke von Mosul kamen, hielten uns die
Römer*) zurück, damit wir Quarantäne hielten. Die Patres logen ihnen auf
die Frage, woher sie kämen, vor, sie kämen aus dem Stadtgebiet von Mosul,
und> wurden infolge ihrer Lüge" eingelassen, während wir, die wir auf ihre
Frage nicht logen, in das Quarantänehaus geführt wurden. Fünf Tage hielten
wir Quarantäne, und man nahm uns dafür 8 Sahibkiran 8 Schahi (etwa 2V" Thlr.)
ab. Da der Quarantäneaufseher, ein Osmanly, hörte, daß wir lesen könnten, so
beschied er uns eines Tages zu sich und fragte mit unsern Büchern in der
Hand: "ist dies das Evangelium?" Auf unsere bejahende Antwort sagte er:
"lest mir vor; ich möchte doch sehen, wie das ist". Wir lasen ihm einige pas¬
sende Stellen vor und sangen ihm auch einige geistige Lieder vor. Er fand
viel Gefallen daran und sagte, den andern Tag wollte er uns aus der Qua¬
rantäne freilassen. Am andern Tag, Sonntag Morgen, wurden wir denn auch
frei und begaben uns ins Haus des Mr. Williams.**)

Am Mittwoch gingen wir zum Konsul,***) damit er uns einen Brief für
das Land Botan gäbe. Er öffnete einen Kasten (?) und zeigte uns Schriften.
Wir lasen laut zusammen, worüber er sich sehr freute. Dann gab er uns
einen Brief und sprach: "meine Kinder, ihr sollt mit mehr Menschen zusam¬
men reisen, denn der Weg ist wegen der Araber sehr gefährlich; darum bleibt
in Tel Kef, bis eine Karawane zusammen ist und dann geht."

Denselben Tag um Mittag verließen wir Mosul. Unterwegs trafen wir
einen Reiter mit einer Lanze, der seinen Kops und sein Gesicht (nach Beduinen-
art) umwickelt hatte. Ich sagte zu Musche: "paß auf! dieser Mensch ist sehr
böse". Er entfernte sich dann ein wenig von uns und zog sich vom Wege in
die Wüste zurück; auf einem unebnen Terrairi verloren wir ihn aus den Augen.
Als wir oberhalb einer Vertiefung ankamen, in die wir hinabgehen sollten,
sahen wir zur Rechten und erblickten einen Kopf in einem niedrigen Terrain,





*) Die Bewohner des romäischen Landes (Rum), d. h. die Türken.
*"
) Wohl ein Missionär,
'") Dem bekannten Mr. Rassam.

Wir gingen zum Gebet mit ihnen. Als nun die andern Mönche hinaus¬
gegangen waren und wir mit dem Mönch Michael zurückblieben, baten wir ihn,
uns alle (sehenswerthen) Stellen zu zeigen, da wir von fern hergekommen
wären. Da steckte er ein Licht an und zeigte uns einige Stellen. Da wir
uns wunderten, fragte er, ob wir noch mehr sehen wollten. Wir bejahten es,
und nun zeigte er uns das Grab des heiligen Hormizd und den Ring, den er
um seinen Kopf zu binden pflegte. Wir glaubten das jedoch im Herzen nicht.

Mittwoch verließen wir das Kloster in Gesellschaft von zwei fränkischen
Patres, die erst vor kurzem aus ihrer Heimath gekommen waren und eine La¬
dung Wein nach Mosul brachten. Der Weg bis Mosul war wegen der Araber
sehr gefährlich. Als wir an die Brücke von Mosul kamen, hielten uns die
Römer*) zurück, damit wir Quarantäne hielten. Die Patres logen ihnen auf
die Frage, woher sie kämen, vor, sie kämen aus dem Stadtgebiet von Mosul,
und> wurden infolge ihrer Lüge« eingelassen, während wir, die wir auf ihre
Frage nicht logen, in das Quarantänehaus geführt wurden. Fünf Tage hielten
wir Quarantäne, und man nahm uns dafür 8 Sahibkiran 8 Schahi (etwa 2V» Thlr.)
ab. Da der Quarantäneaufseher, ein Osmanly, hörte, daß wir lesen könnten, so
beschied er uns eines Tages zu sich und fragte mit unsern Büchern in der
Hand: „ist dies das Evangelium?" Auf unsere bejahende Antwort sagte er:
„lest mir vor; ich möchte doch sehen, wie das ist". Wir lasen ihm einige pas¬
sende Stellen vor und sangen ihm auch einige geistige Lieder vor. Er fand
viel Gefallen daran und sagte, den andern Tag wollte er uns aus der Qua¬
rantäne freilassen. Am andern Tag, Sonntag Morgen, wurden wir denn auch
frei und begaben uns ins Haus des Mr. Williams.**)

