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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Gebiet besetzen, um sich darauf beim Waffenstillstand und Frieden zu berufen.
Wie eitel der Vorwand der "Opinione" war, Cialdini habe nur wegen der Bedro¬
hung von P>linota"o den Befehl ertheilt, in Tirol einzurücken, ergiebt sich aus
der Anzahl der Truppen, womit Major Pichler die Grenze von Valsugana ver¬
theidigte. Mitte Juli bestanden sie in zwei Compagnien des Regimentes Erz¬
herzog Rainer, der landecker Schützencompagnie und einer halben Raketenbatterie,
die später noch durch zwei Compagnien des Regiments Wimpfen.vermehrt wurden.
Mit solchen Kräften durfte Pichler wohl mit einigen Freischaren, aber nicht mit
einem Corps regulärer Truppen anbinden, an deren Einfall jedoch, wie es
scheint, im östreichischen Lager nach der Abtretung Venetiens an Frankreich gar
nicht gedacht wurde.

Die Armeedivision, die Generallieutenant Medici am 22. Juli in den Kampf
führte, zählte 14--15,000 Mann mit zwei Schwadronen Reiter und 18 Kanonen
kleinen Kalibers. Man focht am ersten Tage von 6 Uhr früh bis 8 Uhr Abends,
die Oestreicher wichen nicht eher, als bis ihre Stellung umgangen war. Auch
die bei Le Tezze aufgestellten landecker Schützen,'die ihr Kaplan Anton Schön¬
herr "im Namen Jesu" zum Ausharren anfeuerte, hielten sich wacker. In der
Nacht zog sich Major Pichler auf Borgo und nach einflündige-in blutigem Ge¬
fechte am folgenden Tage zuerst nach Levico und dann nach Pergine zurück, da
er auch mit den eingetroffenen Verstärkungen den übermächtigen Feind nicht
aufzuhalten vermochte. Diese bestanden nur in einer Division des Regiments
Erzherzog Rainer, die noch am Kampfe in Borgo, und einem aus Verona her¬
angezogenen Bataillon des Regimentes Baron Martini, das am Rückzugsgefechte
bei Levico theilnahm. Ein zweites ebenfalls aus Verona angelangtes Bataillon
des Regimentes Hartmann traf erst Nachts und Generalmajor v. Kann mit
einer vierpfündiger Batterie in den ersten Stunden des 24. Juli in Pergine
ein. Man sagt, der Truppencommandant, Generalmajor Baron Kühn, den die
Nachricht des feindlichen Einbruchs im Badeort Cumano, unweit Stenico, fand,
habe die Truppen in Judicarien nicht eilig genug zur Hilfe beordert; nach
unserem Ermessen hätten sie jedenfalls erst in die Ereignisse vom 24. eingreifen
können. Gewiß ist es aber, daß Kühn schon bei seinem Eintreffen in Trient
am 24. früh entschlossen war, diesen Platz aufzugeben. Selbst das Anlangen
der beiden Halbbrigaden unter Baron Montluisant und Möraus hielt ihn nicht
ab, in einem um 11 Uhr 40 Minuten Vormittags an den Statthalter ab¬
gegangenen Telegramm zu erklären: "Der gleichzeitig in Judicarien mit 40,000
Mann sich sammelnde Angriff Garibaldis, sowie die vom Feinde beabsichtigte
Umgehung unserer linken Flanke durch das Cembrathal veranlassen mich zur
Concentrirung meiner Truppen im Etschthale, um die Vertheidigung nach Deutsch-
tirol verlegen zu können." Dagegen wär nur zu bemerken, daß die Garibal-
dianer eben erst am 21. geschlagen und decimirt und weder zum Vorrücken ge-


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Gebiet besetzen, um sich darauf beim Waffenstillstand und Frieden zu berufen.
Wie eitel der Vorwand der „Opinione" war, Cialdini habe nur wegen der Bedro¬
hung von P>linota»o den Befehl ertheilt, in Tirol einzurücken, ergiebt sich aus
der Anzahl der Truppen, womit Major Pichler die Grenze von Valsugana ver¬
theidigte. Mitte Juli bestanden sie in zwei Compagnien des Regimentes Erz¬
herzog Rainer, der landecker Schützencompagnie und einer halben Raketenbatterie,
die später noch durch zwei Compagnien des Regiments Wimpfen.vermehrt wurden.
Mit solchen Kräften durfte Pichler wohl mit einigen Freischaren, aber nicht mit
einem Corps regulärer Truppen anbinden, an deren Einfall jedoch, wie es
scheint, im östreichischen Lager nach der Abtretung Venetiens an Frankreich gar
nicht gedacht wurde.

Die Armeedivision, die Generallieutenant Medici am 22. Juli in den Kampf
führte, zählte 14—15,000 Mann mit zwei Schwadronen Reiter und 18 Kanonen
kleinen Kalibers. Man focht am ersten Tage von 6 Uhr früh bis 8 Uhr Abends,
die Oestreicher wichen nicht eher, als bis ihre Stellung umgangen war. Auch
die bei Le Tezze aufgestellten landecker Schützen,'die ihr Kaplan Anton Schön¬
herr „im Namen Jesu" zum Ausharren anfeuerte, hielten sich wacker. In der
Nacht zog sich Major Pichler auf Borgo und nach einflündige-in blutigem Ge¬
fechte am folgenden Tage zuerst nach Levico und dann nach Pergine zurück, da
er auch mit den eingetroffenen Verstärkungen den übermächtigen Feind nicht
aufzuhalten vermochte. Diese bestanden nur in einer Division des Regiments
Erzherzog Rainer, die noch am Kampfe in Borgo, und einem aus Verona her¬
angezogenen Bataillon des Regimentes Baron Martini, das am Rückzugsgefechte
bei Levico theilnahm. Ein zweites ebenfalls aus Verona angelangtes Bataillon
des Regimentes Hartmann traf erst Nachts und Generalmajor v. Kann mit
einer vierpfündiger Batterie in den ersten Stunden des 24. Juli in Pergine
ein. Man sagt, der Truppencommandant, Generalmajor Baron Kühn, den die
Nachricht des feindlichen Einbruchs im Badeort Cumano, unweit Stenico, fand,
habe die Truppen in Judicarien nicht eilig genug zur Hilfe beordert; nach
unserem Ermessen hätten sie jedenfalls erst in die Ereignisse vom 24. eingreifen
können. Gewiß ist es aber, daß Kühn schon bei seinem Eintreffen in Trient
am 24. früh entschlossen war, diesen Platz aufzugeben. Selbst das Anlangen
der beiden Halbbrigaden unter Baron Montluisant und Möraus hielt ihn nicht
ab, in einem um 11 Uhr 40 Minuten Vormittags an den Statthalter ab¬
gegangenen Telegramm zu erklären: „Der gleichzeitig in Judicarien mit 40,000
Mann sich sammelnde Angriff Garibaldis, sowie die vom Feinde beabsichtigte
Umgehung unserer linken Flanke durch das Cembrathal veranlassen mich zur
Concentrirung meiner Truppen im Etschthale, um die Vertheidigung nach Deutsch-
tirol verlegen zu können." Dagegen wär nur zu bemerken, daß die Garibal-
dianer eben erst am 21. geschlagen und decimirt und weder zum Vorrücken ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/121>, abgerufen am 02.07.2024.