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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Zukunft nicht ausschließlich fremde Kräfte heranzuziehen brauchen; unter den
Lehrern der wupperthaler Anstalten ist mancher tüchtige Gelehrte, mancher
werdende Redner. Aber einerlei, woher die vortragenden Kräfte kommen, die
Einrichtung selbst kann nicht sorgfältig genug gepflegt werden. Sie ist eins der
Wirksamsten Mittel, um die Einseitigkeit in Bildung und Leben auszugleichen,
zu welcher das Wupperthal vor dem Zeitalter der Eisenbahnen und der Zei¬
tungen durch eine merkwürdig consequente und exclusive geschichtliche Entwicke¬
lung verurtheilt war.




Der Krieg in Tirol.

Man kann es den Leuten im Norden, die Andreas Hofer und Genossen
für deutsche Helfen, für Vorkämpfer der Freiheit halten, nicht oft genug sagen,
daß sie in der That'nichts waren als die getreue Garde des Papstes, die
Schutzwehr der geistlichen Herrschaft in den Alpen. Diesen Charakter bewahrten
auch ihre Söhne und Enkel bis aus den heutigen Tag. Tröstlich ist es freilich
nicht, aber leider wahr, und die letzten Ereignisse liefern einen neuen Beweis
dafür. Die östreichische Regierung that seit der Wiedervereinigung Tirols mit
den alten Erbländer so gut wie nichts, um diese geistliche Vormundschaft auf¬
zuheben, sie war selbst klerikal, entschieden ultramontan, ging mit den Seelen-
Hirten Hand in Hand, gestattete ihnen alles, was sie begehrten, und hielt am
Grundsatze fest, daß die Treue der Tiroler von ihren Winken hange. Die Ver¬
treibung der Zillerthaler, die Handhabung des Toleranzpatcnts und letzthin
das Ausnahmegesetz über die Bildung protestantischer Gemeinden sind Zuge¬
ständnisse, die man den Bischöfen und dem Klerus zu machen für unerläßlich
hielt. Immer wieder hoben sie, wenn es die Zulassung einzelner Wandervögel
aus dem protestantischen Ausland galt, drohend den Finger auf und sprachen:
"Weg mit der Freundschaft ohne Glaubenseinheit!" Die Negierung kannte
ihren passiven Widerstand aus dem Jahre 1848 und wollte ihre Gunst eines
bloßen Wortstreites halber nicht aufs Spiel setzen. Sie sistirtc demnach schlie߬
lich, wie sonst manches andere, die Gleichberechtigung der Protestanten mit den
Katholiken für das orthodoxe Tirol, machte die Bildung evangelischer Gemein¬
den daselbst von der Zustimmung des tiroler Landtags, nämlich der katholischen


Zukunft nicht ausschließlich fremde Kräfte heranzuziehen brauchen; unter den
Lehrern der wupperthaler Anstalten ist mancher tüchtige Gelehrte, mancher
werdende Redner. Aber einerlei, woher die vortragenden Kräfte kommen, die
Einrichtung selbst kann nicht sorgfältig genug gepflegt werden. Sie ist eins der
Wirksamsten Mittel, um die Einseitigkeit in Bildung und Leben auszugleichen,
zu welcher das Wupperthal vor dem Zeitalter der Eisenbahnen und der Zei¬
tungen durch eine merkwürdig consequente und exclusive geschichtliche Entwicke¬
lung verurtheilt war.




Der Krieg in Tirol.

