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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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warte der Häuser behufs der Verbindung im Innern durchbrochen. Der
Schrecken, der sich durch diese Maßregeln der Bewohner bemächtigte, war so
groß, daß einige selbst an ihrer Gesundheit S^alten litten. Eine Deputation
mit dem Bischof und Bürgermeister an der Spitze begab sich zum General, ver¬
sicherte ihm ihre Ergebenheit und bat ihn, die Grciuel eines Straßenkampfes
und feindlicher Beschießung von der getreuen Stadt abzuwenden. Der General
wies sie mit dem Bemerken ab, daß es die Trienter gewesen, die den Feind
herbeigewünscht, nun müsse er ihn gebührend empfangen. Sie möchten, meinte
er, zu General Medici gehen und ihn bitten, ihnen zu Liebe nicht nach Trient
zu kommen. Daran dachte aber dieser wohl selbst nicht mehr; denn von seinen
Freunden in Pergine dazu aufgefordert, sagte er ablehnend: "Ich gehe nicht
nach Trient ein Glas trinken." Am 28. Abends bestätigte ein italienischer
Parlamentär den Abschluß der Waffenruhe, und ehe deren Frist am 2. August
ablief, wurde sie um 8 Tage verlängert. Die Oestreicher zogen mittlerweile
noch eine ganze Brigade von der Donau an sich und sammelten am Jsonzo
bedeutende Streitkräfte. Da von Paris für die Annexion des trienter Gebiets
keine Unterstützung zu hoffen war, meldete am 10. Abends ein Telegramm, der
Feind habe sich verpflichtet, am 11. um 4 Uhr sind Tirol zu räumen. Er er¬
füllte dies so pünktlich, daß zur bestimmten Stunde kein italienischer Soldat
mehr auf tirolischem Boden stand. Der abgeschlossene vierwöchentliche Waffen¬
stillstand wurde erst ein paar Tage später verkündet.

Damit war aber den Leuten, die sich gegen die Italiener so gründlich er¬
bittert, ein schlechtes Genüge geschehen. Krieg, Krieg und wieder Krieg lautete
die Devise der sanftmüthigen Geistlichen, wiewohl ihnen davor selbst ein wenig
graute. Als man nach dem Eintritt der ersten Waffenruhe so ziemlich fest das
Ende der Feindseligkeiten voraussagen konnte, das Landesvertbeidigungsober-
commando aber für alle Fälle gleichwohl den Landsturm aufbot, ließen sie,
damit nicht zufrieden, durch die etschländer Gemeinden folgendes Telegramm im
"Tiroler Boten" verkünden: "Liebe Nordtiroler! Wir deutsche Südtiroler sind
in Gefahr! Wir bitten euch, kommt uns zur Hilfe und rückt schnellstens an
unsere Grenze." Man traut seinen Augen kaum, wenn man bedenkt, daß den
rechtgläubigen Tirolern gegen die gottlosen Garibaldianer der Beistand des
Himmels nicht fehlen konnte. Was man von diesen hörte, war haarsträubend.
Gleich bei ihrem ersten Einfalle hatten sie in Darzo die Betstuhle aus der
Kirche herausgeworfen, um einen Tanz aufzuführen, wobei einer von ihnen die
Orgel spielte. In Condino wandelten sechs derselben gleich nach ihrer Ankunft
während der Mittagsstunden nackt durch die Straßen und die Geistlichen mußten
an Sonntagen die Predigt einstellen, weil ein paar Freigeister dazwischen riefen:
"l^orr 6 vero nienw!" oder den Redner mit Einwendungen unterbrachen. Ein
anderes Mal stellten sich einige vor den Beichtstuhl hin und liefen lachend


warte der Häuser behufs der Verbindung im Innern durchbrochen. Der
Schrecken, der sich durch diese Maßregeln der Bewohner bemächtigte, war so
groß, daß einige selbst an ihrer Gesundheit S^alten litten. Eine Deputation
mit dem Bischof und Bürgermeister an der Spitze begab sich zum General, ver¬
sicherte ihm ihre Ergebenheit und bat ihn, die Grciuel eines Straßenkampfes
und feindlicher Beschießung von der getreuen Stadt abzuwenden. Der General
wies sie mit dem Bemerken ab, daß es die Trienter gewesen, die den Feind
herbeigewünscht, nun müsse er ihn gebührend empfangen. Sie möchten, meinte
er, zu General Medici gehen und ihn bitten, ihnen zu Liebe nicht nach Trient
zu kommen. Daran dachte aber dieser wohl selbst nicht mehr; denn von seinen
Freunden in Pergine dazu aufgefordert, sagte er ablehnend: „Ich gehe nicht
nach Trient ein Glas trinken." Am 28. Abends bestätigte ein italienischer
Parlamentär den Abschluß der Waffenruhe, und ehe deren Frist am 2. August
ablief, wurde sie um 8 Tage verlängert. Die Oestreicher zogen mittlerweile
noch eine ganze Brigade von der Donau an sich und sammelten am Jsonzo
bedeutende Streitkräfte. Da von Paris für die Annexion des trienter Gebiets
keine Unterstützung zu hoffen war, meldete am 10. Abends ein Telegramm, der
Feind habe sich verpflichtet, am 11. um 4 Uhr sind Tirol zu räumen. Er er¬
füllte dies so pünktlich, daß zur bestimmten Stunde kein italienischer Soldat
mehr auf tirolischem Boden stand. Der abgeschlossene vierwöchentliche Waffen¬
stillstand wurde erst ein paar Tage später verkündet.

Damit war aber den Leuten, die sich gegen die Italiener so gründlich er¬
bittert, ein schlechtes Genüge geschehen. Krieg, Krieg und wieder Krieg lautete
die Devise der sanftmüthigen Geistlichen, wiewohl ihnen davor selbst ein wenig
graute. Als man nach dem Eintritt der ersten Waffenruhe so ziemlich fest das
Ende der Feindseligkeiten voraussagen konnte, das Landesvertbeidigungsober-
commando aber für alle Fälle gleichwohl den Landsturm aufbot, ließen sie,
damit nicht zufrieden, durch die etschländer Gemeinden folgendes Telegramm im
„Tiroler Boten" verkünden: „Liebe Nordtiroler! Wir deutsche Südtiroler sind
in Gefahr! Wir bitten euch, kommt uns zur Hilfe und rückt schnellstens an
unsere Grenze." Man traut seinen Augen kaum, wenn man bedenkt, daß den
rechtgläubigen Tirolern gegen die gottlosen Garibaldianer der Beistand des
Himmels nicht fehlen konnte. Was man von diesen hörte, war haarsträubend.
Gleich bei ihrem ersten Einfalle hatten sie in Darzo die Betstuhle aus der
Kirche herausgeworfen, um einen Tanz aufzuführen, wobei einer von ihnen die
Orgel spielte. In Condino wandelten sechs derselben gleich nach ihrer Ankunft
während der Mittagsstunden nackt durch die Straßen und die Geistlichen mußten
an Sonntagen die Predigt einstellen, weil ein paar Freigeister dazwischen riefen:
„l^orr 6 vero nienw!" oder den Redner mit Einwendungen unterbrachen. Ein
anderes Mal stellten sich einige vor den Beichtstuhl hin und liefen lachend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/123>, abgerufen am 02.07.2024.