Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
"Das Glück ist fort -- die Flasche leer.
Wir haben keine Freunde mehr.
Erloschen ist der Sonnenglanz.
Zerstoben ist der Mückentanz.
Die Freunde, wie die Mücke,
Verschwinden mit dem Glücke/ --

wenigstens in der Bundestagsresidenz!

Daneben fehlt es diesen Truppen doch nicht an den schwersten Fatiguen
und Strapatzen. Ewig müssen sie hin und her marschiren. Heute werden z. B.
die nassauischen Truppen von der Centripetalkraft (d. h. dem Bundescommando)
nach Frankfurt und Umgegend gezogen, morgen von der Centrifugalkraft (d. h.
dem Landescommando) nach Wiesbaden oder Nüdeshcim; übermorgen ist die
"Zentripetalkraft wieder obenauf, und sie marschiren wieder nach Frankfurt. Hin
und her -- ewig hin und her, wie ein Perpendikel an der Uhr. Auch Oest¬
reicher, dann Würtenberger, dann Kurhessen mußten öfters nach Nassau eilen,
um dem Herzog Adolph seine Residenz Bicbrich zu schützen und militärische
Promenaden zu Gunsten seiner Domanialweinkcllcr zu machen. Mit dem hes¬
sischen Contingent ist es ähnlich, es patrouillirt einerseits zwischen Frankfurt
und Darmstadt, andrerseits zwischen Mainz. Lingen und Frankfurt. Den Ba-
densern trauen die Uebrigen nicht. Sie scheinen immer zwischen Neckar und
Main zu "hangen und bangen in schwebender Pein". Ich horte einen bayri¬
schen Offizier Witze reißen wegen der Unschlüssigkeit der Badenser darüber, ob
sie zum Bunde (d. h. zu Oestreich) halten sollten oder nicht. Der Bayer sang
ein Spottlied auf sie, welches etwa so lautete:


"I wachet' gern, i schloafct gern,
Möcht' weltlich bleiben und geistlich war'n."

Allerdings ist es schwer, zu gleicher Zeit zu wachen und zu schlafen. Die
Badenser aber, an deren Spitze der treffliche Prinz Wilhelm steht, der das ba¬
dische Concordat und das Ministerium Stengel-Rivalicr-Meysenbug zu Fall
gebracht und deshalb von den Ultramontanen blutig gehaßt und verfolgt wird,
behaupten, ihr rathloscs Verhalten habe darin seinen Grund, weil sie ohne alle
Instruction seien und trotz aller Mühewaltung das Hauptquartier für sie un¬
auffindbar sei, wie weiland die "ekamdrs intionvadlk". Wer Recht hat, weiß
ich nicht. Gewiß ist, während die Bundestagsarmee nach Außen unbeweglich
ist, wimmelt und wirrt es im Innern durcheinander, wie in einem Ameisen¬
haufen, den ein böser Junge mit dem Stock aufgewühlt hat. Rechnet man
hinzu, daß während der Zeit dieses Hin- und Herzichcns es meistens in Strömen
regnete, und die Truppen häusig im Freien mit unzureichender Nahrung
bivouakiren mußten, so wird man es begreiflich finden, daß, bevor noch ein
Schuß gefallen, die Militärhospitale in Mainz, Frankfurt, Darmstadt und Wies¬
baden dicht voll Soldaten liegen.


„Das Glück ist fort — die Flasche leer.
Wir haben keine Freunde mehr.
Erloschen ist der Sonnenglanz.
Zerstoben ist der Mückentanz.
Die Freunde, wie die Mücke,
Verschwinden mit dem Glücke/ —

wenigstens in der Bundestagsresidenz!

Daneben fehlt es diesen Truppen doch nicht an den schwersten Fatiguen
und Strapatzen. Ewig müssen sie hin und her marschiren. Heute werden z. B.
die nassauischen Truppen von der Centripetalkraft (d. h. dem Bundescommando)
nach Frankfurt und Umgegend gezogen, morgen von der Centrifugalkraft (d. h.
dem Landescommando) nach Wiesbaden oder Nüdeshcim; übermorgen ist die
«Zentripetalkraft wieder obenauf, und sie marschiren wieder nach Frankfurt. Hin
und her — ewig hin und her, wie ein Perpendikel an der Uhr. Auch Oest¬
reicher, dann Würtenberger, dann Kurhessen mußten öfters nach Nassau eilen,
um dem Herzog Adolph seine Residenz Bicbrich zu schützen und militärische
Promenaden zu Gunsten seiner Domanialweinkcllcr zu machen. Mit dem hes¬
sischen Contingent ist es ähnlich, es patrouillirt einerseits zwischen Frankfurt
und Darmstadt, andrerseits zwischen Mainz. Lingen und Frankfurt. Den Ba-
densern trauen die Uebrigen nicht. Sie scheinen immer zwischen Neckar und
Main zu „hangen und bangen in schwebender Pein". Ich horte einen bayri¬
schen Offizier Witze reißen wegen der Unschlüssigkeit der Badenser darüber, ob
sie zum Bunde (d. h. zu Oestreich) halten sollten oder nicht. Der Bayer sang
ein Spottlied auf sie, welches etwa so lautete:


„I wachet' gern, i schloafct gern,
Möcht' weltlich bleiben und geistlich war'n."

