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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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bereitwillig erklärt, daß die alte Presse und das neue Fremdenblatt allen andern
Zeitungen im Deutschenhaß den Rang ablaufen, muß dann mit dem alten
Nachdruck wiederholt werden, daß die Durchschnittsstimmung der wiener Organe
sich nicht geändert hat. jetzt wie im Juni und Juli kein Unsinn groß genug
erscheint, der nicht als pure Wahrheit dem leichtgläubigen Volte vorgetischt
wird, daß die in den meisten Journalen stereotype Jnvasionschrvnik, die Kor¬
respondenzen vom Lande, die FcuiUctonnotizen über das Austreten der Preußen
grade so viel Lügen enthalten, wie die früheren Berichte vom Kriegsschauplatze.
Und. wohlgemerkt. Lügen, die man als solche aus der Stelle entlarven mußte.
Denn daß der König von Preußen dem Gastwirthe nicht mit der Zeche durch¬
brennt, daß es kein Lieblingsvergnügen der preußischen Offiziere ist, die Bett¬
stelle als Nachtstuhl zu benutzen, daß man den Corporalstock in Preußen nicht
kennt, das konnte, das mußte man auch in Wien wissen.

Wir finden es begreiflich, wenn der Besiegte seine Niederlage verkleinert
und beschönigt. Es möge also immerhin das Zündnadelgewehr das ganze Ver¬
dienst des Sieges für sich in Anspruch nehme", es mag richtig sein, daß die
Preußen bei Chinin durchbrachen, weil sie durch "Verrath" sich in den Besitz
der östreichischen oräiL 6s bataills vom 11. Juni gesetzt hatten; wir wollen
nicht markten über die Zahl der Verräther und Spione, welche angeblich der
preußischen Armee den Elfolg in die Hände spielten; wir wollen nicht darüber
streiten, ob in der That alle Photographen, Botaniker. Agenten. Handelsreisende
und Wcrtelmänncr, welche in den letzten Jahren Böhmen durchstrichen, ver¬
kappte preußische Generalstabsossiziere waren oder nicht. In diesen Behaup¬
tungen liegt allerdings viel Blödsinn, er wird aber durch eine patriotische Em¬
pfindung entschuldigt. Wäre es natürlich zugegangen, so hätten, denkt der
beschränkte Patriot, die östreichischen Waffen nicht den Kürzeren ziehen können.
Es handelt sich aber um Anderes. Wenn sich deutsche wiener Blätter, ohne
im eigenen Lande gebührend abgefertigt zu werden, darin gefallen, die preu¬
ßische Armee als eine Räuberbande darzustellen, wenn sie Offiziere und Mann¬
schaft schlechthin als Diebe bezeichnen, welchen der "Unterschied zwischen Mein
und Dein unbekannt ist", wenn sie "Magenberstung" als eine gewöhnliche
Krankheit bei den preußischen Truppen schildern, wenn sie von preußischen Libe¬
ralen behaupten, Bismarck könne sie durch eine Gänseleberpastete erkaufen, wie
ja auch die preußischen Soldaten nur nach Oestreich zogen, um sich hier einmal
satt essen zu können, wenn sie deutsche Aolksstcunme "Hunde" tituliren, welche
die Hand des Herrn, der sie prügelt, noch lecken, so beschimpfen sie den deutschen
Charakter, so untergraben sie ihre eigene Stellung. Das deutsche
Element in Oestreich kann sich nicht auf sein numerisches Uebergewicht berufen,
es kann sich auch nicht mehr, wie in früheren Zeiten rühmen, daß das deutsche
Reich ihm den Rücken sichere, sein bester Rechtstitel war den fremden Völkern


bereitwillig erklärt, daß die alte Presse und das neue Fremdenblatt allen andern
Zeitungen im Deutschenhaß den Rang ablaufen, muß dann mit dem alten
Nachdruck wiederholt werden, daß die Durchschnittsstimmung der wiener Organe
sich nicht geändert hat. jetzt wie im Juni und Juli kein Unsinn groß genug
erscheint, der nicht als pure Wahrheit dem leichtgläubigen Volte vorgetischt
wird, daß die in den meisten Journalen stereotype Jnvasionschrvnik, die Kor¬
respondenzen vom Lande, die FcuiUctonnotizen über das Austreten der Preußen
grade so viel Lügen enthalten, wie die früheren Berichte vom Kriegsschauplatze.
Und. wohlgemerkt. Lügen, die man als solche aus der Stelle entlarven mußte.
Denn daß der König von Preußen dem Gastwirthe nicht mit der Zeche durch¬
brennt, daß es kein Lieblingsvergnügen der preußischen Offiziere ist, die Bett¬
stelle als Nachtstuhl zu benutzen, daß man den Corporalstock in Preußen nicht
kennt, das konnte, das mußte man auch in Wien wissen.

Wir finden es begreiflich, wenn der Besiegte seine Niederlage verkleinert
und beschönigt. Es möge also immerhin das Zündnadelgewehr das ganze Ver¬
dienst des Sieges für sich in Anspruch nehme», es mag richtig sein, daß die
Preußen bei Chinin durchbrachen, weil sie durch „Verrath" sich in den Besitz
der östreichischen oräiL 6s bataills vom 11. Juni gesetzt hatten; wir wollen
nicht markten über die Zahl der Verräther und Spione, welche angeblich der
preußischen Armee den Elfolg in die Hände spielten; wir wollen nicht darüber
streiten, ob in der That alle Photographen, Botaniker. Agenten. Handelsreisende
und Wcrtelmänncr, welche in den letzten Jahren Böhmen durchstrichen, ver¬
kappte preußische Generalstabsossiziere waren oder nicht. In diesen Behaup¬
tungen liegt allerdings viel Blödsinn, er wird aber durch eine patriotische Em¬
pfindung entschuldigt. Wäre es natürlich zugegangen, so hätten, denkt der
beschränkte Patriot, die östreichischen Waffen nicht den Kürzeren ziehen können.
Es handelt sich aber um Anderes. Wenn sich deutsche wiener Blätter, ohne
im eigenen Lande gebührend abgefertigt zu werden, darin gefallen, die preu¬
ßische Armee als eine Räuberbande darzustellen, wenn sie Offiziere und Mann¬
schaft schlechthin als Diebe bezeichnen, welchen der „Unterschied zwischen Mein
und Dein unbekannt ist", wenn sie „Magenberstung" als eine gewöhnliche
Krankheit bei den preußischen Truppen schildern, wenn sie von preußischen Libe¬
ralen behaupten, Bismarck könne sie durch eine Gänseleberpastete erkaufen, wie
ja auch die preußischen Soldaten nur nach Oestreich zogen, um sich hier einmal
satt essen zu können, wenn sie deutsche Aolksstcunme „Hunde" tituliren, welche
die Hand des Herrn, der sie prügelt, noch lecken, so beschimpfen sie den deutschen
Charakter, so untergraben sie ihre eigene Stellung. Das deutsche
Element in Oestreich kann sich nicht auf sein numerisches Uebergewicht berufen,
es kann sich auch nicht mehr, wie in früheren Zeiten rühmen, daß das deutsche
Reich ihm den Rücken sichere, sein bester Rechtstitel war den fremden Völkern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/104>, abgerufen am 02.07.2024.