Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rüstet, noch 40,000 Mann stark waren*), der Flankenangriff durch das Cemvra-
thai aber noch in den Lüften schwebte. Baron Kühn stand an der Spitze von
wenigstens 10,000 Mann regulärer Truppen, die Landesschützen gar nicht mit¬
gerechnet, und erklärte später im Tagesbefehl Ur. 42, daß seine Truppen durch
einen gewaltigen Nachtmaisch " dem verrätherischen Feinde im Besitze Trients
zuvorgekommen". Wenn schon der Rückzug^so mußten die Gründe desselben
unter diesen Umständen noch mehr befremden. -- In Trient war alles in höch¬
ster Aufregung. Hofrath Graf Hohenwart, der Polizeichef in Südtirol, die
politische Prätur und das Kreisgcricht flüchteten nach Bozen, wo schon ein paar
Tage früher einige gutgesinnte Familien aus Valsugana durchgekommen, das
Hauptquartier wurde rückwärts nach Lavis verlegt.

Es lag nun an General Medici, am 24. früh seinen Sieg weiter zu ver¬
folgen, die fortwährend nachgerückten Verstärkungen mochten ihn jedoch über die
Anzahl der ihm gegenüberstehenden Oestreicher irre geführt haben. Wie es
scheint, dachte er nun durch eine Flankenbewegung ihre Kräfte zu theilen, indem
er zwar nicht über Cemlua, sondern über Calceranica und Val forta zwei
Bataillone nebst Artillerie gegen Matarello, eine Stunde unterhalb Trient, ent¬
sandte. Der Versuch mißlang jedoch gänzlich. In Val forta wurden die
Italiener von drei Compagnien Kaiserjäger unter Cramolini und zwei Com¬
pagnien Landesschützen mit lebhaftem Gewehrfeuer empfangen und auf Vigolo
zurückgeworfen. Sie verloren hierbei SO Gefangene, 80 Todte, mehre Verwun¬
dete und ihre Negimentsfahne, welche die Inschrift trug: Lrigata Lioilia,
61 Regimemto al ^anterio. Die erste Compagnie der innsbrucker Freiwilligen
hatte die Verwundung ihres Hauptmanns Zimmeter zu beklagen, wodurch die
"Tiroler Stimmen" einen ihrer herzhaftesten Korrespondenten verloren.

Was mehr als eine gewonnene Schlacht half, war die mit der italienischen
Armee geschlossene Waffenruhe, deren Nachricht am 24. Abends eintraf. Nur
die Patrioten, die ihre Führer zu Präfecten, Appelpräsidenten und General-
procuratoren ernannt wußten und das Feuerwerk zur Begrüßung der welschen
Brüder schon bereit hielten, hingen die Köpfe, General Kühn schwang die Zucht¬
ruthe. Als er am 25. zurückkehrte und die Waffenruhe von Medici noch nicht
anerkannt war, erließ er eine Kundmachung, worin er zur Aufrechthaltung der
Ruhe und Ordnung alles Geläute verbot und die Beleuchtung aller ersten
Stockwerke bei einbrechender Dämmerung anordnete. Ein anderer Mauer¬
anschlag gestattete den Aus- und Eintritt nur an fünf Punkten der Stadt mit
Legitimationsscheinen. Zugleich wurden an allen Ausgängen Barrikaden errichtet,
die Fenster an der Piazza d'armi zu Schießscharten vermauert und die Zwischen-



*) Nach einem Berichte aus Trient in Ur. 199 des "Tiroler Boten" betrug der Verlust
der Garibaloianer in Tirol nach der Angabe ihrer eigenen Offiziere 10,00") Mann, wovon
3,000 todt, S,000 verwundet und 2,000 gefangen.

rüstet, noch 40,000 Mann stark waren*), der Flankenangriff durch das Cemvra-
thai aber noch in den Lüften schwebte. Baron Kühn stand an der Spitze von
wenigstens 10,000 Mann regulärer Truppen, die Landesschützen gar nicht mit¬
gerechnet, und erklärte später im Tagesbefehl Ur. 42, daß seine Truppen durch
einen gewaltigen Nachtmaisch „ dem verrätherischen Feinde im Besitze Trients
zuvorgekommen". Wenn schon der Rückzug^so mußten die Gründe desselben
unter diesen Umständen noch mehr befremden. — In Trient war alles in höch¬
ster Aufregung. Hofrath Graf Hohenwart, der Polizeichef in Südtirol, die
politische Prätur und das Kreisgcricht flüchteten nach Bozen, wo schon ein paar
Tage früher einige gutgesinnte Familien aus Valsugana durchgekommen, das
Hauptquartier wurde rückwärts nach Lavis verlegt.

