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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Stellung auf militärische Anerkennung verzichten mußte, ist natürlich, aber er
hat nach unserm Erachten in der Hauptsache grade das gethan, was ihm in
seiner precciren Lage übrig blieb, er hat in einem Bruderkrieg, der durch die
süddeutschen Regierungen in urtheilsloser Selbstverblendung gewollt war, das
Volk und Heer von Baden so weit vor Unheil bewahrt, als er dies zu thun
vermochte, ohne eine gewaltsame Krisis über den Staat Baden und seine Divi¬
sion heraufzubeschwören. Daß er dieser Pflicht gegen sein Vaterland sich unter¬
zogen, dafür wird ihm zuletzt Baden dankbar sein und mit Ausnahme der öst¬
reichischen Partei im Süden auch das übrige Deutschland.

Daß der Prinz aber dieser Pflicht und den Befehlen seines Bruders genügt
hat, ohne den militärischen Anstand zu verletzen und ohne mit den Preußen zu
conspiriren, während er im Bundescommando stand, das sollte selbst der Haß
politischer Gegner nicht bezweifeln. Den Verdächtigungen, die nach dieser Rich¬
tung ausgesprochen werden, fehlt jeder Schatten eines Beweises. Aber von
allen Arten des Hasses, welcher des Menschen Urtheil verdirbt, ist der Haß
solcher, die durch ihre eigene Unfähigkeit besiegt worden sind, der allerbitterste.

Die erwähnte Flugschrift aber hat einen Nutzen, sie läßt errathen, was
Deutschland von den östreichisch gesinnten vornehmen Häusern Süddeutschlands
zu erwarten hat. Die militärische Vereinigung von Bayern, Würtemberg und
Baden ist jetzt unmöglicher, als sie je war.

Wir dürfen unter diesen Umständen fröhlich der Anziehungskraft vertrauen,
welche der preußische Bundesstaat auf den deutschen Süden ausüben wird.
Nach Wochen der größten Erregung ist jetzt in Geschäften und in der Stim¬
mung eine Ruhe eingetreten, sie ist nur wie die Ebbe nach einer großen Fluth--
weite, ihr wird eine neue Erhebung folgen, wenn das Parlament des preußischen
Bundes zusammentritt. Dann erst wird die Nation den Segen der großen
Wandlungen lebhaft empfinden und in den Debatten sich schnell in die Um¬
wandlungen einleben. In Sachsen aber wie in dem Süden wird diese Ver¬
sammlung die separatistischen Wünsche kräftig bändigen. Jetzt steht die prell-
ßische Regierung noch allein den abgeneigten Parteien gegenüber, sie darf ver¬
trauen, daß eine Versammlung, welche alle Stämme bis zum Main nicht in einem
zukünftigen, sondern auf sicheren Grundlagen eines gewordenen Staates ver¬
einigt, auch auf die Deutschen, deren Verhältniß zu diesem Staate noch unklar
ist, eine unwiderstehliche Wirkung ausüben wird. Gutes Wort und gerechte
Rede thuns nicht allein, aber sie sind von je unentbehrlich gewesen, um daS
Erörterung und verständige Betrachtung liebende Herz der Deutschen zu ge¬
winnen.




Stellung auf militärische Anerkennung verzichten mußte, ist natürlich, aber er
hat nach unserm Erachten in der Hauptsache grade das gethan, was ihm in
seiner precciren Lage übrig blieb, er hat in einem Bruderkrieg, der durch die
süddeutschen Regierungen in urtheilsloser Selbstverblendung gewollt war, das
Volk und Heer von Baden so weit vor Unheil bewahrt, als er dies zu thun
vermochte, ohne eine gewaltsame Krisis über den Staat Baden und seine Divi¬
sion heraufzubeschwören. Daß er dieser Pflicht gegen sein Vaterland sich unter¬
zogen, dafür wird ihm zuletzt Baden dankbar sein und mit Ausnahme der öst¬
reichischen Partei im Süden auch das übrige Deutschland.

Daß der Prinz aber dieser Pflicht und den Befehlen seines Bruders genügt
hat, ohne den militärischen Anstand zu verletzen und ohne mit den Preußen zu
conspiriren, während er im Bundescommando stand, das sollte selbst der Haß
politischer Gegner nicht bezweifeln. Den Verdächtigungen, die nach dieser Rich¬
tung ausgesprochen werden, fehlt jeder Schatten eines Beweises. Aber von
allen Arten des Hasses, welcher des Menschen Urtheil verdirbt, ist der Haß
solcher, die durch ihre eigene Unfähigkeit besiegt worden sind, der allerbitterste.

Die erwähnte Flugschrift aber hat einen Nutzen, sie läßt errathen, was
Deutschland von den östreichisch gesinnten vornehmen Häusern Süddeutschlands
zu erwarten hat. Die militärische Vereinigung von Bayern, Würtemberg und
Baden ist jetzt unmöglicher, als sie je war.

Wir dürfen unter diesen Umständen fröhlich der Anziehungskraft vertrauen,
welche der preußische Bundesstaat auf den deutschen Süden ausüben wird.
Nach Wochen der größten Erregung ist jetzt in Geschäften und in der Stim¬
mung eine Ruhe eingetreten, sie ist nur wie die Ebbe nach einer großen Fluth--
weite, ihr wird eine neue Erhebung folgen, wenn das Parlament des preußischen
Bundes zusammentritt. Dann erst wird die Nation den Segen der großen
Wandlungen lebhaft empfinden und in den Debatten sich schnell in die Um¬
wandlungen einleben. In Sachsen aber wie in dem Süden wird diese Ver¬
sammlung die separatistischen Wünsche kräftig bändigen. Jetzt steht die prell-
ßische Regierung noch allein den abgeneigten Parteien gegenüber, sie darf ver¬
trauen, daß eine Versammlung, welche alle Stämme bis zum Main nicht in einem
zukünftigen, sondern auf sicheren Grundlagen eines gewordenen Staates ver¬
einigt, auch auf die Deutschen, deren Verhältniß zu diesem Staate noch unklar
ist, eine unwiderstehliche Wirkung ausüben wird. Gutes Wort und gerechte
Rede thuns nicht allein, aber sie sind von je unentbehrlich gewesen, um daS
Erörterung und verständige Betrachtung liebende Herz der Deutschen zu ge¬
winnen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/102>, abgerufen am 02.07.2024.