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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Noch mehr leiden unter diesen Kreuz- und Querzügen unsere armen Bauern.
Lange nicht haben die Früchte und. Saaten bei uns so schön im Felde gestanden,
wie jetzt. Ich messe sechs Fuß, aber die Kornhalme sind so hoch, daß wenn
ich mich in einen Kornäcker stelle, die Aehren über meinem Kopf zusammen¬
schlagen, so daß man draußen nichts von mir sieht. Nun denke man sich den
Jammer der Bauern, wenn ihnen dieser Segen des Himmels, wie sie glauben
ganz nutzlos, zerstört wird; wenn die Cavalerie und die Artillerie durch die
Felder jagt, -- "querfeldein durch die Saat und das gelbe Korn" -- (in diesen
Kriegszeiten kann man die Reminiscenzen aus Wallensteins Lager leider gar
nicht aus dem Kopfe bannen), wenn die Soldaten, um sich ein Lager am Feuer,
oder um sich Feldhütten zu machen, das fast schon reife Korn abmähen, aus¬
reißen und zu Grund richten. U"d wenn dies statt vom Feind, vom Freund
und gar böswillig geschieht! Der Oekonom Seliger von Winter, welcher in
der nassauischen zweiten Kammer (die bekanntlich dieser Tage aufgelöst wurde,
weil sie gegen die Parteinahme für Oestreich war), das nassauische Maingau,
die Gegend von Hochhcim (berühmt durch den "Olä IloeK") vertrat, erzählte
am 6. Juli in öffentlicher Sitzung der Ständeversammlung, die nassauischen
Offiziere hätten ihre Artillerie ganz ohne Noth und geflissentlich beordert, den
Bauern über die Aecker zu fahren, und als die Soldaten, selbst Bauernsöhne,
gebeten, sie damit zu verschonen, "sie führen schneller und besser auf der hin¬
reichenden Raum gewährenden, festen und breiten Kunst- und Landstraße, es
sei ja doch schade für das schöne Korn", dieselben förmlich dazu gezwungen;
aus Reclamationen der beschädigten Bauern habe der betreffende Offizier geant¬
wortet: "Geht "ach Winter zu Euerem Abgeordneten, dem Fortschrittler, der ist
schuld daran, der kanns auch bezahlen." Der Abgeordnete Seliger erbot sich,
der Negierung die Namen und den vollen Beweis hierfür zu liefern. Die Ne¬
gierung schwieg, sie verlangte keine Beweise, sie schien zu wissen, wie es sich
verhielt. Der Chef des KriegsbcpartemcntS, vorher in der Sitzung anwesend,
hatte sich entfernt, als die Debatte über die Mittel zur Kriegsbereitschaft begann.
Das also im eigenen Lande Angesichts der Civilisation des neunzehnten Jahr¬
hunderts! Das also sind die Lorbeeren der Bundesarmee!

Ich bemerke hier wiederholt, daß ich von der Kriegswisscnschaft nichts ver¬
stehe und daher meinem Urtheil keinen Werth beilege. Aber auch solchen, welche
sehr viel davon verstehen, ist das wechselseitige Verhalten der Bundestagsarmee
und der bayrischen Armee ein Räthsel. Sie begreifen nicht, warum beide gar
nicht cooperiren, sondern, gleichsam mit einander schmollend, es darauf abgesehen
zu haben scheinen, den vordringenden Preußen es zu gestatten, sich zwischen
beide zu schieben und das achte Armeecorps von dem siebenten abzuschneiden.




Noch mehr leiden unter diesen Kreuz- und Querzügen unsere armen Bauern.
Lange nicht haben die Früchte und. Saaten bei uns so schön im Felde gestanden,
wie jetzt. Ich messe sechs Fuß, aber die Kornhalme sind so hoch, daß wenn
ich mich in einen Kornäcker stelle, die Aehren über meinem Kopf zusammen¬
schlagen, so daß man draußen nichts von mir sieht. Nun denke man sich den
Jammer der Bauern, wenn ihnen dieser Segen des Himmels, wie sie glauben
ganz nutzlos, zerstört wird; wenn die Cavalerie und die Artillerie durch die
Felder jagt, — „querfeldein durch die Saat und das gelbe Korn" — (in diesen
Kriegszeiten kann man die Reminiscenzen aus Wallensteins Lager leider gar
nicht aus dem Kopfe bannen), wenn die Soldaten, um sich ein Lager am Feuer,
oder um sich Feldhütten zu machen, das fast schon reife Korn abmähen, aus¬
reißen und zu Grund richten. U»d wenn dies statt vom Feind, vom Freund
und gar böswillig geschieht! Der Oekonom Seliger von Winter, welcher in
der nassauischen zweiten Kammer (die bekanntlich dieser Tage aufgelöst wurde,
weil sie gegen die Parteinahme für Oestreich war), das nassauische Maingau,
die Gegend von Hochhcim (berühmt durch den „Olä IloeK") vertrat, erzählte
am 6. Juli in öffentlicher Sitzung der Ständeversammlung, die nassauischen
Offiziere hätten ihre Artillerie ganz ohne Noth und geflissentlich beordert, den
Bauern über die Aecker zu fahren, und als die Soldaten, selbst Bauernsöhne,
gebeten, sie damit zu verschonen, „sie führen schneller und besser auf der hin¬
reichenden Raum gewährenden, festen und breiten Kunst- und Landstraße, es
sei ja doch schade für das schöne Korn", dieselben förmlich dazu gezwungen;
aus Reclamationen der beschädigten Bauern habe der betreffende Offizier geant¬
wortet: „Geht »ach Winter zu Euerem Abgeordneten, dem Fortschrittler, der ist
schuld daran, der kanns auch bezahlen." Der Abgeordnete Seliger erbot sich,
der Negierung die Namen und den vollen Beweis hierfür zu liefern. Die Ne¬
gierung schwieg, sie verlangte keine Beweise, sie schien zu wissen, wie es sich
verhielt. Der Chef des KriegsbcpartemcntS, vorher in der Sitzung anwesend,
hatte sich entfernt, als die Debatte über die Mittel zur Kriegsbereitschaft begann.
Das also im eigenen Lande Angesichts der Civilisation des neunzehnten Jahr¬
hunderts! Das also sind die Lorbeeren der Bundesarmee!

Ich bemerke hier wiederholt, daß ich von der Kriegswisscnschaft nichts ver¬
stehe und daher meinem Urtheil keinen Werth beilege. Aber auch solchen, welche
sehr viel davon verstehen, ist das wechselseitige Verhalten der Bundestagsarmee
und der bayrischen Armee ein Räthsel. Sie begreifen nicht, warum beide gar
nicht cooperiren, sondern, gleichsam mit einander schmollend, es darauf abgesehen
zu haben scheinen, den vordringenden Preußen es zu gestatten, sich zwischen
beide zu schieben und das achte Armeecorps von dem siebenten abzuschneiden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/538>, abgerufen am 03.07.2024.