Man kann es den Leuten im Norden, die Andreas Hofer und Genossen
für deutsche Helfen, für Vorkämpfer der Freiheit halten, nicht oft genug sagen,
daß sie in der That'nichts waren als die getreue Garde des Papstes, die
Schutzwehr der geistlichen Herrschaft in den Alpen. Diesen Charakter bewahrten
auch ihre Söhne und Enkel bis aus den heutigen Tag. Tröstlich ist es freilich
nicht, aber leider wahr, und die letzten Ereignisse liefern einen neuen Beweis
dafür. Die östreichische Regierung that seit der Wiedervereinigung Tirols mit
den alten Erbländer so gut wie nichts, um diese geistliche Vormundschaft auf¬
zuheben, sie war selbst klerikal, entschieden ultramontan, ging mit den Seelen-
Hirten Hand in Hand, gestattete ihnen alles, was sie begehrten, und hielt am
Grundsatze fest, daß die Treue der Tiroler von ihren Winken hange. Die Ver¬
treibung der Zillerthaler, die Handhabung des Toleranzpatcnts und letzthin
das Ausnahmegesetz über die Bildung protestantischer Gemeinden sind Zuge¬
ständnisse, die man den Bischöfen und dem Klerus zu machen für unerläßlich
hielt. Immer wieder hoben sie, wenn es die Zulassung einzelner Wandervögel
aus dem protestantischen Ausland galt, drohend den Finger auf und sprachen:
„Weg mit der Freundschaft ohne Glaubenseinheit!" Die Negierung kannte
ihren passiven Widerstand aus dem Jahre 1848 und wollte ihre Gunst eines
bloßen Wortstreites halber nicht aufs Spiel setzen. Sie sistirtc demnach schlie߬
lich, wie sonst manches andere, die Gleichberechtigung der Protestanten mit den
Katholiken für das orthodoxe Tirol, machte die Bildung evangelischer Gemein¬
den daselbst von der Zustimmung des tiroler Landtags, nämlich der katholischen


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[0115] Zukunft nicht ausschließlich fremde Kräfte heranzuziehen brauchen; unter den Lehrern der wupperthaler Anstalten ist mancher tüchtige Gelehrte, mancher werdende Redner. Aber einerlei, woher die vortragenden Kräfte kommen, die Einrichtung selbst kann nicht sorgfältig genug gepflegt werden. Sie ist eins der Wirksamsten Mittel, um die Einseitigkeit in Bildung und Leben auszugleichen, zu welcher das Wupperthal vor dem Zeitalter der Eisenbahnen und der Zei¬ tungen durch eine merkwürdig consequente und exclusive geschichtliche Entwicke¬ lung verurtheilt war. Der Krieg in Tirol. Man kann es den Leuten im Norden, die Andreas Hofer und Genossen für deutsche Helfen, für Vorkämpfer der Freiheit halten, nicht oft genug sagen, daß sie in der That'nichts waren als die getreue Garde des Papstes, die Schutzwehr der geistlichen Herrschaft in den Alpen. Diesen Charakter bewahrten auch ihre Söhne und Enkel bis aus den heutigen Tag. Tröstlich ist es freilich nicht, aber leider wahr, und die letzten Ereignisse liefern einen neuen Beweis dafür. Die östreichische Regierung that seit der Wiedervereinigung Tirols mit den alten Erbländer so gut wie nichts, um diese geistliche Vormundschaft auf¬ zuheben, sie war selbst klerikal, entschieden ultramontan, ging mit den Seelen- Hirten Hand in Hand, gestattete ihnen alles, was sie begehrten, und hielt am Grundsatze fest, daß die Treue der Tiroler von ihren Winken hange. Die Ver¬ treibung der Zillerthaler, die Handhabung des Toleranzpatcnts und letzthin das Ausnahmegesetz über die Bildung protestantischer Gemeinden sind Zuge¬ ständnisse, die man den Bischöfen und dem Klerus zu machen für unerläßlich hielt. Immer wieder hoben sie, wenn es die Zulassung einzelner Wandervögel aus dem protestantischen Ausland galt, drohend den Finger auf und sprachen: „Weg mit der Freundschaft ohne Glaubenseinheit!" Die Negierung kannte ihren passiven Widerstand aus dem Jahre 1848 und wollte ihre Gunst eines bloßen Wortstreites halber nicht aufs Spiel setzen. Sie sistirtc demnach schlie߬ lich, wie sonst manches andere, die Gleichberechtigung der Protestanten mit den Katholiken für das orthodoxe Tirol, machte die Bildung evangelischer Gemein¬ den daselbst von der Zustimmung des tiroler Landtags, nämlich der katholischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/115>, abgerufen am 02.07.2024.