Am Mittwoch gingen wir zum Konsul,***) damit er uns einen Brief für
das Land Botan gäbe. Er öffnete einen Kasten (?) und zeigte uns Schriften.
Wir lasen laut zusammen, worüber er sich sehr freute. Dann gab er uns
einen Brief und sprach: „meine Kinder, ihr sollt mit mehr Menschen zusam¬
men reisen, denn der Weg ist wegen der Araber sehr gefährlich; darum bleibt
in Tel Kef, bis eine Karawane zusammen ist und dann geht."

Denselben Tag um Mittag verließen wir Mosul. Unterwegs trafen wir
einen Reiter mit einer Lanze, der seinen Kops und sein Gesicht (nach Beduinen-
art) umwickelt hatte. Ich sagte zu Musche: „paß auf! dieser Mensch ist sehr
böse". Er entfernte sich dann ein wenig von uns und zog sich vom Wege in
die Wüste zurück; auf einem unebnen Terrairi verloren wir ihn aus den Augen.
Als wir oberhalb einer Vertiefung ankamen, in die wir hinabgehen sollten,
sahen wir zur Rechten und erblickten einen Kopf in einem niedrigen Terrain,





*) Die Bewohner des romäischen Landes (Rum), d. h. die Türken.
*"
) Wohl ein Missionär,
'") Dem bekannten Mr. Rassam.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286281"/>
          <p xml:id="ID_376"> Wir gingen zum Gebet mit ihnen. Als nun die andern Mönche hinaus¬<lb/>
gegangen waren und wir mit dem Mönch Michael zurückblieben, baten wir ihn,<lb/>
uns alle (sehenswerthen) Stellen zu zeigen, da wir von fern hergekommen<lb/>
wären. Da steckte er ein Licht an und zeigte uns einige Stellen. Da wir<lb/>
uns wunderten, fragte er, ob wir noch mehr sehen wollten. Wir bejahten es,<lb/>
und nun zeigte er uns das Grab des heiligen Hormizd und den Ring, den er<lb/>
um seinen Kopf zu binden pflegte.  Wir glaubten das jedoch im Herzen nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_377"> Mittwoch verließen wir das Kloster in Gesellschaft von zwei fränkischen<lb/>
Patres, die erst vor kurzem aus ihrer Heimath gekommen waren und eine La¬<lb/>
dung Wein nach Mosul brachten. Der Weg bis Mosul war wegen der Araber<lb/>
sehr gefährlich. Als wir an die Brücke von Mosul kamen, hielten uns die<lb/>
Römer*) zurück, damit wir Quarantäne hielten. Die Patres logen ihnen auf<lb/>
die Frage, woher sie kämen, vor, sie kämen aus dem Stadtgebiet von Mosul,<lb/>
und&gt; wurden infolge ihrer Lüge« eingelassen, während wir, die wir auf ihre<lb/>
Frage nicht logen, in das Quarantänehaus geführt wurden. Fünf Tage hielten<lb/>
wir Quarantäne, und man nahm uns dafür 8 Sahibkiran 8 Schahi (etwa 2V» Thlr.)<lb/>
ab. Da der Quarantäneaufseher, ein Osmanly, hörte, daß wir lesen könnten, so<lb/>
beschied er uns eines Tages zu sich und fragte mit unsern Büchern in der<lb/>
Hand: &#x201E;ist dies das Evangelium?" Auf unsere bejahende Antwort sagte er:<lb/>
&#x201E;lest mir vor; ich möchte doch sehen, wie das ist". Wir lasen ihm einige pas¬<lb/>
sende Stellen vor und sangen ihm auch einige geistige Lieder vor. Er fand<lb/>
viel Gefallen daran und sagte, den andern Tag wollte er uns aus der Qua¬<lb/>
rantäne freilassen. Am andern Tag, Sonntag Morgen, wurden wir denn auch<lb/>
frei und begaben uns ins Haus des Mr. Williams.**)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_378"> Am Mittwoch gingen wir zum Konsul,***) damit er uns einen Brief für<lb/>
das Land Botan gäbe. Er öffnete einen Kasten (?) und zeigte uns Schriften.<lb/>
Wir lasen laut zusammen, worüber er sich sehr freute. Dann gab er uns<lb/>
einen Brief und sprach: &#x201E;meine Kinder, ihr sollt mit mehr Menschen zusam¬<lb/>
men reisen, denn der Weg ist wegen der Araber sehr gefährlich; darum bleibt<lb/>
in Tel Kef, bis eine Karawane zusammen ist und dann geht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_379" next="#ID_380"> Denselben Tag um Mittag verließen wir Mosul. Unterwegs trafen wir<lb/>
