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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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gegenüber der Besitz der größeren Bildung. Mochten auch die nichtdeutschen
Stämme sich öffentlich von dem deutschen Culturleben lossagen, insgeheim
nährten sie sich doch nur von demselben und wenn auch widerwillig, erkannten
sie doch stets die Suprematie der deutschen Mitbürger in geistiger Beziehung
an. Diesen Nimbus zerstören die Deulschöstreicher leichtsinnig in ihren Organen.
Alles, was von den Panduren und Kroaten ausgesagt wurde, das gilt von
den Deutschen, so lautet das Thema, welches tagtäglich von wiener deutschen
Zeitungen variirt wird.

Glaubt man, durch diese Verunglimpfung deutscher Männer -- zwischen
Preußen und Bayern und Badensern wird kein merklicher Unterschied gemacht
-- die verlorene Stellung im "Reiche" wieder gewinnen zu können? Die
wiener Staatsmänner und Publicisten sind in einer argen Täuschung begriffen,
wenn sie wähnen. Oestreich genieße noch jetzt in Deutschland das gleiche An-
sehn wie vor dem Kriege, die Niederlage bei Königsgrätz hätte ihm nicht die
Herzen entfremdet. Als aber gleiwzeitig mit der Nachricht von der Schlacht
sich die Kunde verbreitete, die östreichische Regierung berge sich unter dem Mantel
Napoleons, bemühe sich, die Intervention Frankreichs herbeizurufen, da fiel es
wie Schuppen von den Augen. Die ehrlichen Großdeutschen verfluchten am
lautesten die Politik, welche lieber ein Volk Vernichten hilft, als daß sie einen
Cabinetsvortheil aufgäbe. Daß die aimer Presse seitdem nicht aufhört zu
Hetze", nicht den Augenblick erwarten kann, bis die Zuaven Deutschlands Strom
wieder zu Deutschlands Grenze machen, hat das Verhältniß Oestreichs nicht
verändert oder verbessert. Sprößlingen bedrohter deutscher Fürstcnfamilien ist
es erlaubt, auf Frankreichs Einmischung zu hoffen, denn diese haben nur ihr
dynastisches Interesse zu wahren. Wer aber im Namen des deutschen Volkes
sprechen will, darf nicht Napoleons Langmuth unbegreiflich finden, darf nicht
mit offener Schadenfreude auf die gesteigerte Eifersucht Frankreichs hinweisen.
Nichts hat mehr dazu beigetragen, den Glauben an die deutsche Gesinnung der
Oestreicher zu erschüttern, als ihre Gleichgiltigkeit gegen die Integrität des
deutschen Bodens, nichts beweist den geringen Zusammenhang zwischen Deutsch¬
land und Oestreich so deutlich, als die hier unumwunden ausgesprochene Sehn¬
sucht, recht bald mit Frankreich gegen deutsche Heere zu kämpfen. Daß nicht
alle Deutschöstreichcr diesen Wunsch theilen, ist wohl gewiß; wären aber nicht
blos Einzelne, sondern die Masse der Bevölkerung deutscher Empfindungen fähig,
wie könnte das Kvkettiren mit den Franzosen sich ungestraft in der Presse breit
machen? Oestreich ist. Dank dein Siegesmarsche der preußischen Heere, für die
Deutschen keine terrg. iueoZiritg, mehr. Ehemals, wenn Ultramontane, diese
treuesten Verbündeten Oestreichs, dem rheinischen Bürger und Arbeiter die öst¬
reichischen Zustände als paradiesisch schilderten, von der Macht des Kaisers,
von der Tüchtigkeit des Volkes, der deutschen Brüder am Moldau- und Donau-


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gegenüber der Besitz der größeren Bildung. Mochten auch die nichtdeutschen
Stämme sich öffentlich von dem deutschen Culturleben lossagen, insgeheim
nährten sie sich doch nur von demselben und wenn auch widerwillig, erkannten
sie doch stets die Suprematie der deutschen Mitbürger in geistiger Beziehung
an. Diesen Nimbus zerstören die Deulschöstreicher leichtsinnig in ihren Organen.
Alles, was von den Panduren und Kroaten ausgesagt wurde, das gilt von
den Deutschen, so lautet das Thema, welches tagtäglich von wiener deutschen
Zeitungen variirt wird.

Glaubt man, durch diese Verunglimpfung deutscher Männer — zwischen
Preußen und Bayern und Badensern wird kein merklicher Unterschied gemacht
— die verlorene Stellung im „Reiche" wieder gewinnen zu können? Die
wiener Staatsmänner und Publicisten sind in einer argen Täuschung begriffen,
wenn sie wähnen. Oestreich genieße noch jetzt in Deutschland das gleiche An-
sehn wie vor dem Kriege, die Niederlage bei Königsgrätz hätte ihm nicht die
Herzen entfremdet. Als aber gleiwzeitig mit der Nachricht von der Schlacht
sich die Kunde verbreitete, die östreichische Regierung berge sich unter dem Mantel
Napoleons, bemühe sich, die Intervention Frankreichs herbeizurufen, da fiel es
wie Schuppen von den Augen. Die ehrlichen Großdeutschen verfluchten am
lautesten die Politik, welche lieber ein Volk Vernichten hilft, als daß sie einen
Cabinetsvortheil aufgäbe. Daß die aimer Presse seitdem nicht aufhört zu
Hetze», nicht den Augenblick erwarten kann, bis die Zuaven Deutschlands Strom
wieder zu Deutschlands Grenze machen, hat das Verhältniß Oestreichs nicht
verändert oder verbessert. Sprößlingen bedrohter deutscher Fürstcnfamilien ist
es erlaubt, auf Frankreichs Einmischung zu hoffen, denn diese haben nur ihr
dynastisches Interesse zu wahren. Wer aber im Namen des deutschen Volkes
sprechen will, darf nicht Napoleons Langmuth unbegreiflich finden, darf nicht
mit offener Schadenfreude auf die gesteigerte Eifersucht Frankreichs hinweisen.
Nichts hat mehr dazu beigetragen, den Glauben an die deutsche Gesinnung der
Oestreicher zu erschüttern, als ihre Gleichgiltigkeit gegen die Integrität des
deutschen Bodens, nichts beweist den geringen Zusammenhang zwischen Deutsch¬
land und Oestreich so deutlich, als die hier unumwunden ausgesprochene Sehn¬
sucht, recht bald mit Frankreich gegen deutsche Heere zu kämpfen. Daß nicht
alle Deutschöstreichcr diesen Wunsch theilen, ist wohl gewiß; wären aber nicht
blos Einzelne, sondern die Masse der Bevölkerung deutscher Empfindungen fähig,
wie könnte das Kvkettiren mit den Franzosen sich ungestraft in der Presse breit
machen? Oestreich ist. Dank dein Siegesmarsche der preußischen Heere, für die
Deutschen keine terrg. iueoZiritg, mehr. Ehemals, wenn Ultramontane, diese
treuesten Verbündeten Oestreichs, dem rheinischen Bürger und Arbeiter die öst¬
reichischen Zustände als paradiesisch schilderten, von der Macht des Kaisers,
von der Tüchtigkeit des Volkes, der deutschen Brüder am Moldau- und Donau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/105>, abgerufen am 02.07.2024.