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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Kältern, Neumarkt. Taufers, Ampezzo. Buchenstein u. s. w. Listen für die
Sturmmannschaft angefertigt und ihre Offiziere gewählt. Allenthalben war der
um das Heil seiner Schäflein besorgte Klerus auf der Kanzel und im Beicht¬
stuhle bemüht, das Volk zum Kampfe aufzufordern und den Schützen, als es
nach dem Ausbruch des Krieges zum Ausrücken kam, bei der feierlichen Be¬
eidigung auch vom Altare seinen Segen zu spenden. Ueberdies ward ihnen
auch noch jener des Fürstbischofs Gaffer zu Theil, der alle durch Brixen ziehenden
Compagnien vor seinem Palaste aufziehen ließ, um ihnen Muth und Gottes¬
vertrauen einzusprechen. Nur die innsbrucker Studentencompagnie entzog sich
dieser Weihe, mußte aber auch trotz des Schutzes hoher und höchster Personen
selbst vom amtlichen "Tiroler Boten" den Vorwurf des Mangels an militärischer
Haltung hinnehmen. Hier und da drängten sich die Seelenhirten sogar zu den
Commissionen der Landesvertheidigung, oder betheiligten sich an der Auswahl
der Sammelplätze für die Sturmmannschaft. Auch hatte jede Compagnie mit
Ausnahme der akademischen ihren Feldkaplan. ihre Namen wurden durch die
Landeszeitung öffentlich bekannt gegeben.

Der Grund, weshalb die tirolischen Zionswächter so gar viele Furcht vor
den Italienern hatten, lag, wenn man ihre Predigten hörte, in der unchrist¬
lichen Raublust der Pinnontesen, namentlich der Ganbaldianer, ^le es nur auf
die Plünderung der Kirchen und Klöster abgesehen hatten. Die Einziehung des
Kirchengutes, die Abschaffung der Mönche, vor allem der Jesuiten, und die
Aushebung der Kleriker zu Rekruten waren ja blos die Vorboten ärgerer Dinge,
die erst kommen sollten. In Italien gilt nunmehr gleiches Recht für alle, die
- Gottgeweihten wie die Ketzer, der erste Schritt der italienischen Negierung bei
der Besitznahme Venctiens war das daraus bezügliche Gesetz und die Beseiti¬
gung des östreichischen Concordats. Die römische Kirche will der Staat im
Staate sein, ihre Freiheit bedingt die Unterwerfung aller Bürger unter ihr
Gesetz. Diese verträgt sich am besten mit dem absoluten Regiment. Nur
"Waffen und nichts Anderes" verlangte der klerikal-feudale Baron Paul
Giovanelli an der Spitze der Conservativen in Meran in seiner Adresse an den
Kaiser, um anzudeuten, daß es sie nach der in dessen Kriegsmanifeste verheißenen
"Verständigung über die inneren Verfassungsfragen" gar nicht gelüste. Mit
der Hetze in Deutschtirol nicht zufrieden, stachelten die fanatischen "Tiroler
Stimmen" auch die Geistlichen in Welschtirol auf. "das Volk aufzuklären über
die religiösen und politischen Bestrebungen der Jtalianissimi, damit die Gut¬
gesinnten zum Durchbruch kommen und die Oberhand erlangen". Beim ketzer¬
feindlichen trienter Bischof und seinen Jesuiten, die hier so thätig für den
Peterspfennig warben, wie anderswo um die Frauengunst*), konnten sie auf



-) Der vor mehr als zwei Jahren Plötzlich aus Trient verschwundene Jesuit ?. Francs,
ein inniger Freund des Bischofs, mußte deshalb aus Florenz flüchtig werden.

Kältern, Neumarkt. Taufers, Ampezzo. Buchenstein u. s. w. Listen für die
Sturmmannschaft angefertigt und ihre Offiziere gewählt. Allenthalben war der
um das Heil seiner Schäflein besorgte Klerus auf der Kanzel und im Beicht¬
stuhle bemüht, das Volk zum Kampfe aufzufordern und den Schützen, als es
nach dem Ausbruch des Krieges zum Ausrücken kam, bei der feierlichen Be¬
eidigung auch vom Altare seinen Segen zu spenden. Ueberdies ward ihnen
auch noch jener des Fürstbischofs Gaffer zu Theil, der alle durch Brixen ziehenden
Compagnien vor seinem Palaste aufziehen ließ, um ihnen Muth und Gottes¬
vertrauen einzusprechen. Nur die innsbrucker Studentencompagnie entzog sich
dieser Weihe, mußte aber auch trotz des Schutzes hoher und höchster Personen
selbst vom amtlichen „Tiroler Boten" den Vorwurf des Mangels an militärischer
Haltung hinnehmen. Hier und da drängten sich die Seelenhirten sogar zu den
Commissionen der Landesvertheidigung, oder betheiligten sich an der Auswahl
der Sammelplätze für die Sturmmannschaft. Auch hatte jede Compagnie mit
Ausnahme der akademischen ihren Feldkaplan. ihre Namen wurden durch die
Landeszeitung öffentlich bekannt gegeben.

Der Grund, weshalb die tirolischen Zionswächter so gar viele Furcht vor
den Italienern hatten, lag, wenn man ihre Predigten hörte, in der unchrist¬
lichen Raublust der Pinnontesen, namentlich der Ganbaldianer, ^le es nur auf
die Plünderung der Kirchen und Klöster abgesehen hatten. Die Einziehung des
Kirchengutes, die Abschaffung der Mönche, vor allem der Jesuiten, und die
Aushebung der Kleriker zu Rekruten waren ja blos die Vorboten ärgerer Dinge,
die erst kommen sollten. In Italien gilt nunmehr gleiches Recht für alle, die
- Gottgeweihten wie die Ketzer, der erste Schritt der italienischen Negierung bei
der Besitznahme Venctiens war das daraus bezügliche Gesetz und die Beseiti¬
gung des östreichischen Concordats. Die römische Kirche will der Staat im
Staate sein, ihre Freiheit bedingt die Unterwerfung aller Bürger unter ihr
Gesetz. Diese verträgt sich am besten mit dem absoluten Regiment. Nur
„Waffen und nichts Anderes" verlangte der klerikal-feudale Baron Paul
Giovanelli an der Spitze der Conservativen in Meran in seiner Adresse an den
Kaiser, um anzudeuten, daß es sie nach der in dessen Kriegsmanifeste verheißenen
„Verständigung über die inneren Verfassungsfragen" gar nicht gelüste. Mit
der Hetze in Deutschtirol nicht zufrieden, stachelten die fanatischen „Tiroler
Stimmen" auch die Geistlichen in Welschtirol auf. „das Volk aufzuklären über
die religiösen und politischen Bestrebungen der Jtalianissimi, damit die Gut¬
gesinnten zum Durchbruch kommen und die Oberhand erlangen". Beim ketzer¬
feindlichen trienter Bischof und seinen Jesuiten, die hier so thätig für den
Peterspfennig warben, wie anderswo um die Frauengunst*), konnten sie auf



-) Der vor mehr als zwei Jahren Plötzlich aus Trient verschwundene Jesuit ?. Francs,
ein inniger Freund des Bischofs, mußte deshalb aus Florenz flüchtig werden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/117>, abgerufen am 02.07.2024.