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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Herzen, wenn auch mit ruhiger Entschlossenheit, eingegangen waren. Da kommt
der Krieg; und das Erste, was er thut, ist die Ausschließung Nassaus aus dem
Zollverein und die Zerstörung unseres Eisenbahnbetriebes. Jedes dieser Un¬
glücke kostet uns täglich Tausende; und während das Volk Tausende täglich an
seinem Vermögen einbüßt, soll es über die gewohnten Lasten hinaus täglich
Tausende mehr zahlen für einen Krieg an der Seile Oestreichs, von-welchem
die Mehrheit nichts wissen will, und der, wenn wir siegen, uns in den oft.
reichischcn Bankerott verwickelt und das Zollbündniß mit Preußen auflöst.

Der Zollverein, das einzige real-nationale Band, das uns bisher vereinigt,
gedieh deshalb so gut, weil er einheitlich national, oder um es deutlich zu
sagen: weil Oestreich nicht darinnen und deshalb der Dualismus
draußen geblieben war. Aber grade deshalb war er für Oestreich und
dessen Verbündete ein Dorn im Auge. Deshalb hieß es: Entweder -- oder.
Entweder Oestreich hinein -- oder Würtemberg, Bayern, Hessen-Darmstadt
u. s. w. hinaus. Deshalb wurden die Coalitionen von Darmstadt, Würzbrug.
Bamberg, München geschmiedet, sobald es sich um Ncconstituirung des Vereins
handelte; deshalb donnerten auf dem Münchner "deutschen Handelstag", 1862,
die verblendeten Bayern selbst während des Festbanketts, unter den Klängen
des Radetzkymarsches, den man im großdcutsch - handelspolitischen Kriegstaumel
sich geflissentlich bestellt hatte (Handclstag und Radetzkymarsch!) gegen die west¬
europäischen Handelsverträge; deshalb schrie der große Schutzzollagitatvr Hof"
rath von Kerstors aus Ausburg: "Lieber zehn Zollvereine gesprengt, als ein
Haarbreit von der bayerischen Svuveränctcit geopfert!" Das Werk der Zer¬
störung gelang damals nicht. Die Renitente", welche behaupteten, "Oestreich
habe sie im Stich gelassen", krochen alle vor dem 1. October 1864, der von
Preußen gesetzten letzten Frist, wieder unter; sie konnten des schirmenden Daches
nicht entrathen.

Jetzt scheint das Werk der Zerstörung gelungen. Sobald die südwestdeutschen
Regierungen, zur Bundestagsarmee vereinigt, preußisches Gebiet (Wetzlar) an¬
gegriffen hatten, erschien eine officielle Bekanntmachung des preußischen Finanz¬
ministers, dahin lautend, daß durch den Ausbruch des Krieges nach den bestehen¬
den völkerrechtlichen Grundsätzen die Zollvereinsvertrcige außer Wirksamkeit
gesetzt seien, und daß von der weiteren Entwickelung der Ereignisse die Gestal¬
tung der wirthschaftlichen und handelspolitischen Beziehungen zu den süddeutschen
Staaten abhänge, welche die Bundestagsarmee gegen Preußen ins Feld gestellt
haben. Bayern soll einen Versuch bei Preußen gemacht haben, "ob nicht der
Zollverein unter gewissen Modalitäten auch während des Krieges fort¬
dauern könne." Der Versuch mißlang. Die Antwort war: Wer das Schwert
zieht, soll die Scheide wegwerfen; man kann nicht Feind und Freund, Wider¬
sacher und Bundesgenosse zugleich sein; der Zollverein ist der Friede, der ver-


Herzen, wenn auch mit ruhiger Entschlossenheit, eingegangen waren. Da kommt
der Krieg; und das Erste, was er thut, ist die Ausschließung Nassaus aus dem
Zollverein und die Zerstörung unseres Eisenbahnbetriebes. Jedes dieser Un¬
glücke kostet uns täglich Tausende; und während das Volk Tausende täglich an
seinem Vermögen einbüßt, soll es über die gewohnten Lasten hinaus täglich
Tausende mehr zahlen für einen Krieg an der Seile Oestreichs, von-welchem
die Mehrheit nichts wissen will, und der, wenn wir siegen, uns in den oft.
reichischcn Bankerott verwickelt und das Zollbündniß mit Preußen auflöst.

Der Zollverein, das einzige real-nationale Band, das uns bisher vereinigt,
gedieh deshalb so gut, weil er einheitlich national, oder um es deutlich zu
sagen: weil Oestreich nicht darinnen und deshalb der Dualismus
draußen geblieben war. Aber grade deshalb war er für Oestreich und
dessen Verbündete ein Dorn im Auge. Deshalb hieß es: Entweder — oder.
Entweder Oestreich hinein — oder Würtemberg, Bayern, Hessen-Darmstadt
u. s. w. hinaus. Deshalb wurden die Coalitionen von Darmstadt, Würzbrug.
Bamberg, München geschmiedet, sobald es sich um Ncconstituirung des Vereins
handelte; deshalb donnerten auf dem Münchner „deutschen Handelstag", 1862,
die verblendeten Bayern selbst während des Festbanketts, unter den Klängen
des Radetzkymarsches, den man im großdcutsch - handelspolitischen Kriegstaumel
sich geflissentlich bestellt hatte (Handclstag und Radetzkymarsch!) gegen die west¬
europäischen Handelsverträge; deshalb schrie der große Schutzzollagitatvr Hof«
rath von Kerstors aus Ausburg: „Lieber zehn Zollvereine gesprengt, als ein
Haarbreit von der bayerischen Svuveränctcit geopfert!" Das Werk der Zer¬
störung gelang damals nicht. Die Renitente», welche behaupteten, „Oestreich
habe sie im Stich gelassen", krochen alle vor dem 1. October 1864, der von
Preußen gesetzten letzten Frist, wieder unter; sie konnten des schirmenden Daches
nicht entrathen.

Jetzt scheint das Werk der Zerstörung gelungen. Sobald die südwestdeutschen
Regierungen, zur Bundestagsarmee vereinigt, preußisches Gebiet (Wetzlar) an¬
gegriffen hatten, erschien eine officielle Bekanntmachung des preußischen Finanz¬
ministers, dahin lautend, daß durch den Ausbruch des Krieges nach den bestehen¬
den völkerrechtlichen Grundsätzen die Zollvereinsvertrcige außer Wirksamkeit
gesetzt seien, und daß von der weiteren Entwickelung der Ereignisse die Gestal¬
tung der wirthschaftlichen und handelspolitischen Beziehungen zu den süddeutschen
Staaten abhänge, welche die Bundestagsarmee gegen Preußen ins Feld gestellt
haben. Bayern soll einen Versuch bei Preußen gemacht haben, „ob nicht der
Zollverein unter gewissen Modalitäten auch während des Krieges fort¬
dauern könne." Der Versuch mißlang. Die Antwort war: Wer das Schwert
zieht, soll die Scheide wegwerfen; man kann nicht Feind und Freund, Wider¬
sacher und Bundesgenosse zugleich sein; der Zollverein ist der Friede, der ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/527>, abgerufen am 22.07.2024.