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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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große Freude haben, als sie die Republik im Frieden und mit der Ruhe aller
wiederhergestellt sahen? Wenn also Cäsar am Leben geblieben wäre und es
ebenso wie Sulla gemacht hätte, so hätte der, der ihn zuvor zu tödten gedachte,
ein großes Uebel verschuldet. Und vielleicht war es Dantes Meinung, daß
Cäsar den Sulla nachzuahmen gedachte; folglich urtheilte er, daß Brutus und
Cassius im Unrecht waren und darum die Strafe verdienten, die er ihnen gab...

Luigi: Den ganzen Tag haben wir jetzt von Dante geredet. So sei er
nun auch unser letztes Wort. Darum, besser Niolrelansolo, tragt uns das
Sonett vor, das ihr vor wenig Tagen zu seinem Lobe gemacht habt.

Michelangelo: Gerne, obwohl es nicht werth ist, von euch angehört zu
werden:


Huella demMÄ stella, eds co' suol u. s. w.

Dieser Zeit also gehören, wie wir hier erfahren, die beiden Sonette auf
Dante an, wie auch das Epigramm auf die Statue der Nacht, die Antwort auf
ein Epigramm des Giovanni Strozzi, kurze Zeit früher entstanden war. Be¬
kannt ist, wie schwermüthige Trauer über die Zeitverhältnisse im letzteren Ge¬
dicht, wie bittere Stimmung gegen Florenz in den Sonetten an Dante herrscht.
War er von Jugend auf mit Dante vertraut gewesen, so war ihm dieser ver¬
wandte Geist jetzt noch näher gerückt, da er sich gleichfalls als einen Verbann¬
ten betrachten konnte und über ein undankbares Volk zu klagen hatte, das
"den Gerechten und Edelsten das meiste Weh bereitet".

Ein Madrigal (68) enthält ein Zwiegespräch zwischen zwei Verbannten
Florentinern. "Jedes Ungemach," ist die Meinung des einen, "ist standhaft zu
tragen. Der andere träumt von Rückkehr und gerechter Rache, worauf jener
erwiedert: Wehe, wer vergebens hofft und die Rückkehr nicht mehr erlebt; doch
wenn ich wiederkehre, so verzeihe ein edles Herz und bringe Liebe dem, der es
beleidigt. Offenbar ist (entgegen Guastis Meinung) die resignirtere und mildere
Stimmung diejenige des Dichters."

In einem andern Madrigal (1) finden wir ein Zwiegespräch zwischen
Florenz und den Verbannten. Florenz ist als Herrin angeredet und das Ganze
ist in die Form eines Liebesgedichtes gekleidet. "Für viele, für tausend Liebende,"
klagen die Verbannten, "bist du, Engelsangesicht, geschaffen; nun scheint es, daß
der Himmel schlafe, wenn ein Einziger sich aneignet, was so vielen gegeben ist.
Wende den Glanz deiner Augen zu unsern Seufzern und verschmähe nicht, die
ihres Gutes beraubt in solchem -Elend geboren .sind. Ach, erwiedert sdie Ge¬
liebte, haltet euer heiliges Sehnen rein; .der mich beraubt, .den läßt >gro>ße
Furcht die Früchte seines Raubes nicht genießen. Denn .elender ist der.Liebende,
dem der Besitz die Sehnsucht erstickt, als der. der im Unglück noch große Hoff¬
nung nährt."

Dieses Gedicht, in welchem die Donna -sichtlich eine allegorische Bedeutung


große Freude haben, als sie die Republik im Frieden und mit der Ruhe aller
wiederhergestellt sahen? Wenn also Cäsar am Leben geblieben wäre und es
ebenso wie Sulla gemacht hätte, so hätte der, der ihn zuvor zu tödten gedachte,
ein großes Uebel verschuldet. Und vielleicht war es Dantes Meinung, daß
Cäsar den Sulla nachzuahmen gedachte; folglich urtheilte er, daß Brutus und
Cassius im Unrecht waren und darum die Strafe verdienten, die er ihnen gab...

Luigi: Den ganzen Tag haben wir jetzt von Dante geredet. So sei er
nun auch unser letztes Wort. Darum, besser Niolrelansolo, tragt uns das
Sonett vor, das ihr vor wenig Tagen zu seinem Lobe gemacht habt.

Michelangelo: Gerne, obwohl es nicht werth ist, von euch angehört zu
werden:


Huella demMÄ stella, eds co' suol u. s. w.

Dieser Zeit also gehören, wie wir hier erfahren, die beiden Sonette auf
Dante an, wie auch das Epigramm auf die Statue der Nacht, die Antwort auf
ein Epigramm des Giovanni Strozzi, kurze Zeit früher entstanden war. Be¬
kannt ist, wie schwermüthige Trauer über die Zeitverhältnisse im letzteren Ge¬
dicht, wie bittere Stimmung gegen Florenz in den Sonetten an Dante herrscht.
War er von Jugend auf mit Dante vertraut gewesen, so war ihm dieser ver¬
wandte Geist jetzt noch näher gerückt, da er sich gleichfalls als einen Verbann¬
ten betrachten konnte und über ein undankbares Volk zu klagen hatte, das
„den Gerechten und Edelsten das meiste Weh bereitet".

Ein Madrigal (68) enthält ein Zwiegespräch zwischen zwei Verbannten
Florentinern. „Jedes Ungemach," ist die Meinung des einen, „ist standhaft zu
tragen. Der andere träumt von Rückkehr und gerechter Rache, worauf jener
erwiedert: Wehe, wer vergebens hofft und die Rückkehr nicht mehr erlebt; doch
wenn ich wiederkehre, so verzeihe ein edles Herz und bringe Liebe dem, der es
beleidigt. Offenbar ist (entgegen Guastis Meinung) die resignirtere und mildere
Stimmung diejenige des Dichters."

In einem andern Madrigal (1) finden wir ein Zwiegespräch zwischen
Florenz und den Verbannten. Florenz ist als Herrin angeredet und das Ganze
ist in die Form eines Liebesgedichtes gekleidet. „Für viele, für tausend Liebende,"
klagen die Verbannten, „bist du, Engelsangesicht, geschaffen; nun scheint es, daß
der Himmel schlafe, wenn ein Einziger sich aneignet, was so vielen gegeben ist.
Wende den Glanz deiner Augen zu unsern Seufzern und verschmähe nicht, die
ihres Gutes beraubt in solchem -Elend geboren .sind. Ach, erwiedert sdie Ge¬
liebte, haltet euer heiliges Sehnen rein; .der mich beraubt, .den läßt >gro>ße
Furcht die Früchte seines Raubes nicht genießen. Denn .elender ist der.Liebende,
dem der Besitz die Sehnsucht erstickt, als der. der im Unglück noch große Hoff¬
nung nährt."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/70>, abgerufen am 22.07.2024.