Allerdings ist es schwer, zu gleicher Zeit zu wachen und zu schlafen. Die
Badenser aber, an deren Spitze der treffliche Prinz Wilhelm steht, der das ba¬
dische Concordat und das Ministerium Stengel-Rivalicr-Meysenbug zu Fall
gebracht und deshalb von den Ultramontanen blutig gehaßt und verfolgt wird,
behaupten, ihr rathloscs Verhalten habe darin seinen Grund, weil sie ohne alle
Instruction seien und trotz aller Mühewaltung das Hauptquartier für sie un¬
auffindbar sei, wie weiland die „ekamdrs intionvadlk". Wer Recht hat, weiß
ich nicht. Gewiß ist, während die Bundestagsarmee nach Außen unbeweglich
ist, wimmelt und wirrt es im Innern durcheinander, wie in einem Ameisen¬
haufen, den ein böser Junge mit dem Stock aufgewühlt hat. Rechnet man
hinzu, daß während der Zeit dieses Hin- und Herzichcns es meistens in Strömen
regnete, und die Truppen häusig im Freien mit unzureichender Nahrung
bivouakiren mußten, so wird man es begreiflich finden, daß, bevor noch ein
Schuß gefallen, die Militärhospitale in Mainz, Frankfurt, Darmstadt und Wies¬
baden dicht voll Soldaten liegen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0537" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286125"/>
          <quote> &#x201E;Das Glück ist fort &#x2014; die Flasche leer.<lb/>
Wir haben keine Freunde mehr.<lb/>
Erloschen ist der Sonnenglanz.<lb/>
Zerstoben ist der Mückentanz.<lb/>
Die Freunde, wie die Mücke,<lb/>
Verschwinden mit dem Glücke/ &#x2014;</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1915"> wenigstens in der Bundestagsresidenz!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1916"> Daneben fehlt es diesen Truppen doch nicht an den schwersten Fatiguen<lb/>
und Strapatzen. Ewig müssen sie hin und her marschiren. Heute werden z. B.<lb/>
die nassauischen Truppen von der Centripetalkraft (d. h. dem Bundescommando)<lb/>
nach Frankfurt und Umgegend gezogen, morgen von der Centrifugalkraft (d. h.<lb/>
dem Landescommando) nach Wiesbaden oder Nüdeshcim; übermorgen ist die<lb/>
«Zentripetalkraft wieder obenauf, und sie marschiren wieder nach Frankfurt. Hin<lb/>
und her &#x2014; ewig hin und her, wie ein Perpendikel an der Uhr. Auch Oest¬<lb/>
reicher, dann Würtenberger, dann Kurhessen mußten öfters nach Nassau eilen,<lb/>
um dem Herzog Adolph seine Residenz Bicbrich zu schützen und militärische<lb/>
Promenaden zu Gunsten seiner Domanialweinkcllcr zu machen. Mit dem hes¬<lb/>
sischen Contingent ist es ähnlich, es patrouillirt einerseits zwischen Frankfurt<lb/>
und Darmstadt, andrerseits zwischen Mainz. Lingen und Frankfurt. Den Ba-<lb/>
densern trauen die Uebrigen nicht. Sie scheinen immer zwischen Neckar und<lb/>
Main zu &#x201E;hangen und bangen in schwebender Pein". Ich horte einen bayri¬<lb/>
schen Offizier Witze reißen wegen der Unschlüssigkeit der Badenser darüber, ob<lb/>
sie zum Bunde (d. h. zu Oestreich) halten sollten oder nicht. Der Bayer sang<lb/>
ein Spottlied auf sie, welches etwa so lautete:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;I wachet' gern, i schloafct gern,<lb/>
Möcht' weltlich bleiben und geistlich war'n."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1917"> Allerdings ist es schwer, zu gleicher Zeit zu wachen und zu schlafen. Die<lb/>
Badenser aber, an deren Spitze der treffliche Prinz Wilhelm steht, der das ba¬<lb/>
dische Concordat und das Ministerium Stengel-Rivalicr-Meysenbug zu Fall<lb/>
gebracht und deshalb von den Ultramontanen blutig gehaßt und verfolgt wird,<lb/>
behaupten, ihr rathloscs Verhalten habe darin seinen Grund, weil sie ohne alle<lb/>