Es lag nun an General Medici, am 24. früh seinen Sieg weiter zu ver¬
folgen, die fortwährend nachgerückten Verstärkungen mochten ihn jedoch über die
Anzahl der ihm gegenüberstehenden Oestreicher irre geführt haben. Wie es
scheint, dachte er nun durch eine Flankenbewegung ihre Kräfte zu theilen, indem
er zwar nicht über Cemlua, sondern über Calceranica und Val forta zwei
Bataillone nebst Artillerie gegen Matarello, eine Stunde unterhalb Trient, ent¬
sandte. Der Versuch mißlang jedoch gänzlich. In Val forta wurden die
Italiener von drei Compagnien Kaiserjäger unter Cramolini und zwei Com¬
pagnien Landesschützen mit lebhaftem Gewehrfeuer empfangen und auf Vigolo
zurückgeworfen. Sie verloren hierbei SO Gefangene, 80 Todte, mehre Verwun¬
dete und ihre Negimentsfahne, welche die Inschrift trug: Lrigata Lioilia,
61 Regimemto al ^anterio. Die erste Compagnie der innsbrucker Freiwilligen
hatte die Verwundung ihres Hauptmanns Zimmeter zu beklagen, wodurch die
„Tiroler Stimmen" einen ihrer herzhaftesten Korrespondenten verloren.

Was mehr als eine gewonnene Schlacht half, war die mit der italienischen
Armee geschlossene Waffenruhe, deren Nachricht am 24. Abends eintraf. Nur
die Patrioten, die ihre Führer zu Präfecten, Appelpräsidenten und General-
procuratoren ernannt wußten und das Feuerwerk zur Begrüßung der welschen
Brüder schon bereit hielten, hingen die Köpfe, General Kühn schwang die Zucht¬
ruthe. Als er am 25. zurückkehrte und die Waffenruhe von Medici noch nicht
anerkannt war, erließ er eine Kundmachung, worin er zur Aufrechthaltung der
Ruhe und Ordnung alles Geläute verbot und die Beleuchtung aller ersten
Stockwerke bei einbrechender Dämmerung anordnete. Ein anderer Mauer¬
anschlag gestattete den Aus- und Eintritt nur an fünf Punkten der Stadt mit
Legitimationsscheinen. Zugleich wurden an allen Ausgängen Barrikaden errichtet,
die Fenster an der Piazza d'armi zu Schießscharten vermauert und die Zwischen-



