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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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der wie ein Vogel nach der Vertiefung hin kam. Wir erkannten, daß eS jener
Mensch war, darum gingen wir in die Vertiefung hinab und eilten sehr rasch.
Als wir beinahe schon aus jener heraus waren, näherten wir uns zwei Leuten
aus Mosul. Da sahen wir, daß der Reiter oberhalb der Vertiefung hervorkam,
aber als er sah, daß wir aus seinem Bereich entronnen waren, ärgerlich seiner
Wege ging. Wir wunderten uns über die große Macht Gottes und dankten
ihm gar sehr, daß er uns aus so vielen Nöthen errettet hatte. In Tel Kes
kehrten wir beim Diaconus Habbc ein.

Am Freitag verließen wir Tel Kef in Begleitung eines Lastthiervermiethers(?)
und gingen nach Maelthajc ins Haus des papistischen Priesters Paulos.
Da kamen zu uns die Papisten, Diaconus Jschak und Ne'is Choschib von
Marge. Der erstere fragte uns: "seid ihr Amerikaner?" Wir sagten: "nein,
wir sind Christen". "Wir auch", sagte er. Da sprachen wir: "wenn es der
Herr Priester erlaubt, wollen wir ihm auf das von Dir Gesagte antworten/'
Als der Priester nun seine Erlaubniß gab, so erklärten wir: "Ihr gehorcht dem
Papst mehr als Christo." Wir redeten noch weiter über den Papst; erkennte
nichts erwiedern. Dann redete er über die Maria, daß sie die Mutter Gottes
und die Retterin sei. und über die Ohrenbeichte. Wir brachten Beweise aus der
heiligen Schrift vor, ungefähr eine Stunde lang: alle seine Worte wurden
widerlegt. Da schämte er sich sehr, aber Reis Choschib sagte: "wahrlich, so ists,
wie diese Männer sagen; wir sind im Irrthum; alle ihre Worte sind wahr."
Der Priester aber sagte nichts; wir merkten, daß er der Lehre der heil. Schrift
nicht kundig war.




Literatur.

Friedrich Rückerts Leben und Dichtungen von or. C. Beycr. Koburg,
Sendclbach. 1866.

Als eins der ersten literarischen Denkmäler für den jüngst hingegangener letzten
Helden der poetischen Zeit unsres Jahrhunderts begrüßen wir das kleine Buch mit
Wärme. Es versucht Rückerts Dichtungen unter dem bei jedem wahren Poeten
einzig zutreffenden Gesichtspunkte der Selbstbekenntnisse des Menschen aufzufassen und
so der Theilnahme des deutschen Volkes zu vermitteln. Wie es der hingebenden
Pietät des Verfassers, obenein bei örtlicher Nachbarschaft, nicht schwer gewesen sein
kann, seine Notizen über des Dichters Lebensgang durch mündliche Traditionen zu
bereichern, so sichert ihm die anerkennenswerthe Popularität in Sprache und Erzäh¬
lung, mit welcher er seine Aufgabe löst, den Antheil des großen Kreises von Haus
und Schule, für den er schreibt. Verständige Oekonomie in Auswahl und Ein¬
ordnung der Lesefrüchte aus den lyrischen und didaktischen, sowie in den prosaischen
Resumes der epischen Schriften giebt der Schilderung trotz ihrer Mittclgattung
zwischen Biographie und Anthologie anmuthcndc und harmonische Haltung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel ä- Segler in Leipzig.

der wie ein Vogel nach der Vertiefung hin kam. Wir erkannten, daß eS jener
Mensch war, darum gingen wir in die Vertiefung hinab und eilten sehr rasch.
Als wir beinahe schon aus jener heraus waren, näherten wir uns zwei Leuten
aus Mosul. Da sahen wir, daß der Reiter oberhalb der Vertiefung hervorkam,
aber als er sah, daß wir aus seinem Bereich entronnen waren, ärgerlich seiner
Wege ging. Wir wunderten uns über die große Macht Gottes und dankten
ihm gar sehr, daß er uns aus so vielen Nöthen errettet hatte. In Tel Kes
kehrten wir beim Diaconus Habbc ein.

Am Freitag verließen wir Tel Kef in Begleitung eines Lastthiervermiethers(?)
und gingen nach Maelthajc ins Haus des papistischen Priesters Paulos.
Da kamen zu uns die Papisten, Diaconus Jschak und Ne'is Choschib von
Marge. Der erstere fragte uns: „seid ihr Amerikaner?" Wir sagten: „nein,
wir sind Christen". „Wir auch", sagte er. Da sprachen wir: „wenn es der
Herr Priester erlaubt, wollen wir ihm auf das von Dir Gesagte antworten/'
Als der Priester nun seine Erlaubniß gab, so erklärten wir: „Ihr gehorcht dem
Papst mehr als Christo." Wir redeten noch weiter über den Papst; erkennte
nichts erwiedern. Dann redete er über die Maria, daß sie die Mutter Gottes
und die Retterin sei. und über die Ohrenbeichte. Wir brachten Beweise aus der
heiligen Schrift vor, ungefähr eine Stunde lang: alle seine Worte wurden
widerlegt. Da schämte er sich sehr, aber Reis Choschib sagte: „wahrlich, so ists,
wie diese Männer sagen; wir sind im Irrthum; alle ihre Worte sind wahr."
Der Priester aber sagte nichts; wir merkten, daß er der Lehre der heil. Schrift
nicht kundig war.




