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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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keinen bewiesen, das hatte man erwartet, und sie haben in sehr großer Mehr¬
zahl glänzend die Ansicht widerlegt, daß der preußische Offizier bei aller dienst¬
lichen Tüchtigkeit hochfahrend, anspruchsvoll und ungesellig sei. Die freund¬
liche Bereitwilligkeit der Commandeure, dem Bürger die Kriegslast so leicht als
möglich zu machen, hat diesem Kriege preußischer Seits fast durchweg einen
Charakter von Humanität gegeben, der in der Kriegsgeschicbte in diesem Grade
vielleicht noch nie zur Geltung gekommen ist. Das alles war gut und recht.
Aber, um die Wahrheit zu sagen, am meisten haken dock die gemeinen Soldaten
sich in der Fremde Freundschaft gewonnen, und sie vorzugsweise haben in die¬
sem Kriege geholfen, die NichtPreußen mit dem preußischen Wesen zu versöhnen-
wohl gar zu befreunden. Excesse Einzelner waren in einer Zeit, in welcher die
bürgerliche Ordnung schwach war, nicht überall zu vermeiden, sie waren so
selten und so wenig bösartig, daß sie den großen Eindruck, den das Ganze
hervorbrachte, fast nirgends störten. Zahlreich sind die kleinen Geschichten, welche
bei uns in Sachsen von den Quartiergebern erzählt werden, wie die Soldaten
ihren armen Wirthen die Last zu erleichtern suchten, auf das Gebührende ver-
Zickteten, sich freuten, wenn sie einmal in der Wirthschaft helfen konnten, wie
sie vor dem Abmarsch noch ausgingen, den Kindern des Hauses Spielzeug
zum Andenken zu kaufen, oder -- was sie sehr gern thaten -- sich für ihre
Wirthe Photographiren zu lassen, um diesen ein freundliches Andenken zu geben.
Alle Anekdoten nach dieser Richtung bedeuten für das Ganze wenig und hier
ist nicht der Ort. sie zu sammeln, aber unter vielem Aehnlichen ist uns ein
ganz kleiner Zug für den Geist des Heeres als besonders charakteristisch er¬
schienen und er mag hier eine Stelle finden. Bei einem der großen Lazarethe
Von Leipzig war den leicht verwundeten Oestreichern gestattet, sich in dem großen
Garten, der dazu gehörte, aufzuhalten. Sie standen den Tag über am Eisen¬
gitter der Straße, unterhielten sich mit der andrängenden Stadtbevölkerung und
empfingen kleine Gaben, Cigarren, Früchte u. s. w., die ihnen reichlicher zu¬
getragen wurden als den Preußen. Die preußischen Verwundeten im Garten
aber hielten fiel/vom Gitter zurück, Da trug ein Mann einen Korb Kirschen
herzu und forderte einen preußische" Soldaten, der außerhalb des Gitters stand,
auf, die Kirschen den Verwundeten hineinzureichen. "Wem soll ich sie geben?"
frug der Preuße. "Natürlich den Oestteichcrn," war die Antwort. Der Sol¬
dat hielt den Korb einen Augenblick schweigend in der Hand, dann sagte er
ruhig: "Das ist auch recht, denn wir können bezahlen, was wir brauchen, und
sie sind arme Gefangene." Er konnte wohl das Selbstgefühl des Siegers und
den billigen Sinn, der in dem Heere auch gegen die Feinde lebt, nicht anspruchs¬
loser und bejser ausdrücken.

Nach dieser Richtung haben besonders die älteren Landwehrmänner, die
als Besatzungstruppen im Rücken des böhmischen Heeres standen, wacker ihre


keinen bewiesen, das hatte man erwartet, und sie haben in sehr großer Mehr¬
zahl glänzend die Ansicht widerlegt, daß der preußische Offizier bei aller dienst¬
lichen Tüchtigkeit hochfahrend, anspruchsvoll und ungesellig sei. Die freund¬
liche Bereitwilligkeit der Commandeure, dem Bürger die Kriegslast so leicht als
möglich zu machen, hat diesem Kriege preußischer Seits fast durchweg einen
Charakter von Humanität gegeben, der in der Kriegsgeschicbte in diesem Grade
vielleicht noch nie zur Geltung gekommen ist. Das alles war gut und recht.
Aber, um die Wahrheit zu sagen, am meisten haken dock die gemeinen Soldaten
sich in der Fremde Freundschaft gewonnen, und sie vorzugsweise haben in die¬
sem Kriege geholfen, die NichtPreußen mit dem preußischen Wesen zu versöhnen-
wohl gar zu befreunden. Excesse Einzelner waren in einer Zeit, in welcher die
bürgerliche Ordnung schwach war, nicht überall zu vermeiden, sie waren so
selten und so wenig bösartig, daß sie den großen Eindruck, den das Ganze
hervorbrachte, fast nirgends störten. Zahlreich sind die kleinen Geschichten, welche
bei uns in Sachsen von den Quartiergebern erzählt werden, wie die Soldaten
ihren armen Wirthen die Last zu erleichtern suchten, auf das Gebührende ver-
Zickteten, sich freuten, wenn sie einmal in der Wirthschaft helfen konnten, wie
sie vor dem Abmarsch noch ausgingen, den Kindern des Hauses Spielzeug
zum Andenken zu kaufen, oder — was sie sehr gern thaten — sich für ihre
Wirthe Photographiren zu lassen, um diesen ein freundliches Andenken zu geben.
Alle Anekdoten nach dieser Richtung bedeuten für das Ganze wenig und hier
ist nicht der Ort. sie zu sammeln, aber unter vielem Aehnlichen ist uns ein
ganz kleiner Zug für den Geist des Heeres als besonders charakteristisch er¬
schienen und er mag hier eine Stelle finden. Bei einem der großen Lazarethe
Von Leipzig war den leicht verwundeten Oestreichern gestattet, sich in dem großen
Garten, der dazu gehörte, aufzuhalten. Sie standen den Tag über am Eisen¬
gitter der Straße, unterhielten sich mit der andrängenden Stadtbevölkerung und
empfingen kleine Gaben, Cigarren, Früchte u. s. w., die ihnen reichlicher zu¬
getragen wurden als den Preußen. Die preußischen Verwundeten im Garten
aber hielten fiel/vom Gitter zurück, Da trug ein Mann einen Korb Kirschen
herzu und forderte einen preußische» Soldaten, der außerhalb des Gitters stand,
auf, die Kirschen den Verwundeten hineinzureichen. „Wem soll ich sie geben?"
frug der Preuße. „Natürlich den Oestteichcrn," war die Antwort. Der Sol¬
dat hielt den Korb einen Augenblick schweigend in der Hand, dann sagte er
ruhig: „Das ist auch recht, denn wir können bezahlen, was wir brauchen, und
sie sind arme Gefangene." Er konnte wohl das Selbstgefühl des Siegers und
den billigen Sinn, der in dem Heere auch gegen die Feinde lebt, nicht anspruchs¬
loser und bejser ausdrücken.

Nach dieser Richtung haben besonders die älteren Landwehrmänner, die
als Besatzungstruppen im Rücken des böhmischen Heeres standen, wacker ihre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/13>, abgerufen am 30.06.2024.