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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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einer mitten unter sie, und so predigten wir ihnen etwa eine halbe Stunde.
Gegen Abend kamen wir nach Amedia. Wir kehrten in einem Haus ein und
sahen da viele Leute aus Tal/ Am Abend zogen wir ein neues Testament
heraus, um zu predigen. Sogleich erhoben sie sich, küßten uns. und als wir
predigten, gefiel das ihnen gar wohl.

Am Sonnabend stiegen wir auf die Feste von Amedia. Unser Pferd war
sehr hungrig und hatte wunde Füße. Wir gaben 5 Schcchis (etwas über
2 Silbergroschen) für Hafer und fütterten damit das Pferd. Ein Viertel Hafer,
d. i. nach unserer Rechnung 2 Haftas*), kostete 6 Schahis (2^ Sgr.), ein
Viertel Weizen 8 Schahis (nicht ganz 4 Sgr.). Da wir sahen, wie theuer
es hier war. blieben wir selbst lieber hungrig. Brod konnten wir nicht kaufen,
weil keins da war. Nachts blieben wir mit drei. Leuten aus Techoma in einer
Herberge. Am Abend predigten wir. Als wir am Sonntag Morgen aufstan¬
den, waren unsere Gefährten aus Mosul grade im Begriff abzureisen. Wir
gingen auf den Markt, konnten aber kein Brod kaufen. Ein Kaufmann aus
Mosul kaufte für uns mit Mühe ungefähr IV" Hasta für 15 Schahis (7 Sgr.).
Ein Geruch von Hunger kam von Amedia her!

Wir verließen den Ort und gingen bis an eine Höhle, wo wir übernachteten.
Am Montag verließen wir die Höhle. Unterwegs kauften wir einen Sack Stroh
für 4 Schahis. Wir gelangten an eine Herberge am Wege und ließen uns
hier nebst vier Leuten aus Alkosch nieder. Da uns diese berichteten, daß der
Ort sehr gefährlich sei, so hielten wir die ganze Nacht hindurch ein Feuer in
Brand. Unsere Gefährten schliefen, während ich mit einem Kaufmann Wache
hielt. Um Mitternacht traten fünf (kurdische) Räuber mit Flinten, Schwertern
und Schilden ins Haus und schauten wie Besessene hierhin und dahin. Beim
Schein des Feuers erkannte mein Gefährte, der Kaufmann, einen von ihnen
und begrüßte ihn als Bekannter. Auch die andern wurden dadurch verwirrt
und waren nicht im Stande, uns auszuplündern. Auf ihre Frage nach dem
Inhalt unsrer Ladung sagte der Kaufmann: "blos Briefe und Brod sind drin."
Mit den zu dem Kaufmann gerichteten Worten: "Du hast uns einen großen
Schaden zugefügt!"*)" entfernten sie sich darauf.

Dienstag verließen wir die Herberge und kamen nach Alkosch ins Haus
des papistischen Priesters Jonan (Jonas); dieser gab uns aber kein Quartier.
Da sagte uns jemand: - "wenn Ihr zum Kloster Rabban Hormizd geht,
so wird man Euch da sehr gut halten." So machten wir uns denn wieder
auf und stiegen auf hohen Stufen nach dem Kloster empor, wo uns die Mönche,
in der Meinung, wir seien Papisten***), sehr freudig aufnahmen.





*) Ich kann leider aus Mangel an den nöthigen Hilfsmitteln die Größe dieser Maße
nicht angeben.
**) Weil wir dich als einen Bekannten nicht ausplündern dürfen.
Eine Meinung, die sie nach dem Folgenden nicht gestört zu haben scheinen.

einer mitten unter sie, und so predigten wir ihnen etwa eine halbe Stunde.
Gegen Abend kamen wir nach Amedia. Wir kehrten in einem Haus ein und
sahen da viele Leute aus Tal/ Am Abend zogen wir ein neues Testament
heraus, um zu predigen. Sogleich erhoben sie sich, küßten uns. und als wir
predigten, gefiel das ihnen gar wohl.

Am Sonnabend stiegen wir auf die Feste von Amedia. Unser Pferd war
sehr hungrig und hatte wunde Füße. Wir gaben 5 Schcchis (etwas über
2 Silbergroschen) für Hafer und fütterten damit das Pferd. Ein Viertel Hafer,
d. i. nach unserer Rechnung 2 Haftas*), kostete 6 Schahis (2^ Sgr.), ein
Viertel Weizen 8 Schahis (nicht ganz 4 Sgr.). Da wir sahen, wie theuer
es hier war. blieben wir selbst lieber hungrig. Brod konnten wir nicht kaufen,
weil keins da war. Nachts blieben wir mit drei. Leuten aus Techoma in einer
Herberge. Am Abend predigten wir. Als wir am Sonntag Morgen aufstan¬
den, waren unsere Gefährten aus Mosul grade im Begriff abzureisen. Wir
gingen auf den Markt, konnten aber kein Brod kaufen. Ein Kaufmann aus
Mosul kaufte für uns mit Mühe ungefähr IV« Hasta für 15 Schahis (7 Sgr.).
Ein Geruch von Hunger kam von Amedia her!

Wir verließen den Ort und gingen bis an eine Höhle, wo wir übernachteten.
Am Montag verließen wir die Höhle. Unterwegs kauften wir einen Sack Stroh
für 4 Schahis. Wir gelangten an eine Herberge am Wege und ließen uns
hier nebst vier Leuten aus Alkosch nieder. Da uns diese berichteten, daß der
Ort sehr gefährlich sei, so hielten wir die ganze Nacht hindurch ein Feuer in
Brand. Unsere Gefährten schliefen, während ich mit einem Kaufmann Wache
hielt. Um Mitternacht traten fünf (kurdische) Räuber mit Flinten, Schwertern
und Schilden ins Haus und schauten wie Besessene hierhin und dahin. Beim
Schein des Feuers erkannte mein Gefährte, der Kaufmann, einen von ihnen
und begrüßte ihn als Bekannter. Auch die andern wurden dadurch verwirrt
und waren nicht im Stande, uns auszuplündern. Auf ihre Frage nach dem
Inhalt unsrer Ladung sagte der Kaufmann: „blos Briefe und Brod sind drin."
Mit den zu dem Kaufmann gerichteten Worten: „Du hast uns einen großen
Schaden zugefügt!"*)" entfernten sie sich darauf.

Dienstag verließen wir die Herberge und kamen nach Alkosch ins Haus
des papistischen Priesters Jonan (Jonas); dieser gab uns aber kein Quartier.
Da sagte uns jemand: - „wenn Ihr zum Kloster Rabban Hormizd geht,
so wird man Euch da sehr gut halten." So machten wir uns denn wieder
auf und stiegen auf hohen Stufen nach dem Kloster empor, wo uns die Mönche,
in der Meinung, wir seien Papisten***), sehr freudig aufnahmen.





*) Ich kann leider aus Mangel an den nöthigen Hilfsmitteln die Größe dieser Maße
nicht angeben.
**) Weil wir dich als einen Bekannten nicht ausplündern dürfen.
Eine Meinung, die sie nach dem Folgenden nicht gestört zu haben scheinen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/132>, abgerufen am 02.07.2024.