Literatur.

Friedrich Rückerts Leben und Dichtungen von or. C. Beycr. Koburg,
Sendclbach. 1866.

Als eins der ersten literarischen Denkmäler für den jüngst hingegangener letzten
Helden der poetischen Zeit unsres Jahrhunderts begrüßen wir das kleine Buch mit
Wärme. Es versucht Rückerts Dichtungen unter dem bei jedem wahren Poeten
einzig zutreffenden Gesichtspunkte der Selbstbekenntnisse des Menschen aufzufassen und
so der Theilnahme des deutschen Volkes zu vermitteln. Wie es der hingebenden
Pietät des Verfassers, obenein bei örtlicher Nachbarschaft, nicht schwer gewesen sein
kann, seine Notizen über des Dichters Lebensgang durch mündliche Traditionen zu
bereichern, so sichert ihm die anerkennenswerthe Popularität in Sprache und Erzäh¬
lung, mit welcher er seine Aufgabe löst, den Antheil des großen Kreises von Haus
und Schule, für den er schreibt. Verständige Oekonomie in Auswahl und Ein¬
ordnung der Lesefrüchte aus den lyrischen und didaktischen, sowie in den prosaischen
Resumes der epischen Schriften giebt der Schilderung trotz ihrer Mittclgattung
zwischen Biographie und Anthologie anmuthcndc und harmonische Haltung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel ä- Segler in Leipzig.
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[0134] der wie ein Vogel nach der Vertiefung hin kam. Wir erkannten, daß eS jener Mensch war, darum gingen wir in die Vertiefung hinab und eilten sehr rasch. Als wir beinahe schon aus jener heraus waren, näherten wir uns zwei Leuten aus Mosul. Da sahen wir, daß der Reiter oberhalb der Vertiefung hervorkam, aber als er sah, daß wir aus seinem Bereich entronnen waren, ärgerlich seiner Wege ging. Wir wunderten uns über die große Macht Gottes und dankten ihm gar sehr, daß er uns aus so vielen Nöthen errettet hatte. In Tel Kes kehrten wir beim Diaconus Habbc ein. Am Freitag verließen wir Tel Kef in Begleitung eines Lastthiervermiethers(?) und gingen nach Maelthajc ins Haus des papistischen Priesters Paulos. Da kamen zu uns die Papisten, Diaconus Jschak und Ne'is Choschib von Marge. Der erstere fragte uns: „seid ihr Amerikaner?" Wir sagten: „nein, wir sind Christen". „Wir auch", sagte er. Da sprachen wir: „wenn es der Herr Priester erlaubt, wollen wir ihm auf das von Dir Gesagte antworten/' Als der Priester nun seine Erlaubniß gab, so erklärten wir: „Ihr gehorcht dem Papst mehr als Christo." Wir redeten noch weiter über den Papst; erkennte nichts erwiedern. Dann redete er über die Maria, daß sie die Mutter Gottes und die Retterin sei. und über die Ohrenbeichte. Wir brachten Beweise aus der heiligen Schrift vor, ungefähr eine Stunde lang: alle seine Worte wurden widerlegt. Da schämte er sich sehr, aber Reis Choschib sagte: „wahrlich, so ists, wie diese Männer sagen; wir sind im Irrthum; alle ihre Worte sind wahr." Der Priester aber sagte nichts; wir merkten, daß er der Lehre der heil. Schrift nicht kundig war. Literatur. Friedrich Rückerts Leben und Dichtungen von or. C. Beycr. Koburg, Sendclbach. 1866. Als eins der ersten literarischen Denkmäler für den jüngst hingegangener letzten Helden der poetischen Zeit unsres Jahrhunderts begrüßen wir das kleine Buch mit Wärme. Es versucht Rückerts Dichtungen unter dem bei jedem wahren Poeten einzig zutreffenden Gesichtspunkte der Selbstbekenntnisse des Menschen aufzufassen und so der Theilnahme des deutschen Volkes zu vermitteln. Wie es der hingebenden Pietät des Verfassers, obenein bei örtlicher Nachbarschaft, nicht schwer gewesen sein kann, seine Notizen über des Dichters Lebensgang durch mündliche Traditionen zu bereichern, so sichert ihm die anerkennenswerthe Popularität in Sprache und Erzäh¬ lung, mit welcher er seine Aufgabe löst, den Antheil des großen Kreises von Haus und Schule, für den er schreibt. Verständige Oekonomie in Auswahl und Ein¬ ordnung der Lesefrüchte aus den lyrischen und didaktischen, sowie in den prosaischen Resumes der epischen Schriften giebt der Schilderung trotz ihrer Mittclgattung zwischen Biographie und Anthologie anmuthcndc und harmonische Haltung. Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel ä- Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/134>, abgerufen am 02.07.2024.