einen Reiter mit einer Lanze, der seinen Kops und sein Gesicht (nach Beduinen-<lb/>
art) umwickelt hatte. Ich sagte zu Musche: &#x201E;paß auf! dieser Mensch ist sehr<lb/>
böse". Er entfernte sich dann ein wenig von uns und zog sich vom Wege in<lb/>
die Wüste zurück; auf einem unebnen Terrairi verloren wir ihn aus den Augen.<lb/>
Als wir oberhalb einer Vertiefung ankamen, in die wir hinabgehen sollten,<lb/>
sahen wir zur Rechten und erblickten einen Kopf in einem niedrigen Terrain,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> *) Die Bewohner des romäischen Landes (Rum), d. h. die Türken.<lb/>
*"</note><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"> ) Wohl ein Missionär,</note><lb/>
          <note xml:id="FID_13" place="foot"> '") Dem bekannten Mr. Rassam.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0133] Wir gingen zum Gebet mit ihnen. Als nun die andern Mönche hinaus¬ gegangen waren und wir mit dem Mönch Michael zurückblieben, baten wir ihn, uns alle (sehenswerthen) Stellen zu zeigen, da wir von fern hergekommen wären. Da steckte er ein Licht an und zeigte uns einige Stellen. Da wir uns wunderten, fragte er, ob wir noch mehr sehen wollten. Wir bejahten es, und nun zeigte er uns das Grab des heiligen Hormizd und den Ring, den er um seinen Kopf zu binden pflegte. Wir glaubten das jedoch im Herzen nicht. Mittwoch verließen wir das Kloster in Gesellschaft von zwei fränkischen Patres, die erst vor kurzem aus ihrer Heimath gekommen waren und eine La¬ dung Wein nach Mosul brachten. Der Weg bis Mosul war wegen der Araber sehr gefährlich. Als wir an die Brücke von Mosul kamen, hielten uns die Römer*) zurück, damit wir Quarantäne hielten. Die Patres logen ihnen auf die Frage, woher sie kämen, vor, sie kämen aus dem Stadtgebiet von Mosul, und> wurden infolge ihrer Lüge« eingelassen, während wir, die wir auf ihre Frage nicht logen, in das Quarantänehaus geführt wurden. Fünf Tage hielten wir Quarantäne, und man nahm uns dafür 8 Sahibkiran 8 Schahi (etwa 2V» Thlr.) ab. Da der Quarantäneaufseher, ein Osmanly, hörte, daß wir lesen könnten, so beschied er uns eines Tages zu sich und fragte mit unsern Büchern in der Hand: „ist dies das Evangelium?" Auf unsere bejahende Antwort sagte er: „lest mir vor; ich möchte doch sehen, wie das ist". Wir lasen ihm einige pas¬ sende Stellen vor und sangen ihm auch einige geistige Lieder vor. Er fand viel Gefallen daran und sagte, den andern Tag wollte er uns aus der Qua¬ rantäne freilassen. Am andern Tag, Sonntag Morgen, wurden wir denn auch frei und begaben uns ins Haus des Mr. Williams.**) Am Mittwoch gingen wir zum Konsul,***) damit er uns einen Brief für das Land Botan gäbe. Er öffnete einen Kasten (?) und zeigte uns Schriften. Wir lasen laut zusammen, worüber er sich sehr freute. Dann gab er uns einen Brief und sprach: „meine Kinder, ihr sollt mit mehr Menschen zusam¬ men reisen, denn der Weg ist wegen der Araber sehr gefährlich; darum bleibt in Tel Kef, bis eine Karawane zusammen ist und dann geht." Denselben Tag um Mittag verließen wir Mosul. Unterwegs trafen wir einen Reiter mit einer Lanze, der seinen Kops und sein Gesicht (nach Beduinen- art) umwickelt hatte. Ich sagte zu Musche: „paß auf! dieser Mensch ist sehr böse". Er entfernte sich dann ein wenig von uns und zog sich vom Wege in die Wüste zurück; auf einem unebnen Terrairi verloren wir ihn aus den Augen. Als wir oberhalb einer Vertiefung ankamen, in die wir hinabgehen sollten, sahen wir zur Rechten und erblickten einen Kopf in einem niedrigen Terrain, *) Die Bewohner des romäischen Landes (Rum), d. h. die Türken. *" ) Wohl ein Missionär, '") Dem bekannten Mr. Rassam.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/133
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/133>, abgerufen am 02.07.2024.