Instruction seien und trotz aller Mühewaltung das Hauptquartier für sie un¬<lb/>
auffindbar sei, wie weiland die &#x201E;ekamdrs intionvadlk". Wer Recht hat, weiß<lb/>
ich nicht. Gewiß ist, während die Bundestagsarmee nach Außen unbeweglich<lb/>
ist, wimmelt und wirrt es im Innern durcheinander, wie in einem Ameisen¬<lb/>
haufen, den ein böser Junge mit dem Stock aufgewühlt hat. Rechnet man<lb/>
hinzu, daß während der Zeit dieses Hin- und Herzichcns es meistens in Strömen<lb/>
regnete, und die Truppen häusig im Freien mit unzureichender Nahrung<lb/>
bivouakiren mußten, so wird man es begreiflich finden, daß, bevor noch ein<lb/>
Schuß gefallen, die Militärhospitale in Mainz, Frankfurt, Darmstadt und Wies¬<lb/>
baden dicht voll Soldaten liegen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0537] „Das Glück ist fort — die Flasche leer. Wir haben keine Freunde mehr. Erloschen ist der Sonnenglanz. Zerstoben ist der Mückentanz. Die Freunde, wie die Mücke, Verschwinden mit dem Glücke/ — wenigstens in der Bundestagsresidenz! Daneben fehlt es diesen Truppen doch nicht an den schwersten Fatiguen und Strapatzen. Ewig müssen sie hin und her marschiren. Heute werden z. B. die nassauischen Truppen von der Centripetalkraft (d. h. dem Bundescommando) nach Frankfurt und Umgegend gezogen, morgen von der Centrifugalkraft (d. h. dem Landescommando) nach Wiesbaden oder Nüdeshcim; übermorgen ist die «Zentripetalkraft wieder obenauf, und sie marschiren wieder nach Frankfurt. Hin und her — ewig hin und her, wie ein Perpendikel an der Uhr. Auch Oest¬ reicher, dann Würtenberger, dann Kurhessen mußten öfters nach Nassau eilen, um dem Herzog Adolph seine Residenz Bicbrich zu schützen und militärische Promenaden zu Gunsten seiner Domanialweinkcllcr zu machen. Mit dem hes¬ sischen Contingent ist es ähnlich, es patrouillirt einerseits zwischen Frankfurt und Darmstadt, andrerseits zwischen Mainz. Lingen und Frankfurt. Den Ba- densern trauen die Uebrigen nicht. Sie scheinen immer zwischen Neckar und Main zu „hangen und bangen in schwebender Pein". Ich horte einen bayri¬ schen Offizier Witze reißen wegen der Unschlüssigkeit der Badenser darüber, ob sie zum Bunde (d. h. zu Oestreich) halten sollten oder nicht. Der Bayer sang ein Spottlied auf sie, welches etwa so lautete: „I wachet' gern, i schloafct gern, Möcht' weltlich bleiben und geistlich war'n." Allerdings ist es schwer, zu gleicher Zeit zu wachen und zu schlafen. Die Badenser aber, an deren Spitze der treffliche Prinz Wilhelm steht, der das ba¬ dische Concordat und das Ministerium Stengel-Rivalicr-Meysenbug zu Fall gebracht und deshalb von den Ultramontanen blutig gehaßt und verfolgt wird, behaupten, ihr rathloscs Verhalten habe darin seinen Grund, weil sie ohne alle Instruction seien und trotz aller Mühewaltung das Hauptquartier für sie un¬ auffindbar sei, wie weiland die „ekamdrs intionvadlk". Wer Recht hat, weiß ich nicht. Gewiß ist, während die Bundestagsarmee nach Außen unbeweglich ist, wimmelt und wirrt es im Innern durcheinander, wie in einem Ameisen¬ haufen, den ein böser Junge mit dem Stock aufgewühlt hat. Rechnet man hinzu, daß während der Zeit dieses Hin- und Herzichcns es meistens in Strömen regnete, und die Truppen häusig im Freien mit unzureichender Nahrung bivouakiren mußten, so wird man es begreiflich finden, daß, bevor noch ein Schuß gefallen, die Militärhospitale in Mainz, Frankfurt, Darmstadt und Wies¬ baden dicht voll Soldaten liegen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/537
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/537>, abgerufen am 03.07.2024.