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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Eltern und Bräute drangen heftig in die Reihen, es wurde so viel geküßt,
umarmt und gesegnet, daß das würdige Ceremoniell ärgerlich litt. Ja die Leute
ließen ihren Herrn Bürgermeister kaum aussprechen, obgleich auch dieser hier
und da reisig zu Rosse saß, und schrien ihr Hoch dazwischen, bevor er von sei¬
nem erhöhten Platze die weißbeklcidete Hand zum Tusche gehoben holte. An
solchen Orten wurde auch den Regimentscommandeuren Gelegenheit, an orato-
rischen Aufgaben ihre Tüchtigkeit zu erweisen und in schön gefügten Worten den
Bürgern Dank auszusprechen, eine Arbeit, die manchem wackern Krieger als
eine schwierige Kriegsarbeit erschienen sein mag. Ueber allem freilich stand das
große Schauspiel des berliner Einzuges, in der That ein großartiges, welches
einem kriegerischen Bolle wohl die eigene Bedeutung lebhaft vor Augen stellen
mußte.

Jetzt kehrt allmälig die alte Ordnung zurück, die aus dem Felde heim¬
gekehrt sind, erzählen von ihren Thaten und Leiden, schon ist die Sage ge¬
schäftig, ihre bunten Ranken zwischen den wirklichen Verlauf der Begebenheiten
zu ziehen, auch die Heldenthaten der Kleinen in der Compagnie und der Cor-
poralschaft verlangen Anerkennung, und die jungen Burschen, welche nicht mit
im Felde waren, vernehmen mit Achtung von den tödtlichen Schüssen und
Schwerthieben, welche der Zug und die guten Bekannten mit unwiderstehlicher
Tapferkeit ausgetheilt haben.

Auch die Zeit der militärischen Auszeichnungen ist gekommen. Es ist in
der Ordnung, daß der Soldat sich über solche Anerkennung freut. Freilich wird
auch hier manchem Entsagung zugemuthet, und es ist dem Kriegsherrn nicht
möglich, immer gerecht zu sein. Wen zufällig das Wohlwollen seiner Vor¬
gesetzten nicht begünstigt, der muß sich mit dem stillen Bewußtsein begnügen,
daß er völlig seine Pflicht gethan hat. Ist dabei Entbehrung, so wird sie dem
preußischen Soldaten, der nach kurzer Ze>t zu seinem bürgerlichen Beruf zurück¬
kehrt, leichter als dem Offizier, dessen ganzer Lebenserfolg von der Schätzung
seiner Borgesetzten abhängt.

Man hat in Preußen viel Kunst auf die Decorationen gewandt, hat viele
Orden und so feine Unterschiede erdacht, daß nur sehr wenige Menschen im
Lande noch wissen, was jede Nüance bedeutet und welcher Art von Verdienst
sie gebührt. Es ist erfreulich, daß das Erinnerungszeichen an diesen Feldzug
schlicht sein soll, wie vor fünfzig Jabren, aus feindlichem Kanonenmetall ge¬
gossen. Aus dem übrigen Kanonengut aber sollen die Glocken des berliner
Doms gegossen werden. Diese bronzene Denkmünze wird jeder Krieger dieses
Jahres, wer es auch sei, sein Lebtag mit Genugthuung bewahren.

Ja, es ist ein gutes Heer. Nicht seine Kriegsthaten sollen jetzt erwähnt
werden, sondern die Bravheit, welche der Bürger erkannte, auch in den Ländern,
welche das Heer in Feindschaft besetzt hielt. Die Offiziere haben sich als Gent-


Eltern und Bräute drangen heftig in die Reihen, es wurde so viel geküßt,
umarmt und gesegnet, daß das würdige Ceremoniell ärgerlich litt. Ja die Leute
ließen ihren Herrn Bürgermeister kaum aussprechen, obgleich auch dieser hier
und da reisig zu Rosse saß, und schrien ihr Hoch dazwischen, bevor er von sei¬
nem erhöhten Platze die weißbeklcidete Hand zum Tusche gehoben holte. An
solchen Orten wurde auch den Regimentscommandeuren Gelegenheit, an orato-
rischen Aufgaben ihre Tüchtigkeit zu erweisen und in schön gefügten Worten den
Bürgern Dank auszusprechen, eine Arbeit, die manchem wackern Krieger als
eine schwierige Kriegsarbeit erschienen sein mag. Ueber allem freilich stand das
große Schauspiel des berliner Einzuges, in der That ein großartiges, welches
einem kriegerischen Bolle wohl die eigene Bedeutung lebhaft vor Augen stellen
mußte.

Jetzt kehrt allmälig die alte Ordnung zurück, die aus dem Felde heim¬
gekehrt sind, erzählen von ihren Thaten und Leiden, schon ist die Sage ge¬
schäftig, ihre bunten Ranken zwischen den wirklichen Verlauf der Begebenheiten
zu ziehen, auch die Heldenthaten der Kleinen in der Compagnie und der Cor-
poralschaft verlangen Anerkennung, und die jungen Burschen, welche nicht mit
im Felde waren, vernehmen mit Achtung von den tödtlichen Schüssen und
Schwerthieben, welche der Zug und die guten Bekannten mit unwiderstehlicher
Tapferkeit ausgetheilt haben.

Auch die Zeit der militärischen Auszeichnungen ist gekommen. Es ist in
der Ordnung, daß der Soldat sich über solche Anerkennung freut. Freilich wird
auch hier manchem Entsagung zugemuthet, und es ist dem Kriegsherrn nicht
möglich, immer gerecht zu sein. Wen zufällig das Wohlwollen seiner Vor¬
gesetzten nicht begünstigt, der muß sich mit dem stillen Bewußtsein begnügen,
daß er völlig seine Pflicht gethan hat. Ist dabei Entbehrung, so wird sie dem
preußischen Soldaten, der nach kurzer Ze>t zu seinem bürgerlichen Beruf zurück¬
kehrt, leichter als dem Offizier, dessen ganzer Lebenserfolg von der Schätzung
seiner Borgesetzten abhängt.

Man hat in Preußen viel Kunst auf die Decorationen gewandt, hat viele
Orden und so feine Unterschiede erdacht, daß nur sehr wenige Menschen im
Lande noch wissen, was jede Nüance bedeutet und welcher Art von Verdienst
sie gebührt. Es ist erfreulich, daß das Erinnerungszeichen an diesen Feldzug
schlicht sein soll, wie vor fünfzig Jabren, aus feindlichem Kanonenmetall ge¬
gossen. Aus dem übrigen Kanonengut aber sollen die Glocken des berliner
Doms gegossen werden. Diese bronzene Denkmünze wird jeder Krieger dieses
Jahres, wer es auch sei, sein Lebtag mit Genugthuung bewahren.

Ja, es ist ein gutes Heer. Nicht seine Kriegsthaten sollen jetzt erwähnt
werden, sondern die Bravheit, welche der Bürger erkannte, auch in den Ländern,
welche das Heer in Feindschaft besetzt hielt. Die Offiziere haben sich als Gent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/12>, abgerufen am 30.06.2024.