*) Nach einem Berichte aus Trient in Ur. 199 des „Tiroler Boten" betrug der Verlust
der Garibaloianer in Tirol nach der Angabe ihrer eigenen Offiziere 10,00«) Mann, wovon
3,000 todt, S,000 verwundet und 2,000 gefangen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286270"/>
          <p xml:id="ID_335" prev="#ID_334"> rüstet, noch 40,000 Mann stark waren*), der Flankenangriff durch das Cemvra-<lb/>
thai aber noch in den Lüften schwebte. Baron Kühn stand an der Spitze von<lb/>
wenigstens 10,000 Mann regulärer Truppen, die Landesschützen gar nicht mit¬<lb/>
gerechnet, und erklärte später im Tagesbefehl Ur. 42, daß seine Truppen durch<lb/>
einen gewaltigen Nachtmaisch &#x201E; dem verrätherischen Feinde im Besitze Trients<lb/>
zuvorgekommen". Wenn schon der Rückzug^so mußten die Gründe desselben<lb/>
unter diesen Umständen noch mehr befremden. &#x2014; In Trient war alles in höch¬<lb/>
ster Aufregung. Hofrath Graf Hohenwart, der Polizeichef in Südtirol, die<lb/>
politische Prätur und das Kreisgcricht flüchteten nach Bozen, wo schon ein paar<lb/>
Tage früher einige gutgesinnte Familien aus Valsugana durchgekommen, das<lb/>
Hauptquartier wurde rückwärts nach Lavis verlegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_336"> Es lag nun an General Medici, am 24. früh seinen Sieg weiter zu ver¬<lb/>
folgen, die fortwährend nachgerückten Verstärkungen mochten ihn jedoch über die<lb/>
Anzahl der ihm gegenüberstehenden Oestreicher irre geführt haben. Wie es<lb/>
scheint, dachte er nun durch eine Flankenbewegung ihre Kräfte zu theilen, indem<lb/>
er zwar nicht über Cemlua, sondern über Calceranica und Val forta zwei<lb/>
Bataillone nebst Artillerie gegen Matarello, eine Stunde unterhalb Trient, ent¬<lb/>
sandte. Der Versuch mißlang jedoch gänzlich. In Val forta wurden die<lb/>
Italiener von drei Compagnien Kaiserjäger unter Cramolini und zwei Com¬<lb/>
pagnien Landesschützen mit lebhaftem Gewehrfeuer empfangen und auf Vigolo<lb/>
zurückgeworfen. Sie verloren hierbei SO Gefangene, 80 Todte, mehre Verwun¬<lb/>
dete und ihre Negimentsfahne, welche die Inschrift trug: Lrigata Lioilia,<lb/>
61 Regimemto al ^anterio. Die erste Compagnie der innsbrucker Freiwilligen<lb/>
hatte die Verwundung ihres Hauptmanns Zimmeter zu beklagen, wodurch die<lb/>
&#x201E;Tiroler Stimmen" einen ihrer herzhaftesten Korrespondenten verloren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_337" next="#ID_338"> Was mehr als eine gewonnene Schlacht half, war die mit der italienischen<lb/>
Armee geschlossene Waffenruhe, deren Nachricht am 24. Abends eintraf. Nur<lb/>
die Patrioten, die ihre Führer zu Präfecten, Appelpräsidenten und General-<lb/>
procuratoren ernannt wußten und das Feuerwerk zur Begrüßung der welschen<lb/>
Brüder schon bereit hielten, hingen die Köpfe, General Kühn schwang die Zucht¬<lb/>
ruthe. Als er am 25. zurückkehrte und die Waffenruhe von Medici noch nicht<lb/>
anerkannt war, erließ er eine Kundmachung, worin er zur Aufrechthaltung der<lb/>
Ruhe und Ordnung alles Geläute verbot und die Beleuchtung aller ersten<lb/>
Stockwerke bei einbrechender Dämmerung anordnete. Ein anderer Mauer¬<lb/>
anschlag gestattete den Aus- und Eintritt nur an fünf Punkten der Stadt mit<lb/>
Legitimationsscheinen. Zugleich wurden an allen Ausgängen Barrikaden errichtet,<lb/>
die Fenster an der Piazza d'armi zu Schießscharten vermauert und die Zwischen-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_5" place="foot"> *) Nach einem Berichte aus Trient in Ur. 199 des &#x201E;Tiroler Boten" betrug der Verlust<lb/>
der Garibaloianer in Tirol nach der Angabe ihrer eigenen Offiziere 10,00«) Mann, wovon<lb/>
3,000 todt, S,000 verwundet und 2,000 gefangen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] rüstet, noch 40,000 Mann stark waren*), der Flankenangriff durch das Cemvra- thai aber noch in den Lüften schwebte. Baron Kühn stand an der Spitze von wenigstens 10,000 Mann regulärer Truppen, die Landesschützen gar nicht mit¬ gerechnet, und erklärte später im Tagesbefehl Ur. 42, daß seine Truppen durch einen gewaltigen Nachtmaisch „ dem verrätherischen Feinde im Besitze Trients zuvorgekommen". Wenn schon der Rückzug^so mußten die Gründe desselben unter diesen Umständen noch mehr befremden. — In Trient war alles in höch¬ ster Aufregung. Hofrath Graf Hohenwart, der Polizeichef in Südtirol, die politische Prätur und das Kreisgcricht flüchteten nach Bozen, wo schon ein paar Tage früher einige gutgesinnte Familien aus Valsugana durchgekommen, das Hauptquartier wurde rückwärts nach Lavis verlegt. Es lag nun an General Medici, am 24. früh seinen Sieg weiter zu ver¬ folgen, die fortwährend nachgerückten Verstärkungen mochten ihn jedoch über die Anzahl der ihm gegenüberstehenden Oestreicher irre geführt haben. Wie es scheint, dachte er nun durch eine Flankenbewegung ihre Kräfte zu theilen, indem er zwar nicht über Cemlua, sondern über Calceranica und Val forta zwei Bataillone nebst Artillerie gegen Matarello, eine Stunde unterhalb Trient, ent¬ sandte. Der Versuch mißlang jedoch gänzlich. In Val forta wurden die Italiener von drei Compagnien Kaiserjäger unter Cramolini und zwei Com¬ pagnien Landesschützen mit lebhaftem Gewehrfeuer empfangen und auf Vigolo zurückgeworfen. Sie verloren hierbei SO Gefangene, 80 Todte, mehre Verwun¬ dete und ihre Negimentsfahne, welche die Inschrift trug: Lrigata Lioilia, 61 Regimemto al ^anterio. Die erste Compagnie der innsbrucker Freiwilligen hatte die Verwundung ihres Hauptmanns Zimmeter zu beklagen, wodurch die „Tiroler Stimmen" einen ihrer herzhaftesten Korrespondenten verloren. Was mehr als eine gewonnene Schlacht half, war die mit der italienischen Armee geschlossene Waffenruhe, deren Nachricht am 24. Abends eintraf. Nur die Patrioten, die ihre Führer zu Präfecten, Appelpräsidenten und General- procuratoren ernannt wußten und das Feuerwerk zur Begrüßung der welschen Brüder schon bereit hielten, hingen die Köpfe, General Kühn schwang die Zucht¬ ruthe. Als er am 25. zurückkehrte und die Waffenruhe von Medici noch nicht anerkannt war, erließ er eine Kundmachung, worin er zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung alles Geläute verbot und die Beleuchtung aller ersten Stockwerke bei einbrechender Dämmerung anordnete. Ein anderer Mauer¬ anschlag gestattete den Aus- und Eintritt nur an fünf Punkten der Stadt mit Legitimationsscheinen. Zugleich wurden an allen Ausgängen Barrikaden errichtet, die Fenster an der Piazza d'armi zu Schießscharten vermauert und die Zwischen- *) Nach einem Berichte aus Trient in Ur. 199 des „Tiroler Boten" betrug der Verlust der Garibaloianer in Tirol nach der Angabe ihrer eigenen Offiziere 10,00«) Mann, wovon 3,000 todt, S,000 verwundet und 2,000 gefangen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/122>, abgerufen am 02.07.2024.